Im Projekt „Frauen(T)raum" haben sich Frauen in der Kirche ihren eigenen Raum geschaffen. Corona hat auch dort zu neuen Erfahrungen und Ideen geführt, aber auch Defizite deutlicher gemacht, schildern Katja Zeimet-Backes und Heidelinde Bauer.
Frau Zeimet-Backes, Frau Bauer, was ist und was will „Frauen(t)raum"?
Katja Zeimet-Backes: Die Frauenkirche war anfangs ein Projekt, nicht auf Pfarr-, sondern auf Dekanatsebene, entstanden aus der Frage heraus: Was brauchen Frauen? Was wollen Frauen? Was kann man als Kirche für Frauen anbieten? Und dann kam die Idee auf, die Frauen einfach selbst zu fragen.
Heidelinde Bauer: Das Besondere an dieser ehrenamtlichen Geschichte mit den Frauen ist, dass wir nicht versucht haben, Angebote für Ehrenamtliche zu machen, sondern Angebote, die von den Ehrenamtlichen selbst kommen. Damit möchten wir das Ehrenamt fördern, aber eben auf eine ganz andere Art und Weise. Oft war die Rolle der Frau in den traditionellen Kirchengemeinden die Rolle der Helferin. Wir haben uns überlegt, dass wir die Potenziale, die in den Frauen stecken, also ihre Talente und Fähigkeiten, mehr fördern möchten als das mit einem bloßen Helferdienst der Fall ist. Also haben wir die Frauen gefragt: Was erwartet ihr selbst von Kirche und was könnt ihr anderen Frauen anbieten? Überraschend für uns beide war, wie viel in Frauen drinsteckt, die wir schon viel länger kannten.
Es gab harte Einschränkungen durch Corona. Hat Sie die Krisensituation auch mal überfordert?
Katja Zeimet-Backes: Überfordert würde ich nicht sagen. Klar, es musste erst einmal alles ausfallen bis zum 31. August. Wir haben immer ein Halbjahres-Programm von September bis Januar und von Februar bis Juli und dann eine Sommerpause. Und es war klar, dass unser Frühlingsprogramm komplett aussetzen muss, weil unsere Veranstaltungen so einfach nicht mehr machbar waren. Auch wir wurden zum Homeoffice aufgefordert. Und dann fingen wir natürlich auch an zu überlegen, was wir jetzt tun können. Es sind um uns herum massenweise Streaming-Gottesdienste entstanden, aber für uns war klar, dass diese Form des Gottesdienstes nicht das ist, was wir wollten. Wir haben einfach nicht das Publikum dafür. Wir sind gestartet mit einer Aktion namens „Erste Hilfe für die Seele" über unsere Homepage. Da haben wir dazu aufgerufen, Tipps mit anderen Leuten zu teilen, was man in so einer Situation tun kann, um klarzukommen. Wir haben hier ein Team von 20 Frauen, mit denen wir das Programm stemmen, und mit denen wir auch telefonisch in Kontakt waren.
Heidelinde Bauer: Wir waren ja auch privat von der Situation betroffen und haben völlig unterschiedliche Lebenssituationen. Bei Katja waren plötzlich beide Kinder zu Hause, während andere alleine leben. Aber was ich anfangs sehr anstrengend fand, waren die sich ständig ändernden Vorschriften aus Trier. Es kamen plötzlich Anrufe aus der Personalabteilung, wie man sich verhalten soll. Also auch bei dem Arbeitgeber an sich hat man gemerkt, dass er am Gucken ist, wie man das alles aufrechterhalten kann. Und da wurde eben auch deutlich, dass es einfach ein Betrieb ist, in dem darauf geachtet werden muss, wie man mit den Mitarbeitern umgeht – was man zulässt und was man fordert. Wir beide haben eine gesunde Einstellung zu dieser Krankheit und sind nicht überängstlich. Aber in den Kontakten haben wir schon anderes erlebt – von Leichtsinn bis absolute Überängstlichkeit. Selbst in unseren Kreisen gibt es die ein oder andere, die an Verschwörungstheorien glaubt.
Die ÖDP hat in dieser Phase die Schließung von Gotteshäusern kritisiert, schließlich seien es „seelen-relevante Orte".
