Amazon schickt „The Boys" mit einer zweiten Staffel ins Rennen. Die liebgewonnen Charaktere bleiben ihrer zynischen Linie treu, der Humor ist weiterhin tiefschwarz, die Gewalt exzessiv.
Was für ‘ne teuflische Scheiße", sagt er und entsteigt dem Wal. Er – das ist William „Billy" Butcher. Und er trägt seinen Namen zu Recht. Denn Butcher (zu deutsch: Schlachter) ist mit einem Motorboot gerade mitten in das riesige Säugetier gefahren. Damit durchkreuzt er einen eigentlich ausgefuchsten Plan von „The Deep". Dessen Pläne funktionieren aber eh nur selten, wie sich im Laufe der fantastischen Amazon-Serie „The Boys" immer wieder herausstellt. The Deep gehört einer siebenköpfigen Gruppe von Superhelden an – The Seven.
Diese stellen eine Art grotesk pervertiertes Gegenbild der Superhelden aus dem DC-Universum dar. Angeführt wird die Bande von Homelander, einem psychopathischen Massenmörder, dessen Kräfte denen von Superman nahekommen. Queen Maeve ist das Zerrbild von Wonder Woman, Black Noir ähnelt dem schweigsamen Batman, A-Train veräppelt The Flash als schnellster und vielleicht drogenabhängigster Mensch der Welt und The Deep ist die satirische Form von Aquaman. Außerdem kann der Mann mit Fischen und weiteren Meeresbewohnern kommunizieren – und ist zudem Massenvergewaltiger.
Die wahre Natur der Superhelden ist sehr düster
Eine, die sexuelle Erniedrigung von ihm erfuhr, ist Starlight (Erin Moriarty). Das unschuldige Mädchen vom Lande mit der blonden Engelsfrisur hatte als Kind nur einen Wunsch: Den Seven anzugehören. Nach einem Casting wird dieser Wunsch zu Beginn der ersten Staffel Wirklichkeit – und bald zum immer größeren Albtraum. Denn nach und nach erkennt sie die wahre Natur der Superhelden und ist immer mehr angewidert von den Hintergründen. Die Seven werden nämlich vom Großkonzern Vought International vermarktet – inklusive Franchise-Eröffnungen in kleineren Städten mit weniger mächtigen Superhelden und Kinofilmen, die denen aus dem Marvel-Universum um die Avengers ähneln.
Aus dieser ätzenden Ausgangssituation nimmt die Serie Kraft, Intensität, Humor und Spannung. „The Boys" selbst sind eine Ansammlung von hart arbeitenden Killern ohne Superkräfte, dafür mit Superwut im Bauch. Dabei brilliert Karl Urban (bekannt als Dr. McCoy aus den neuen Star-Trek-Filmen) als knallharter Egomane, der immer einen zynischen Spruch auf Lager hat. Ihm zur Seite steht unter anderem Hughie Campbell (Jack Quaid; Sohn von Meg Ryan und Dennis Quaid), der den durch A-Train verursachten Tod seiner Freundin rächen möchte.
Highlight der Serie dürfte jedoch Antony Starr als Homelander sein. Egal, ob der „Gott", wie er sich selbst nennt, ein Flugzeug abstürzen lässt, zarte Familienbande knüpft oder wehrlose Mütter mit dem Laserstrahl aus seinen Augen hinrichtet – der Neuseeländer zeigt eine genialische Leistung, die auf einem Level mit den „Joker"-Darstellungen von Heath Ledger und Joaquin Phoenix oder Robert Downey junior als Iron Man auf einem Level steht.
Hart arbeitende Killer ohne Superkräfte
„The Boys" provoziert – und das ist auch gut so. In Zeiten der glattgebügelten und durchchoreografierten „Avengers"-Filme um Captain America tut es gut, eine vor Sarkasmus triefende Finster-Version des Superhelden-Genres zu sehen. Dabei scheut sich die Amazon-Eigenproduktion auch nicht davor, Gewaltausbrüche zu zeigen, die so manchen „Saw"-Film vor Neid erblassen lässt.
Und Amazon selbst hat nun auch die Fans der Serie provoziert. Denn nachdem die ersten drei Folgen der zweiten Staffel an einem Tag veröffentlicht wurden, erscheinen die nächsten fünf nun pro Woche, jeweils freitags. Ein seltsamer Zug für einen Streamingdienst, dessen großes Plus doch eigentlich das Abheben vom linearen Fernsehen ist. Die Handlung knüpft jedenfalls die Enden der ersten Staffel konsequent weiter. Effekte und Ausstattung sind State of the Art, die Rollen könnten kaum besser besetzt sein.
„The Boys" basiert auf den Comics des Nordiren Garth Ennis, der durch „Preacher" bekannt wurde. Dessen Verfilmung wurde auf Amazon bereits ebenfalls zum Quotenhit. Für die TV-Fassung zeichnen verantwortlich Eric Kripke (Schöpfer von „Supernatural"), Evan Goldberg („Preacher") und Seth Rogen (als Schauspieler unter anderem aus „Das ist das Ende") bekannt.