Keine Probleme. Das ist das Fazit aller drei großen Telekommunikations-Netzbetreiber im Saarland zur Coronavirus-Pandemie. Jetzt soll der Glasfaserausbau vorangetrieben werden – Deutschland hinkt hier im europäischen Vergleich massiv hinterher.
Die Corona-Krise hat einen regelrechten Digitalisierungsschub ausgelöst. Als im März der Lockdown erfolgte und Mitarbeiter der Unternehmen verstärkt aus dem Homeoffice heraus arbeiteten, stieg parallel dazu die Nachfrage nach höheren Bandbreiten und mehr Telefonie. Allen Unkenrufen zum Trotz haben die Telekommunikationsnetze technisch gesehen die höheren Leistungsanforderungen der Kunden gut verkraftet. Dies ist das Fazit der drei größten Netzbetreiber im Saarland, Deutsche Telekom, Inexio und VSE Net. Hinzu kommen im Saarland noch die Kabelnetz-Anbieter Vodafone-Kabel Deutschland mit einer Anschlussdichte für Haushalte von bis zu 65 Prozent im Saarland und „Pyur" von Tele Columbus mit einer mittleren vierstelligen Anzahl von Haushalten in Schiffweiler und Friedrichsthal.
Ausfälle oder extreme Schwankungen wie aus anderen Bundesländern berichtet hat es im Saarland nach Aussage der hiesigen Netzbetreiber so nicht gegeben, lediglich ein paar Beschwerden zur Unterversorgung mit nicht leistungsfähigen Breitbandanschlüssen. Die Netze seien für eine maximale Leistungsbeanspruchung ausgelegt, die selbst auf dem Höhepunkt der Corona-Krise nicht an ihre Grenzen gekommen ist, heißt es.
Ein Grund dafür sieht Thomas Haböck in der guten Grundversorgung des Saarlandes. „In fast 97 Prozent des Saarlandes stehen mindestens 50 Mbit/s Bandbreite zur Verfügung, sodass eine gute Versorgung mit nachgefragten Bandbreiten garantiert ist. Damit liegen wir im Vergleich zu allen anderen Flächenbundesländern immer noch auf Platz eins." Haböck ist Leiter des Breitbandbüros Saar beim kommunalen Zweckverband eGo-Saar. Umgekehrt sieht es beim FTTB/H-Ausbau, „Fiber to the Building/Home", also Glasfaser bis nach Hause, aus. Nicht einmal drei Prozent aller saarländischen Haushalte sind direkt ans Glasfasernetz angeschlossen. Bundesweit sind es im Durchschnitt betrachtet knapp zwölf Prozent, und damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich nach wie vor im hinteren Mittelfeld.
Förderprogramme für das Gigabit-Zeitalter
Doch das soll sich in den nächsten Jahren massiv ändern. Den coronabedingten digitalen Entwicklungsschub wollen Bund, Land und auch die EU nutzen, um die notwendige digitale Infrastruktur für zukunftsweisende Bereiche wie Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0, smarte Anwendungen auszubauen. Mit Hochdruck arbeiten Bundes- und Landesregierungen an Förderprogrammen, damit Deutschland Anschluss ans Gigabit-Zeitalter hält. Die saarländische Landesregierung hat bereits 100 Millionen Euro für den Breitbandausbau öffentlicher Telekommunikationsnetze bereitgestellt. Über den Gigabit-Pakt Schulen Saar sollen alle 330 Schulen im Saarland, die noch nicht über einen Glasfaseranschluss verfügen, einen solchen kostenlos erhalten. Das vom eGo-Saar/Breitbandbüro Saar koordinierte Förderprojekt, das vom Versorger Inexio umgesetzt wird, wartet noch auf den finalen Förderungsbescheid aus Berlin. Wohl nur eine Formsache, sodass es noch in diesem Jahr losgehen kann. „Es hat alleine schon deswegen etwas länger gedauert, da es rund 100 Schulträger im Saarland zu konsultieren gibt. Alle mussten einzeln koordiniert werden", so Haböck weiter.
Aus dem fünf Milliarden Euro schweren Fördertopf „Digitalpakt Schule" stehen dem Saarland darüber hinaus weitere 120 Millionen Euro zur Verfügung, aus dem die dringend benötigten Endgeräte wie Laptops und Rechner sowie die Schulungen der Lehrer finanziert werden sollen. Die Schulen im Saarland sind vom Kultusministerium bereits aufgefordert, Mediaplanung und Bedarf anzumelden.
