Das Ambiente des „Balduinkellers" in St. Wendel ist mindestens genauso spannend wie die Gerichte und Weine, die dort serviert werden. Die verwinkelten Eckchen im teils 700 Jahre alten Gemäuer sind einfach spannend. Genau wie die kulinarischen Kreationen von Küchenchef Matthias Kramp.
St. Wendel ist immer eine Reise wert. Besonders die Innenstadt rund um die Wendalinusbasilika ist ein herrliches Fleckchen Erde. Im Sommer sind die zahlreichen Wirtshäuser und Bistros um das Wahrzeichen der Stadt stets gut besucht. Hier weht zudem der Wind der Geschichte durch die Gassen, und auch richtig urige Gasthäuser gibt es hier einige. Mein Ziel heute ist der „Balduinkeller". Auch dieses Restaurant befindet sich in einem historischen Gebäude. Genau genommen geht der „Balduinkeller" eigentlich sogar über drei Anwesen. Das Restaurant hat jede Menge kleine Zimmer und Nischen, und auch die sehr durchdachte Lichtsetzung unterstreicht die Historie des Kellers. Manche Mauerwerke stammen noch aus dem 13. Jahrhundert, andere Teile wurden später errichtet. Namensgeber des Restaurants ist der Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg, der von 1285 bis 1354 lebte. Alle Wände – Bruchsteinmauerwerk, grob verputzt – haben einen einmaligen Charme. Die Möbel stammen ebenfalls aus verschiedenen Epochen und ergänzen das historische Gebäude perfekt. In den Toiletten hängen noch alte Armaturen an den Waschbecken. Auf einem Schild steht das gute alte deutsche Wort „Abort".
Wunderschöne Kunstwerke des St. Wendeler Malers Klaus Riefer schmücken Wände und Decken. In einem der Zimmer steht ein alter Mühlstein, ein weiterer, kleinerer in einer der Nischen. Ein einmaliges Ensemble!
Gegenüber der Theke geht es raus auf die Gasse. Hier befindet sich die ruhige und schmucke Terrasse des Hauses. Seit Anfang August ist das schmucke Restaurant wieder eröffnet. Bei meinem Besuch an einem Dienstagabend bin ich überrascht, wie voll die St. Wendeler Altstadt mittlerweile wieder ist – trotz Corona.
Betreiber des „Balduinkellers" sind Katja Geiges und Eric Groß. Groß ist kein Neuling in der Gastronomie. Nach vielen Jahrzehnten im Einzelhandel betreibt er mittlerweile die „Fischerhütte" am Griesweiher in Hassel, die „Petriklause" in Niederwürzbach, beide mit großen Biergärten, den „Balduinkeller" und seit Kurzem auch noch einen Biergarten in Bernkastel. Seine Frau Katja Geiges arbeitete bis vor einem Jahr bei einem Zahnarzt. Sie ist Quereinsteigerin und liebt ihr neues Berufsfeld in der Gastronomie sehr.
Was hat die beiden bewogen, gerade dieses Haus zu übernehmen? „Das Haus hat einen ungeheuren Charme. Das Ambiente ist einmalig", betont Eric Groß. „Wir wollen hier eine Restaurantküche mit Kaffeebetrieb aufbauen, bieten selbstgebackene Kuchen an. Durch die Teilung in viele kleinere Bereiche ist das Haus zudem bestens für Familienfeiern geeignet. Bei der Karte probieren wir noch ein bisschen aus, was die Gäste gut finden. Das ist ein Prozess, der wohl noch eine Weile weitergeht. Wir haben neben der normalen Speisekarte auch eine Wochenkarte. Da können wir ganz flexibel reagieren."
Wenn jetzt der Herbst kommt, wollen die beiden auch vermehrt Wildgerichte auf die Karte setzen. Ziel ist es, eine Karte der Saison zu gestalten – mit häufig wechselnden Angeboten je nach Jahreszeit.
