Ein Kommentar zum Interview mit Ministerin Streichert-Clivot von Michaela Auinger
„Kooperation und Zusammenarbeit", nennt Kulturministerin Streichert-Clivot als wünschenswerte Ziele. Vor einem Jahr kam die damalige Staatssekretärin überraschend ins Amt, als Ulrich Commerçon den SPD-Fraktionsvorsitz im saarländischen Landtag übernahm. Seit einem halben Jahr managt sie unter Corona-Bedingungen die wichtigen Bereiche Bildung und Kultur.
Sie tat etwas Kluges. Sie versuchte, sowohl telefonisch als auch in einer erstmals einberufenen Runde, mit Kulturschaffenden ins Gespräch zu kommen, um sich aus erster Hand ein Bild von deren Lage zu verschaffen. Berufs- und auch Einkommensbedingungen von Kulturschaffenden sind nämlich höchst unterschiedlich. Die Profi-Musikerin am Staatstheater gerät derzeit nicht in Not. Die freischaffende mit Honorartätigkeit an der Musikhochschule vielleicht, aber nicht unbedingt. Die ausschließlich freischaffende auf jeden Fall. Die Hobbymusikerin gar nicht.
Die Landesregierung stellte im März ein Soforthilfe-Programm für kleine und mittlere Unternehmen mit 30 Millionen Euro zur Verfügung, von dem auch Kulturschaffende partizipieren. Im Mai stattete Kulturministerin Christine Streichert-Clivot ein Stipendienprogramm mit 2,5 Millionen Euro aus und erhöhte den Etat für den Ankauf von Kunstwerken für die Landeskunstsammlung um 100.000 Euro, um Bildende Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Im Juni beschloss die saarländische Landesregierung das Programm „Vereint helfen: Vereinshilfe" – von den 9,7 Millionen Euro steht die Hälfte für Kulturvereine bereit. Diese Maßnahmen und Summen hören sich groß an, aber Fakt ist, wer als Solo-Selbstständiger keine Rücklagen oder diese aufgebraucht hat, landet schnell, wenngleich unter erleichterten Bedingungen, in Hartz IV.
Es kommt darauf an, dass zielgenau und langfristig geholfen wird. Privatwirtschaftliche Agenturen, Veranstalter und Spielstättenbetreiber – etliche darstellende Künstler und Musiker hängen von diesen ab – können den Schalter nicht einfach umlegen. Morgen wird es nicht, wie es gestern gewesen ist.
Die Besucherzahlen der Museen der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz haben der Ministerin in der Vergangenheit nicht gut genug gefallen, lese ich aus der Interview-Antwort zur Neubesetzung der Stelle des Vorstandes mit Dr. Andrea Jahn, heraus. Ich dagegen bin gespannt, wie die neue Chefin die Qualität der Ausstellungen, die von Dr. Mönig verantwortet wurden, toppen möchte. Der Plan wird ja nicht sein, mittels Banalisierung mehr Füße zu bewegen. Die Personalisierung überrascht insofern, weil Frau Dr. Jahn mit der Stadtgalerie ein Bötchen steuerte, nun aber Kapitänin eines Kreuzfahrtschiffes geworden ist. Das Zeug, auf der Brücke gute Figur zu machen, hat sie allemal. Ihr Bonus war, dass man sie hierzulande kennt und mag. Da fiel es leicht, das Schiffchen zum Liner zu erklären.
Mutiert der Pingusson-Bau zum nächsten Saar-Skandal? Als Ministerpräsidentin verkündete Annegret Kramp-Karrenbauer 2013, dass das vom Architekten Georges-Henri Pingusson errichtete Gebäude saniert werden solle – von 30 Millionen Euro sprach man. Bis heute liegt keine Kostenschätzung auf dem Tisch! Derzeit wird von 53 Millionen geredet. Das Wirtschaftlichkeitsgutachten soll prüfen, ob eine Sanierung überhaupt wirtschaftlich sei. Davon wiederum muss man doch abhängig machen, ob das Ministerium für Bildung und Kultur dort wieder hinziehen kann. All das müsste längst geklärt sein, denn für das Nichtstun bezahlen die Steuerzahler. Warum den Hochbau nicht einem Investor übergeben, mit der Auflage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den sogenannten Ministertrakt samt Park weiterhin kulturell nutzen? Diese Nutzungen dienten dem Gemeinwohl. Dass Ministerin Streichert-Clivot erstmals im Sommer 2020 an Innenminister Klaus Bouillon geschrieben hat, um in der Sache weiterzukommen, ist viel, viel zu spät, denn: Die Angelegenheit müsste längst Chefsache sein!
Ludwigskirche, Schloss oder Saarpolygon? Welches Bauwerk würden die Saarländerinnen und Saarländer wohl mehrheitlich als identitätsstiftend betrachten? Ich vermag es nicht zu sagen, aber, dass es nicht „das schmale Handtuch" ist, weiß ich. Da mag die Ministerin zweimal im Interview auf die Historie des Gebäudes verweisen. Diese wird von kunst- und kulturhistorisch Bewanderten, gerne aufgerufen, um den aufragenden Betonblock als sakrosankt zu erklären. Ich präferiere für Vernunft und wende mich gegen Denkverbote.