Eigentlich ist die Gottesanbeterin in südlicheren Regionen zu Hause. Doch seit ein paar Jahren wird sie im Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg gesichtet und immer öfter jetzt auch in Brandenburg. Die Mantiden-Freunde wollen nun genau wissen wo – und suchen Mit-Beobachter.
Sie ist schon eine eindrucksvolle Erscheinung: Aufrecht sitzt sie zwischen hohen Grashalmen, die Vorderbeine angezogen, so, als wolle sie beten. Deshalb gab ihr der Botaniker Karl von Linnè schon 1758 ihren Namen: Gottesanbeterin(Mantis religiosa). Doch die elegante Dame kann auch anders. Nach stundenlangem, regungslosem Warten auf einem Halm, in angespannter Haltung, kann sie im Bruchteil einer Sekunde ihre mit Dornen besetzten Fangarme ausfahren, um Beute zu fangen. Mit ihren weit auseinanderliegenden Facettenaugen hat sie alles im Blick. Sie kann quasi stereo sehen, denn auch ihr markanter dreieckiger Kopf lässt sich in alle Richtungen drehen.
Zum Speiseplan der Europäischen Gottesanbeterin gehören Fliegen, Heuschrecken, Wespen und manchmal sogar Artgenossen. Für den Menschen ist sie ungefährlich. Sie beißt nicht und ist auch nicht giftig. Im Gegenteil, sie bereichert die heimische Natur und ist die einzige aus der Ordnung der Fangschrecken in Deutschland.
Mehrere Häutungen bis zur typischen grünen Gestalt
Deshalb wollen die Mantiden-Freunde sie schützen, wollen ihre Ausbreitung beobachten und dokumentieren. Dafür suchen sie Mitstreiter in der Bevölkerung, unter Garten-, Wander- und Naturfreunden. Der Zeitpunkt ist günstig, denn im August und September sind die Gottesanbeterinnen erwachsen und haben mit ihrer Größe zwischen sechs und acht Zentimetern geradezu Modelmaße. Über das spannende Verhalten der eleganten Dame ist schon einiges bekannt. Im Herbst werden die Weibchen von den Männchen, die nur etwa vier bis sechs Zentimenter groß sind, begattet. Was für Letztere höchst gefährlich sein kann. Denn nach dem angenehmen Liebesakt passiert es nicht selten, dass sie von seiner Angebeteten einfach verspeist werden. Ihre Eier hüllen die weiblichen Fangschrecken dann in Schaum, der aushärtet. Diese sogenannten Ootheken pappen sie an starke Halme an. So kommen sie gut über den Winter. Die erwachsenen Fangschrecken selbst sterben beim ersten Frost. Im Frühjahr, etwa ab Mai, schlüpfen die Nachkommen, kleine Nymphen, aus den Eiern. Die brauchen dann eine Weile, bis sie die Größe und Schönheit ihrer Eltern erreichen. Erst nach mehreren Gaderobenwechseln (Häutungen) wird aus der anfangs unscheinbaren Miniaturausgabe die elegante Gottesanbeterin.
Diese nun haben die Entomologen des Naturkundemuseums Potsdam und der Freundeskreis Mantiden-Freunde Berlin-Brandenburg in den Mittelpunkt eines Citizen-Science-Projekts (Bürgerwissenschaft) gestellt. Berliner und Brandenburger Naturfreunde werden gebeten, für den Fall, dass sie eine Gottesanbeterin entdecken, sie zu fotografieren und die Bilder gemeinsam mit Informationen über den Fundort an das Naturkundemuseum in Potsdam zu senden. Vor allem in der Lausitz scheint sich das Insekt wohlzufühlen. Radler haben es am Rand von Tagebauen oder in der Nähe von Tagebaufolgeseen beobachtet und gemeldet. Aber auch das warme und trockene Klima und die weiten Wiesenflächen südöstlich von Berlin scheinen der Gottesanbeterin zu gefallen. Auch auf alten Truppenübungsplätzen und an stillgelegten Bahngleisen wurde sie schon gesichtet. Wer aufmerksam und vorsichtig nach der Mantis religiosa Ausschau hält, wird sie, trotz Tarnung, an ihren grünen Flügeln, den langen Fangbeinen und ihrem dreieckigen Kopf im Gras gut erkennen.