Die Vorspeise kommt. Einmal gebackener Feta in Sesamkruste, dazu Feigenmarmelade mit Trauben. Und noch ein Gemüse-Pie. Das ist eine Tortilla mit einer nicht alltäglichen Füllung: Frischkäse, Paprika, Zucchini, Karotten, Zwiebeln und einer süß-sauren Sauce. Beide Gerichte unterschieden sich deutlich von Allerweltskreationen. Dies ist schon mal ein guter Anfang. Die Portionen hier sind üppig, und die interessante Aromenvielfalt macht mich neugierig auf den Hauptgang.
Der Küchenchef experimentiert mit der Karte
Wir bestellen „Tresori", ein Gericht bestehend aus kleinen Nudelsäckchen, die mit Gemüse und einer frischen Spinatsauce gefüllt sind. Wirklich lecker mit einer tollen Geschmacksvielfalt. Zudem bekommen wir Tagliatelle Primavera. Das sind frische Nudeln mit Rinderfiletstreifen und Paprika sowie Zwiebeln in einer Tomaten-Sahne-Sauce. Ordentliche Hausmannskost im besten Sinne, ohne viel Chichi und eher herzhaft. Küchenchef im „Balduinkeller" ist übrigens Matthias Kramp. Er probiert gerne Neues aus, hält sich nicht unbedingt an alte Konventionen. In seinen Kreationen vermählt er durchaus schon mal Überraschendes miteinander. Da kommen Viktualien zusammen, die sich in anderen Restaurants so wohl noch nie begegnet sind.
Mit 14 Jahren machte er in der Dorfmetzgerei Feinkost Jacob in Lautenbach bei Ottweiler seine Ausbildung. Die Metzgerei betrieb auch einen Party-service, was seinen weiteren Berufsweg wohl eine Zeit lang beeinflusste. Später arbeitete er in unterschiedlichen Restaurants, darunter längere Zeit im „Gästehaus Grunder" in Kirkel-Limbach. Im „Balduinkeller" ist er zurzeit noch in der Experimentierphase und versucht, sich mit seinen Gerichten an die Wünsche der Kundschaft heranzutasten. Er setzt vor allem auf regionale Produkte, mit denen er seine Spezialitäten zubereitet.
Auf der Karte findet sich Lamm, aber auch Ente, Ibericoschwein und Rind in mehreren Variationen. Sei es als Roastbeef oder auch Filet vom Rind. Ergänzt wird das Angebot durch drei Fischgerichte, Pasta, Deftiges wie etwa Leberknödel, einer Kinderkarte und sechs Desserts.
Die Betreiber des „Balduinkellers" sind Weinfreunde, das sieht man ganz deutlich an ihrer Weinkarte. Bevorzugte Positionen stammen aus den Anbaugebieten von Mosel, Saar und Ruwer. Die ersten Namen, die mit mehreren Positionen vertreten sind, sind Van Volxem und Dr. Loosen. Alleine mit Weinen dieser für höchste Qualität stehenden Weingüter könnte ich hier ein paar Tage verbringen. Saarriesling, Alte Reben, Ritterpfad Riesling, Wehlener Sonnenuhr, Weißburgunder, Grauschiefer, Blauschiefer und Rotschiefer lese ich. Aber auch mit vielen weiteren Positionen, die mir gefallen, kann das Haus aufwarten. Etwa mit meinem alten Freund Jens Bühler aus Kallstadt. Er hat mich schon vor mehr als zehn Jahren mit seinen Weinen überzeugt. Dann lese ich Markus Molitor. Das Flaggschiff des deutschen Weins hat mit vier unterschiedlichen Weinen 100 Punkte bei der Weinbewertung erreicht. Gibt es ganz selten! Das Angebot ist vielfältig und abwechslungsreich. So hat der „Balduinkeller" auch das Bioweingut Ollinger-Gelz mit einem Rotling auf der Karte. Aber auch sehr viel Interessantes aus Baden, der Pfalz, Frankreich, Italien und Spanien. Diese Weinkarte unterscheidet sich sehr deutlich von einer Weinkarte eines gutbürgerlichen Gasthauses.
Ich bleibe dabei: Wenn ich nach St. Wendel reise, brauche ich immer ein Hotelbett! Denn dort erlebe ich immer Interessantes aus Keller und Küche.