Studenten der HBKsaar unter Leitung von Prof. Andreas Oldörp und Prof. Eric Lanz machen es sich schon im dritten Jahr zur Aufgabe, die Besucher den Deutsch-Französischen Garten mittels künstlerischer Eingriffe mit anderen Augen sehen und hören zu lassen. In diesem Jahr unter dem Titel „rendez-vous 2020".
Es ist ein warmer, sommerlicher Tag. Die Vögel zwitschern, eine leichte Brise streicht durch die blätterbehangenen Baumkronen des Deutsch-Französischen Gartens. Unter diese idyllischen Naturklänge mischt sich aus der Ferne ein neuer Klang. Eine Picknickbank, wie man sie überall im DFG findet, steht auf der üppig gewachsenen Wiese. Auf dem langen Tisch mit grün lackierten Leisten, der sich über Metallstreben mit zwei Bänken verbindet, steht ein Radio, aus dem blechern ein alter Schlager schallt: „Wir wollen niiiiiiiemals auuuuuseinaaaaander geh’n". Neben dem Radio stehen sich zwei Currywurst-Schalen gegenüber. Die Picknickbank lädt zum Verweilen ein, scheint aber schon besetzt. Wahrscheinlich von zwei Menschen, die sich hier getroffen haben, um etwas zu essen, sich zu unterhalten. Vermutlich haben sie diesen Ort nur kurz verlassen, um sich etwas zu Trinken zu holen.
Dies ist keine zufällige Alltagsszene, sondern die Arbeit von Tim Jungmann (26), HBK-Absolvent, der im Rahmen der Ausstellung „Baum&Bild 2019" der HBKsaar dieses „Environment" im DFG installiert hatte. Der Künstler aus Saarlouis kennt den Park schon aus Kindheitstagen: „Als Kind war ich regelmäßig mit meiner Familie im DFG zum Minigolfen und in Gullivers Welt. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an diese Zeit und war immer gerne dort." Auch während des Studiums blieb der Bezug zum Deutsch-Französischen Garten: „Ich habe ein Jahr lang in der Nähe des DFG gewohnt und war regelmäßig dort, um zu lesen, Musik zu hören, spazieren zu gehen oder auf einer Parkbank zu entspannen. Man kann hier sehr gut abschalten."
Der Ansatz für seine Arbeit kam aus der ursprünglichen Gründungsidee des Gartens: ein bleibendes Symbol und Versprechen zu errichten für die dauerhafte Freundschaft Deutschland und Frankreichs nach dem Krieg. „Bei meiner Arbeit", sagt Jungmann, „ging es mir darum, dass die Situation, die der Betrachter vorfindet, ein gewisses Gefühl hervorruft." Spannend war für ihn die Frage, wie der Betrachter sich dazu verhält. Der Schlager von Heidi Brühl, der in Dauerschleife über eine eigene Radiofrequenz empfangen wird, war zum Zeitpunkt der Eröffnung des Gartens 1960 Nummer-eins-Hit in den deutschen Charts, erzählt er. „Der Schlager hat so gut gepasst – ein sentimentales Lied über den Schmerz des Alleinseins und der Trennung, über das Sehnen nach ewiger Freundschaft, Liebe und Treue." Die schmackhaft anmutende Currywurst seiner Installation war übrigens ein sehr realitätsnahes Imitat aus PVC.
Eine konkrete Aufgabenstellung für die Studierenden gibt es für ihre Projekte im DFG eigentlich nie. Der Garten an sich ist ein Spiel- und Übungsfeld, in dem Themen und Ideen wachsen können. Diese Freiheit kreiert eine inspirierende Situation. Eine Idealsituation, um im Sommer Kunst im öffentlichen Raum zu kultivieren.
Arbeiten wie die von Tim Jungmann sind nun schon im dritten Jahr Bestandteil des Deutsch-Französischen Gartens. Prof. Andreas Oldörp, Professor für Soundart an der HBKsaar, ist neben Prof. Eric Lanz künstlerischer Leiter dieses Ausstellungsprojekts. Dieses Jahr wird sie aufgrund der Corona-Pandemie nur drei Tage dauern und nicht wie in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum stattfinden. Der Titel „rendez-vous 2020", erzählt Prof. Oldörp, hat die Idee, das Deutsch-Französische als Basis zu sehen und es zu erweitern, da sich mittlerweile Menschen aus der ganzen Welt und unterschiedlichster Ethnien hier begegnen. Das heißt, das ursprüngliche Konzept des Deutsch-Französischen hat sich ganz massiv erweitert und funktioniert brillant."
Spiel- und Übungsfeld für die Studenten
Das große Spektrum unterschiedlichster Ethnien spiegelt sich auch in der Gruppe der Studierenden wieder. Kyung Jae Kim (28) etwa stammt aus Südkorea. Sein erster Besuch im DFG war 2019 im Rahmen der Ausstellung. „Ich wusste lange nicht, dass es diesen Garten gibt und fand ihn sehr schön. Vor allem wegen der vielen Enten und der Entenkacke", erzählt der junge Mann lachend. „Es ist wie ein Paradies." Doch sein positiver Eindruck wurde schnell getrübt. „Während eines Spaziergangs im DFG habe ich einen der Bunker gefunden. Das hat traurige Erinnerungen in mir hervorgerufen an meine Militärzeit in Südkorea." Zwei Jahre lang mussten er und andere junge Soldaten jeden Tag, wenn die Sirene tönte, in den Bunker laufen. „Deswegen habe ich versucht, diese schlechte Erinnerung in etwas Schönes zu transformieren."
