Vollbärte, Dreitagebärte oder Schnauzer sind in den jüngeren Generationen fast schon eine Selbstverständlichkeit. Was alle eint: Nur gepflegt und in Form gelegt, sehen sie gut aus. Und zur Gesichtsform sollten sie passen.
Über 20 Zentimeter, im geschwungenen Bogen in die Höhe gezwirbelt, so wurde Markus Bross auf Anhieb Weltmeister. Seine Disziplin: Vollbart. Bross, heute 75 Jahre alt, trägt Bart, seit er 16 ist. Ein Leben ohne? Möglich, aber nicht sinnig. Seitdem hat er Titel angehäuft, den „Schwäbischen Bart- und Schnauzerclub Schömberg e.V." gegründet und zeigt sich als Botschafter in Sachen Gesichtsbehaarung der Öffentlichkeit.
Morgens, das ist so eine Sache. Da stehe, sagt er, der Oberlippenbart ungeordnet nach oben und unten ab und präsentiere sich der Vollbart verwuschelt. Duschen und vor den Spiegel, um die Mannespracht zu richten und in Form zu bringen. Das ist die Kür. „Pflicht für Bartträger ist die Pflege", sagt der Baden-Württemberger, der aktuell einen Franz-Joseph-Bart trägt – der gezwirbelte Oberlippenbart war das Markenzeichen des österreichischen Kaisers Franz Joseph –, gepaart mit einem prächtigen Vollbart. „Früher habe ich nachts sogar eine Bartbinde getragen", erinnert er sich. Heute benutzt er meist Bartspray oder -lack und einen Fön, um die Gesichtsfrisur zu vollenden. Dieses Prozedere sei, so Bross, tägliche Routine wie für die Damenwelt das Schminken.
Wie beim Kopfhaar gehört das Waschen des Barthaares zur Grundpflege bei Männern. Zudem, sagt Markus Bross, gehörten die Konturen rasiert –
beim Vollbart gerade runter von den Ohrläppchen zu den Mundwinkeln und an der Halslinie halbrund zu den Kieferknochen –, der Bart an sich geschnitten oder getrimmt, um ein schmuckes Gesamtbild abzugeben. Waren er und seine Vereinsmitglieder, aktuell gibt es deutschlandweit nur noch acht organisierte Bartträger-Clubs, früher in der Minderheit, so sind sie heute Mainstream. Vollbärte, Dreitagebärte oder die im Kommen begriffenen Schnauzer, sind in den jüngeren Generationen fast schon eine Selbstverständlichkeit und das Produktportfolio hat sich ungemein erweitert. „Wir vertreiben rund 1.000 Bart- und Körperpflegeprodukte, die wir alle vorher selber getestet haben", zählt Peter Nitschke vom Onlineshop und Bartpflege-Forum „Blackbeards" im bayerischen Rosenheim auf. Die Frage, wie viele Personen des sieben Köpfe zählenden Teams, Bartträger seien, beantwortet sich ganz von selbst: alle, denen es naturgemäß gegeben ist. Bartlos ist einzig die Mutter des Chefs Michael Seebauer, der Blackbeards 2011, angefangen hat alles mit einem Bart-Blog, aus der Taufe hob.
Das Sortiment an Produkten wächst stetig
Peter Nitschke ist seit 24 Jahren Bart-, heute Vollbartträger. „Was Bartpflege bedeutet, weiß ich, seitdem ich bei Blackbeards arbeite", sagt der 40-Jährige und verrät, dass sein neun Monate alter Sohn gerade ungemeine Freude daran habe, ihm in den Bart zu greifen. Dafür, und wie er eingesteht, auch für seine Frau, müssen die Barthaare, die von Natur aus zumeist hart, strohig, trocken und störrisch sind, weich sein.
Das beginne, so Nitschke, mit dem Waschen mit einem Bartshampoo, das exakt auf die Bedürfnisse der Gesichtsbehaarung abgestimmt und sanft zur Haut sei. Alternativ funktioniere auch Baby-Haarshampoo. Weiter geht es mit Bartöl. „Jojoba-, Argan-, Mandel- oder Hanföle schützen Haar und Haut vor dem Austrocknen, pflegen den Bart, machen ihn weicher und versorgen ihn mit Feuchtigkeit. Ich massiere das Öl bis zur Haut ein, knete den Bart dann durch. Anschließend bürste ich ihn, um das Öl noch besser zu verteilen", klärt er über Bartöle auf, die auch den Juckreiz auf der Haut unterbinden.
Ein Bartbalsam zum Finale sorgt für Glanz und spendet hochwertige Nährstoffe. Bartwachs oder -pomade sind Geheimwaffen, um störrisches Gesichtshaar in Form zu bringen. Positiver Nebeneffekt ist ein schöner Glanz.
Ebenfalls ein Muss für den Experten von Blackbeards ist das regelmäßige Bürsten, am besten mit Wildschweinhaaren, nicht nur wenn das Bartöl einmassiert wird. Täglich und regelmäßig, sagt Peter Nitschke, er mache es beim E-Mail-Lesen oder TV schauen.
Bei Bartmeisterschaften, die nächsten Welt- und deutschen Meisterschaften wurden auf den Herbst 2021 verschoben, gibt es neben der Kategorie Vollbart noch die Kategorien Schnurr- und Oberlippenbart sowie Kinn- und Backenbart, in den jeweiligen Kategorien jeweils sieben Unterklassen wie Moustache Dali, Schnauzbart Ungarisch, Kinnbart Chinese oder Musketier, Backenbart Kaiserlich oder Vollbart Garibaldi. Bross ist ein Fan der Sektion Freestyle. So gäbe es auch keinen Mann, sagt Bross, dem ein Bart nicht stehen würde. Es gehe nur darum, den für sich passenden, der natürlich auch eine ganz eigene Schöpfung sein kann, zu finden. Nicht jeder hat eine ovale Gesichtsform, die vieles verzeiht und eigentlich nur einen gleichmäßig geschnittenen Bart braucht, um zu punkten. Begegnen einem im Spiegelbild „Hamsterbacken", sollte man auf Koteletten verzichten. Bei runden Gesichtern sorgen kürzere Wangen und längere Kinnpartien für einen gelungenen Bartlook. Ein schmales Gesicht verträgt sich gut mit einem kürzeren Kinn- und „buschigerem" Seitenwuchs.
Weil auch Barthaare im Alter ergrauen, bietet der Markt auch Färbeprodukte an. Davon halten jedoch weder Markus Bross noch der 35 Jahre jüngere Peter Nitschke etwas. „Grau- und Weißtöne im Haar sorgen für ganz individuelle Bärte", findet der Vollbart-Weltmeister, der heute nicht mehr selbst an Wettbewerben teilnimmt, sondern in der Jury seinen haarigen Pflichten nachkommt.
Auch wenn die Hege und Pflege des Bartes, ein Barthaar wächst übrigens etwa 0,4 Millimeter pro Tag, vornehmlich im eigenen Badezimmer stattfindet, sollte man, wie fürs Kopfhaar, regelmäßig einen Profi ranlassen. „Unser gesamtes Team geht alle ein bis zwei Monate zum ‚Zurechtschneiden‘ und ‚Aufhübschen‘ zum Barbier. Das Geschäft unseres Stamm-Barbiers besteht schon seit den 1970er-Jahren, es wird jetzt vom Sohn geführt", so Nitschke über einen Luxus, den sich jeder Bartträger gönnen sollte.