Heidelinde Bauer: Also ich denke schon, dass es gut war, dass auch erst einmal alle Gotteshäuser geschlossen wurden. Jetzt im Rückblick ist es vielleicht noch einmal anders zu bewerten, aber in der Situation kamen ja auch die Bilder aus anderen europäischen Ländern mit Katastrophenzuständen. Die Landesregierung hat darauf so reagiert, wie sie nun einmal reagiert hat und die Bundeskanzlerin hat einen Kurs vorgegeben, dem sich die katholische Kirche und auch unser Bistum angeschlossen haben. Ich fand das sehr vernünftig. Und es gab ja Wege für die Menschen, denn wir waren telefonisch und später auch über Videokonferenzen erreichbar. In einer absoluten Notsituation hätte man möglicherweise auch Hausbesuche machen können, aber so eine Situation hatten wir zum Glück nicht. Insofern fand ich es sehr gut, dass die katholische Kirche da der Wissenschaft gefolgt ist. Wir sind Menschen mit wissenschaftlichem Verstand und ich halte nichts davon zu sagen: Nur, weil wir gläubig sind, wird uns das Virus nicht treffen. Aber natürlich ist auch uns aufgefallen, dass kein Fernsehgottesdienst eine Gruppe von Gläubigen ersetzen kann, in der man sich wohlfühlt. Da ist keine Atmosphäre, da fehlt der sakrale Raum und auch das Miteinander. Als wir Rückmeldungen von allen eingeholt haben, bekamen wir diese Einschätzung auch so bestätigt. Deswegen haben wir uns entschieden, nicht online zu gehen.
Katja Zeimet-Backes: Wir hatten auch einfach, davon abgesehen, gar nicht das technische Equipment. Und jetzt einfach ein wackeliges Handy aufzustellen, fanden wir wenig professionell.
Was hat sich durch die Krise verändert?
Katja Zeimet-Backes: Persönlich und bei vielen Frauen ist es so, dass man viele Dinge wieder ganz anders wertschätzt. Das fängt schon damit an, zusammen sein zu dürfen. Das ist gerade für uns hier sehr wichtig. Es wurde klar, dass es zwar schön ist, zusammen Gottesdienst zu feiern, und das dürfen wir ja jetzt zum Glück auch wieder, aber trotzdem ist das andere genauso wichtig. Dadurch ist man noch mal gestärkt in dem, was wir hier tun.
Heidelinde Bauer: Mir persönlich ist der ökologische Aspekt jetzt in der Krise auch aufgefallen: Es gab kaum Flugzeuge am Himmel, was ich sehr gut fand. Dann wurden viele Dinge in der Zeit per Videokonferenz oder Telefon geregelt. Da würde ich für mich auch mitnehmen, dass es für manche Dinge reicht, miteinander zu telefonieren. Denn in unserem Alltag passiert es sehr oft, dass mehrere Berufskollegen aus einzelnen Gemeinden extra anreisen, um vergleichsweise kleine Dinge zu besprechen. Und da hat man jetzt die Erfahrung gesammelt, dass es auch einfach geht. Man spart Zeit und tut auch etwas für die Umwelt. Ich würde mir auch mehr Homeoffice wünschen. Das Bistum ist jetzt langsam an einem Punkt, wo wir gut ausgestattet sind und Möglichkeiten haben, auf Onlineplattformen innerhalb des Bistums Dokumente auszutauschen. Also es hat schon einen Schub nach vorne gegeben und das wäre ohne Corona wahrscheinlich nicht so schnell gekommen.
Hat Corona Ihrer Einschätzung nach in der Institution katholische Kirche etwas verändert?
Heidelinde Bauer: Da auch vieles online gestellt wurde, hat man eher viele Defizite wahrgenommen. Da hat sich für mich offenbart, wo an manchen Stellen auch der Mangel in der katholischen Kirche ist. Das gilt es jetzt, in Zukunft noch in Konferenzen aufzuarbeiten und mit den Hauptamtlichen zu sprechen. Es hat sich gezeigt, wie weit wir teilweise von den Menschen weg sind. Wir haben ja alle unser Umfeld, Bekannte und Familie und wenn man da mal jemanden draufschauen lässt und fragt, wie das ankommt, ist es zum Teil eher negativ behaftet. Es gibt natürlich auch gute Dinge, aber vieles war einfach negativ. Es macht mein Herz an der Stelle auch schwer, weil ich spüre, dass die Kirche immer weniger Einfluss in der Gesellschaft hat. Vieles wird in den privaten Rahmen zurückgedrängt, was natürlich auch etwas Gutes hat, weil es die Eigenverantwortung stärkt. Aber es macht für uns den Zugriff schwer. Jeder bastelt sich so ein bisschen einen Patchwork-Glauben aus dem zusammen, was ihm guttut. Das ist auch in Ordnung, denn ich bin der Meinung, der Heilige Geist wirkt nicht nur in der katholischen Kirche, aber trotzdem würde ich es mir als Gemeindereferentin manchmal anders wünschen. Corona hat mir einfach gezeigt, dass das nicht mehr so kommen wird.
