Am 18. September 1970 starb mit Jimi Hendrix einer der größten Gitarristen der Musikgeschichte im Alter von nur 27 Jahren an einer Überdosis Schlafmittel. Nicht einmal vier Jahre dauerte seine Karriere, doch in dieser Zeit hat er sich als Musiker unsterblich gemacht.
Fehmarn ist eher nicht als der Nabel der Welt bekannt. Doch vor 50 Jahren schrieb die Ostseeinsel Musikgeschichte – mit dem letzten großen Auftritt von Jimi Hendrix. Ein Musikfestival wie das Love And Peace Festival hatte es in Deutschland bis dahin nicht gegeben. Organisatorisch war die Veranstaltung im September 1970 allerdings eine Katastrophe – trotz der 200.000 D-Mark Sponsorengeld von Erotik-Queen Beate Uhse. Hinzu kamen das stürmische Wetter und der Regen. Die Festivalwiese versank im Matsch; auf der Bühne war es so nass, dass einige Musiker sogar Stromschläge bekamen. Mehrere Bands sagten ihren Auftritt deshalb vorsorglich ab.
Auch Jimi Hendrix ließ das Publikum zappeln und blieb vorerst im warmen Hotel. Anstatt wie geplant am Samstagabend, betrat der Mann, auf den alle gewartet hatten, erst am späten Sonntagmittag die Bühne – begleitet von ersten Buh-Rufen. Hendrix’ Reaktion? „Ich scheiß’ drauf, ob ihr buht oder nicht, solange ihr es in der richtigen Tonart tut", soll seine Antwort gewesen sein. Als er kurz darauf seine Gitarre aufheulen ließ, war das Publikum jedoch schnell wieder versöhnt und aller Ärger vergessen.
Niemand von den Zuschauern ahnte, dass es Hendrix’ letzter Open-Air-Auftritt sein würde. Zwölf Tage später war der Gottvater der Gitarre tot. Am 18. September 1970 entdeckte ihn seine Freundin Monika Dannemann tot in seinem Zimmer im Samarkand-Hotel im Londoner Stadtteil Notting Hill. Nach einer langen Nacht waren beide erst spät ins Bett gegangen. Als sie aufwachte, schien er noch zu schlafen, also ging die frühere Eiskunstläuferin aus Düsseldorf erst einmal Zigaretten kaufen. Als Hendrix jedoch auch danach keine Anstalten machte, aufzustehen und selbst auf leichte Klapse ins Gesicht nicht reagierte, alarmierte sie den Notarzt.
Doch jede Rettung kam zu spät. Der Pathologe notierte später: „Tod durch Ersticken am eigenen Erbrochenen. Und Barbituratvergiftung. Unzureichende Indizien für die Umstände. Kein abschließendes Urteil." Hendrix war damals erst 27 Jahre alt. Er zählt damit neben Janis Joplin, Jim Morrison, Brian Jones, Amy Winehouse und Kurt Cobain zum ominösen „Club 27" jener Musiker, die im Alter von 27 Jahren meist wegen Alkohol- oder Drogensucht viel zu früh aus dem Leben schieden.
Erstickt am eigenen Erbrochenen
Nicht einmal vier Jahre dauerte die Karriere von Jimi Hendrix, doch in dieser Zeit hat er sich als Musiker unsterblich gemacht. Als er im März 1967 in einem Radiokonzert des NDR auftrat, stellte ihn Moderator Jochen Rathmann mit den Worten vor: „Dieser Wundermann aus Amerika hat in ganz kurzer Zeit eine Karriere gemacht, die denen der Beatles und Rolling Stones gleichkommt."
Jimi Hendrix hat das elektrische Gitarrenspiel seinerzeit völlig neu erfunden. „Wo zuvor fast jede Gitarrenband zwei Gitarristen beschäftigte, spielte Hendrix immer als einziger Gitarrist im Trio, lediglich mit einem Bassisten und einem Schlagzeuger. Er spielte Melodie und Akkordbegleitung gleichzeitig", schrieb Michael Dorka, Musikredakteur des Radiosenders SWR 1. Und wie er das tat: Leidenschaftlich – so als würde er seine Gitarre nicht bloß spielen, sondern gleich begatten. Nicht zu Unrecht gab er seinen Instrumenten stets Frauennamen. Er bearbeitete sie mit den Zähnen und mit der Zunge, er spielte hinter dem Rücken, so als ob das ganz selbstverständlich sei.
„Ich kümmere mich nicht darum, was sie sagen. Wenn ich mit meinen Zähnen spielen will, dann tue ich das, weil ich mich so fühle. Alles, was ich auf der Bühne tue, ist völlig natürlich für mich", sagte er. Einmal – 1967 beim Rockfestival in Monterey – legte er sogar Feuer an seine Gitarre und zündete sie an. Später meinte er: „Als ich meine Gitarre verbrannte, war das wie ein Opfer. Man opfert die Dinge, die man liebt. Ich liebe meine Gitarre."