Sie bekommen demnach den lang ersehnten FTTB-Anschluss. Doch wie sieht es für Unternehmen und Privathaushalte aus? Nachdem der vom eGo-Saar koordinierte NGA-Breitbandausbau (Next Generation Access) mit mindestens 50 Mbit/s 2018 in den unterversorgten Gebieten abgeschlossen wurde, erfolgt derzeit der Glasfaserausbau im Saarland, marktgetrieben allen voran von VSE Net und Inexio. VSE Net arbeitet mit Energis und den Stadtwerkepartnern im Rahmen des synergetischen Netzausbaus zusammen – überall dort, wo Strom-, Gas- oder Wasserleitungen erneuert werden, kommen Leerrohre für Glasfaser gleich mit in den Boden. Zudem hat der Carrier und Netzbetreiber aus der VSE-Gruppe die Offensive „Gewerbegebiete ans Netz" gestartet. Nach Wadern-Lockweiler und Völklingen/Vorderster Berg sollen weitere Gebiete folgen. Voraussetzung für den Anschluss ans schnelle Datennetz ist die Wirtschaftlichkeit. So sieht es auch das Unternehmen Inexio, das zwar mit der Gemeinde Perl einen Vorvertrag abgeschlossen hat, den FTTH-Ausbau aber nur startet bei einer Vorvermarktungsquote von mindestens 40 Prozent. Friedrichsthal und weitere Kommunen sollen folgen.
Alle Schulen sollen Breitbandanschluss erhalten
Die Deutsche Telekom verfolgt nach eigenen Aussagen derzeit keine weiteren großflächigen Ausbauplanungen im Saarland. Nach deren Angaben könnten bereits rund 400.000 Haushalte hierzulande Breitbandanschlüsse mit bis zu 250 Mbit/s erhalten. Das Augenmerk gilt anderen Bundesländern mit größeren Wachstumschancen. Längst sind auch Inexio und VSE Net zu nationalen Carriern, sprich Netzbetreibern, aufgestiegen. Durch den Zusammenschluss von Inexio mit Deutsche Glasfaser investiert die Unternehmensgruppe sieben Milliarden Euro für sechs Millionen Haushalte für den direkten Glasfaseranschluss bundesweit in den nächsten Jahren. Und auch VSE Net ist längst in Eifel, Hunsrück, Nahe speziell für Geschäftskunden aktiv sowie bundesweit insbesondere in den neuen Ländern. Um die Technik kümmert sich die VSE Net, den Vertrieb vor Ort erledigen die Partner. Nach Unternehmensangaben nutzen bereits über 120.000 Kunden bundesweit die Dienste des Carriers aus dem Saarland.
Der marktgetriebene Glasfaserausbau ist der Politik weiterhin am liebsten, denn er erfolgt zunächst ohne Steuergelder. Förderung gibt es also nur, wenn die Kriterien erfüllt sind und der Ausbau ohne Unterstützung unrealistisch erscheint. Doch der eGo-Saar zeigt sich vorsichtig optimistisch. Im nächsten Jahr könnte ein angepasstes milliardenschweres Förderprogramm des Bundesverkehrsministeriums, das sogenannte Graue Flecken-Förderprogramm, zur Verfügung stehen, und zwar für den FFTB/H-Ausbau, vorausgesetzt EU und Bundesregierung können sich einigen. Berlin drängt darauf, dass die EU die Aufgreifschwelle von 30 Mbit/s deutlich heraufsetzt, am besten ganz wegfallen lässt. Derzeit würde das Saarland mit einer bestehenden großflächigen Versorgung von bereits 50 Mbit/s bei einer Bundesförderung sogar leer ausgehen. Zudem muss in diesem angepassten Förderprogramm über einen gewissen Investitionsschutz nachgedacht werden, schließlich haben Netzbetreiber erst vor zwei, drei Jahren in manchen Gebieten nur investiert, weil es sich nach damaligem Stand gerechnet hat, zum Beispiel in die Vectoring-Technik, sprich der Ertüchtigung von alten VDSL-Leitungen. Die Verhandlungen zwischen Brüssel und Berlin laufen auf Hochtouren und das Bundesverkehrsministerium drängt auf eine Lösung, schließlich finden 2021 Bundestagswahlen statt. Aber Brüssel muss die Interessen aller 27 EU-Staaten berücksichtigen. Für den Mobilfunkausbau stellt der Bund übrigens weitere 1,1 Milliarden Euro Förderung zur Verfügung.
„Für die FTTB/H-Planung im Saarland brauchen wir die konkreten Eckdaten aus einem künftigen Förderprogramm des Bundes, um daraus eine mögliche Umsetzung in den einzelnen Kommunen zu erkennen", betont Thomas Haböck. Überlegungen und Planspiele hierzu gäbe es bereits. Aber Haböck macht keinen Hehl daraus, dass der marktgetriebene Ausbau immer im Vordergrund stehen muss. Schließlich müssen auch bei künftigen Fördermaßnahmen Land und Kommunen immer einen Eigenanteil von 50 Prozent der Kosten selbst stemmen.
Der marktgetriebene Ausbau im Saarland geht auf jeden Fall weiter. Förderungen, wenn sie denn fließen, könnten den Ausbau forcieren. Aber das nächste Problem wartet bereits: Woher sollen die vielen Baufirmen für Tiefbau und Spezialunternehmen für Breitbandverlegung kommen? Schon jetzt gibt es viel zu wenige Unternehmen in diesem Bereich und kaum Ausbildungsmöglichkeiten – der nächste Flaschenhals wartet.