Den Menschen scheint also oftmals einfach der Zugang zur katholischen Kirche zu fehlen?
Heidelinde Bauer: Wir haben als katholische Kirche einfach diese hierarchische Ordnung. Wenn zu einer Talkshow ein Kirchenvertreter eingeladen wird, sitzt dort von der katholischen Seite immer ein Bischof. Das heißt ein hochrangiger Vertreter, der die institutionelle Meinung vertritt. Es fehlt uns in der katholischen Kirche eine Margot Käßmann. Also freischaffende Künstler und Künstlerinnen, die den katholischen Glauben auch vertreten, aber nicht in der Funktion der Hierarchie. Da fehlt uns in der katholischen Kirche einfach ein Gesicht. Das fand ich eben auch schade in der Corona-Zeit: Kirche hat sich auch dann, wenn sie sich präsentiert hat, immer in dieser klerikalen Struktur des Sonntagsgottesdienstes gezeigt. Aber nicht in den vielen anderen Facetten, die Kirche auch noch hat, weil es eben kein Gesicht dazu gibt.
Ihr Gottesdienst ist anders. Was ist das Besondere?
Heidelinde Bauer: Die Tatsache, dass wir zu zweit sind, ist ja schon ein Aufbrechen des priesterlichen Systems, wie man es in der katholischen Kirche kennt. Wir stehen zu zweit vorne, wir sind zwei Frauen. Das ist ein ganz anderer Blick. Und ich denke auch unsere Gottesdienste sind sinnlicher, haben mehr Verliebtheit ins Detail. Wir machen es sehr weiblich und liebevoll. Es ist eine andere Art der Feier. Und mittlerweile ist für mich das hier Heimat, mein Herz schlägt hier. Weil es einfach ein Zugang ist, der mir als Frau näher ist. Es entwickeln sich auch in der Gruppe neue Kulturen oder Rituale, die dann auch für die Menschen hier plötzlich Heimat werden.
Katja Zeimet-Backes: Sprache ist natürlich auch ein wichtiges Thema. Natürlich sind wir in der katholischen Kirche groß geworden und durch Studium und Ausbildung hat man einfach Floskeln wie „Gott macht alles froh" verinnerlicht. Aber dann muss man sich selbst kontrollieren und versuchen, es so zu formulieren, dass es auch jeder normale Mensch versteht. Und wir greifen auch einfach die Lebensthemen auf, die gerade da sind. Und die gibt es auch in so vielen Facetten in der Bibel. Die Lebensthemen sind schon immer so gewesen.
Ist durch Corona etwas entstanden, was Sie beibehalten wollen?
Heidelinde Bauer: Es gab eine Situation, in der ein Mann ins Krankenhaus sollte, und die Familie sich normalerweise bei uns in der Begegnungskirche Kraft geholt hätte. Da kam die Anfrage, ob es einen Ritus gibt, den die Familie zu Hause für sich durchführen kann, um das, was sie bewegt, vor Gott zu bringen. Ähnlich war es bei einem Trauerfall. Da haben wir natürlich Erste Hilfe geleistet. Aus diesen Anfragen ist jetzt eine neue Idee geboren, nämlich Menschen zu Hause zu befähigen, selbst kleine Feiern zu gestalten. Wir denken da an Lebenssituationen wie beispielsweise die Segnung eines Schulkindes oder eines erwachsenen Kindes, das ein Auslandsjahr macht. Wir denken an Situationen schwerer Krankheit oder an ein Ehejubiläum. Und da wird es jetzt einen Onlinekurs geben, der Menschen dazu befähigt.