Bei einer Japan-Reise besuchte der damals zehnjährige Kyung Jae mit seinen Eltern traditionelle japanische Gärten. Was ihm in Erinnerung blieb, war ein spezielles Instrument namens „suikinkutsu", das unter der Erde verdeckt klingt, sobald es mit Wasser in Berührung kommt. „Meine Mutter erklärte mir, dass man im Garten sein Gehirn mit den Klängen des Wassers reinwaschen kann. Die vielen Gedanken über die Arbeit, unser Leben und unsere Beziehungen führen dazu, dass unser Kopf immer voll ist. Das Wasser wäscht all diese Dinge raus." Die Klänge, die er für das Projekt technisch erzeugt und im Bunker positioniert, sind der Versuch, die schlechten Erinnerungen aus der Militärzeit fortzuspülen.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, welche Rolle die Kunst an einem so geschichtsträchtigen Ort wie dem Deutsch-Französischem Garten übernimmt. Als Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin hat HBK-Gasthörerin Heidrun Stern (57) einen besonderen Blick auf die Parkanlage: „Der DFG ist ein Kleinod im Vergleich zu anderen Garten-Denkmälern in Deutschland. Allerdings würde ich dem Garten wünschen, dass er mehr finanzielle Unterstützung bekäme, dass man ihn besser pflegerisch behandeln kann. Beispielsweise die Brunnenanlage. Dass sie nicht funktioniert, ist dem Geld geschuldet." Neben ihrer Arbeit ist die Kunst eine immerwährende Leidenschaft. „Bei der Kunst geht es ganz klar darum, diesen Ort in Wert zu setzen. Das wiederum ist auch meine tiefe Motivation."
Stern ist eine von 14 Studierenden, die in diesem Oktober ausstellen. Ihr Ansatz: Landschaft, die sich erinnert. „Ich habe angefangen, mich mit dem Terrain zu beschäftigen. Die Schlachtfelder von Spicheren sind nur 500 Meter Luftlinie vom deutsch-französischen Ehrenfriedhof entfernt. Durch das heutige Tal der Blumen ging die Höckerlinie, die aufgegraben wurde, um dieses an bestimmten Stellen zu befestigen. Hinter dem Elsässer Stübchen ist eine Bunkeranlage. Das ist alles unter den Schichten in dieser Erde vorhanden."
Aufgabe der Kunst: den Ort in Wert zu setzen
Von den ehemaligen Schlachtfeldern macht sie Monochrom-Aufnahmen, die sie in der Nähe der Brunnenanlage installieren möchte. „Das ist eine spezielle Schwarz-Weiß-Aufnahmetechnik – ein Stilmittel, das sich darauf bezieht, dass sie aus einer älteren Zeit ist", erklärt sie. „Das war der Anblick, den die Soldaten hatten. Und das war vielleicht ihr letzter."
Neben den Fotografien möchte sie Heilpflanzen installieren, wie sie auch schon zur damaligen Zeit auf dem Schlachtfeld wuchsen und zur Heilung der Verwundeten eingesetzt wurden. „Durch die Pflanzenmedizin und das überlieferte jahrhundertealte Wissen findet ein unsichtbarer Prozess der Versöhnung statt." Es ist der Versuch, die Landschaft des DFG zu lesen, der in Sterns Augen weit mehr ist als „ein vom Menschen geschaffener Raum, mehr als ein öffentlicher Park und deutsch-französischer Ehrenfriedhof".
Sowohl Professoren als auch Studenten stehen in einem ständigen und vertrauensvollen Austausch mit den Mitarbeitern des Gartens. Die gemeinsame Kommunikation ist Bestandteil des künstlerischen Prozesses. „Sie haben Lust dazu und Spaß daran, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen", betont Prof. Oldörp. „Diesen zusätzlichen Aspekt in ihrem DFG zu haben, sehen sie nach meinem Eindruck zu Recht auch als Würdigung ihrer Arbeit."
Das Resultat dieser Zusammenarbeit wird im Oktober bei der Ausstellung „rendez-vous 2020" zu sehen und zu hören sein. Trotz der Corona-Pandemie versuchen die Professoren und Studierenden, das Beste aus der Situation zu machen. „Die Kontaminationsgefahr ist im öffentlichen Raum eher gering. Die Studierenden können in der Natur ohne Probleme intensiv arbeiten, die Veranstaltung an sich wird für die Besucher entzerrt. Wir werden Versammlungssituationen so organisieren, dass sie gefahrlos machbar sind."
Auch im nächsten Jahr soll das Projekt übrigens fortgesetzt werden. Geplant ist dann endlich eine Kooperation mit der Kunsthochschule Lyon, die eigentlich schon für dieses Jahr auf den Weg gebracht war. „Die Absicht, diese Begegnung zu kultivieren, werden wir weiter verfolgen", verspricht Oldörp. Ganz im Sinne der Grundidee des DFG.