Für das amerikanische Musikmagazin „Rolling Stone" war Hendrix damit der größte Gitarrist der Musikgeschichte. Einer, der weder Noten lesen noch schreiben konnte. Er könne seine Musik sehen, während er sie mache; er spiele Farben, hat Hendrix einmal gesagt – eine Vermischung von Sinnesebenen, die auch als Synästhesie bekannt ist. Schon als Kind spielte er wilde Gitarrensoli auf einem Besen.
Vom Autodieb zum gefeierten Star
Jimi Hendrix wurde am 27. November 1942 in Seattle geboren, als Sohn eines Afroamerikaners und einer Mutter mit irisch-indianischen Wurzeln. Mit 16 schmiss er die Schule, mit 18 ging er zur Armee – allerdings nur, um so nach mehreren Autodiebstählen einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Seine eigentliche Passion blieb die Musik. Selbst in der Kaserne nahm er seine Gitarre noch mit ins Bett. 1965 hielt er es schließlich nicht mehr aus: Wegen vorgeblicher Homosexualität wurde er schließlich vorzeitig aus der Truppe entlassen.
In der Folge war Hendrix zunächst Gitarrist für bekannte schwarze Sänger wie Solomon Burke, Otis Redding, die Isley Brothers, die Supremes und Little Richard. Bis ihn eines Tages Linda Keith in New York entdeckte, die Freundin des Rolling Stones-Gitarristen Keith Richards, die ihn mit ihren Londoner Musikkollegen bekannt machte. Hendrix zog nach England und gründete 1967 die Band The Jimi Hendrix Experience. Die erste Single „Hey Joe" war gleich ein Erfolg. Es folgten weitere Hits wie „Purple Haze", „Voodoo Child" oder das Bob Dylan-Cover „All Along the Watchtower" aus Jimi Hendrix‘ erfolgreichstem Album „Electric Ladyland". Bald fragte sich selbst Eric Clapton nach einem gemeinsamen Auftritt mit Hendrix: Ist er immer so gut? „Is he always so fucking good?"
Woodstock-Auftritt wurde Meilenstein
Seinen größten Auftritt hatte Jimi Hendrix im August 1969 beim legendären Woodstock-Festival. Dabei konnten er und seine Band wegen schlechten Managements und Wetters erst am Montagmorgen um halb neun spielen, als die Veranstaltung eigentlich schon beendet sein sollte und von den ursprünglich 400.000 Besuchern nur etwa ein Zehntel noch vor der Bühne ausharrte. Trotzdem ist vor allem Hendrix’ ganz eigene Version der US-Nationalhymne „Star-Spangled Banner" für viele bis heute der Höhepunkt des Festivals: „Wo sich die feierliche Melodie der amerikanischen Nationalhymne auflöst zu einem wüsten Schlachtfeld im Tränengasnebel: Pfeifende Raketen, explodierende Streubomben, Knistern von Flammen, Schreie von Sterbenden und Hubschrauber-Knattern" – so hat es Autor H. P. Daniels, selbst Musiker, einst im „Tagesspiegel" beschrieben. Ein musikalisches Statement gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam.
Der Tod ereilte ihn auf den Tag genau 13 Monate nach seinem Auftritt in Woodstock. Viele glaubten, dass es am übermäßigen Drogenkonsum lag. Tatsächlich lebte Hendrix so exzessiv wie er spielte. Curtis Knight schrieb in seinem Buch „Jimi" über Jamsessions bis weit nach Sonnenaufgang, über Sex mit vier Groupies gleichzeitig und den Genuss aller Drogen, „die eine Junkie-Apotheke hergab". In den letzten Monaten seines Lebens wirkte sich das auch auf seine Auftritte aus; bei einem Konzert in Dänemark brach Hendrix nach nur acht Minuten auf der Bühne zusammen. Doch sein Tod hatte vermutlich nicht unmittelbar etwas mit Drogen zu tun. Es war wohl auch kein Selbstmord mit Tabletten und auch kein Mord, wie einige behaupteten, nachdem das Gerücht aufkam, Monika Dannemann hätte zu spät den Krankenwagen gerufen.
Starke Medikamente unterschätzt
Am wahrscheinlichsten ist, dass es sich um einen tragischen Unfall handelte. In den Monaten zuvor litt Jimi Hendrix unter Depression und Schlafstörungen – die Schlaftabletten seiner Freundin nahm er vermutlich nur, um einfach wieder einmal richtig durchzuschlafen. Leider war das deutsche Medikament deutlich stärker, als Hendrix es von den amerikanischen Produkten gewöhnt war. Statt der empfohlenen halben Tablette nahm er gleich deren neun, die in Verbindung mit dem Alkohol ihre tödliche Wirkung entfalteten. Im Schlaf übergab sich Hendrix, und das Erbrochene floss in die Atemwege. Wegen der Betäubung versagten die rettenden Würgereflexe.