Routine hat wie fast alles im Leben mindestens zwei Seiten. Routinierte Handgriffe sitzen wie von selbst, großartige Gedanken dabei erübrigen sich. Routine kann aber auch ganz schön langweilig sein. Gähnende Wiederholung des ewig Selben.
Davon ist derzeit in Schulen wahrlich nichts zu sehen. Was am „neuen Alltag" stimmt, ist, dass er neu ist. Von normal kann keine Rede sein. Schüler in Quarantäne, Probleme im Schulbusverkehr, Forderung nach Raumluftfiltern vor den Wintermonaten, Teststrategien. Und ganz nebenbei alles, was sich um das nette Schlagwort vom digitalen Lernen rankt. Alleine das taugt für ganze Serien von Diskussionsveranstaltungen, Seminaren, Forschungsvorhaben und Selbstversuchen.
Da kommt die neu aufgeflammte Debatte um G8/G9 ziemlich überraschend. Ganz unlogisch ist sie aber nicht. Wenn sich in Schulen derzeit so viel neu sortieren muss, warum dann nicht auch gleich die alte und leidige Frage klären? Zu den vielen altbekannten Argumenten liefern die Corona-Erfahrungen durchaus neue Perspektiven.
Eine bloße Neuauflage der altbekannten G8/G9-Diskussion wird weder taugen, die alten ungelösten Herausforderungen, die durch Corona schonungslos deutlich geworden sind, noch die jetzt neuen zu bewältigen. Vieles ist jetzt möglich, was noch zum Jahresbeginn wie eine ferne Utopie erschien. Geld steht zur Verfügung, der Druck ist da, aber auch eine erkennbare Bereitschaft, die – ungewollten – neuen Chancen zu nutzen.
Der Neustart nach Corona samt ständigem Lernprozess gibt Möglichkeiten, zuvor längst bekannte Schwachstellen mit zu beackern. Mehr Selbständigkeit –
und vor allem die Mittel zur Umsetzung dafür – sind ein Punkt. Und lernen ließe sich auch aus den Erfahrungen etwa von „Schule stark machen". Vor allem gibt es die Chance, Neues mit mehr Mut auszuprobieren.
Am Ende, oder richtiger: Am Anfang muss die Frage stehen, zu was Schule eigentlich führen soll. Das stand eigentlich längst vor Corona auf der Agenda. Antworten gab es reichlich, und reichlich wenig verbindliche Klarheit. Was vielleicht in einer differenzierten Gesellschaft gar nicht mehr möglich ist. Aber diese Diskussion muss weitergeführt werden. Dabei gilt auch weiter der alte Satz: Wichtig ist nicht das Türschild draußen, sondern was drinnen (und drumherum) passiert.