Wie gut trainierte Rennradfahrer, die mit ordentlich Speed über den Asphalt rollen, jagt Jürgen Löhle seine Leser durch die kurzen Kapitel seines süffig erzählten Buches „Ihr elenden Mörder – Kuriose Geschichten von der Tour de France". Insider wissen, dass dies der Legende nach der Ausruf des Tour-Gewinners Octave Lapize gewesen sein soll. Der schob 1910 sein schweres Eingang-Rad das letzte Stück über die historisch erste Bergetappe am Col du Tourmalet (Pyrenäen).
Dass die Straße, die nicht mehr als ein Hirtenweg war, gut befahrbar wäre, basierte schlichtweg auf einer Lüge. Es ging, wie schon immer bei der Tour um das heroische Spektakel, das Tour-Gründer und Verleger des Automagazins „L’Auto" Henri Desgrange sich immer wieder neu erdacht hatte, um die Zuschauer zu bannen. Später entstand daraus ein Lokalpatriotismus, der ihn selbst erstaunte. Sogar Nägel wurden auf der Rennstrecke verteilt.
Diese gewisse Magie und der Sog, den das größte Radsportereignis der Welt von der ersten Stunde 1903 bis heute auf die Siegerrunden auf die Champs Elysées trägt, hat nicht nachgelassen. In seiner Recherche über die „skurrilsten, spannendsten und tragischsten Ra(n)dgeschichten" bei Frankreichs größtem Sportkulturereignis, hat Löhle Zeitzeugen befragt, Archive des Kultmagazins „L’Equipe" durchstöbert und selbst erlebte Anekdoten zusammengetragen. Die Trittfrequenz ist hoch – schnell begibt man sich freiwillig, ob radsportinteressiert oder nicht, in diesen Reigen der großen Emotionen, der harten Kämpfe und unfreiwilligen Komik.
Löhle – Autor, Sportjournalist und Tourbegleiter im 30. Dienstjahr (zu dem Sie einen ausführlichen Artikel auf den Seiten 98 und 99 finden) – versteht es dabei, das allzu Menschliche in seinen anekdotischen Etappen herauszustellen. Eine weitere Perspektive sind die Alltagsgeschichten der Journalisten, Kommentatoren und Fahrer, die mit wenig Schlaf dem Tross in Autos hinterherheizen. Es pedalliert sich locker durch die Zeilen.