„Wenn wir Tiere wären" lautet der Titel dieses Buches von Wilhelm Genazino, den ein bekanntes deutsches Magazin einmal „einen großen Desillusionskünstler", nannte. Genazino schreibt über merkwürde Protagonisten, die in der selbstgewählten Diaspora leben und denen im Alltag kein Detail entgeht. Diese Sonderlinge sind eigenartige, aber liebenswerte Menschen. Sie berichten von Dingen, die dem Normalbürger gar nicht erst aufgefallen wären. Die Geschichten sind bizarr, manchmal ein bisschen melancholisch, aber immer mit einer komischen Unternote. Fast erinnert der trockene Humor ein wenig an Loriots Zeitgenossen, die uns immer wieder erheitern. In Corona-Zeiten sind wir gerade sehr auf uns selbst zurückgeworfen. Mag sein, dass wir viele Kleinigkeiten in unserer Umgebung intensiver wahrnehmen. Vielleicht erinnern wir sogar selbst an die Figuren in Genazinos Werken.
„Alles ist da, Beruf, Wohnung, Einkommen, Urlaub, Frau. Aber schon eins davon wäre manchmal weitaus genug, und das wundervolle Alles ist mehr, als einer erträgt. Aber wie befreit man sich vom Privatleben, wenn man nicht einmal die Arbeit loswird? Ach, wenn wir Tiere wären! Eine Ente im Park, ein freundlicher Hund auf dem Sofa! Ach wenn wir die täglichen Zumutungen doch einfach gelassen übersehen könnten!", schreibt Genazino.
Angesichts der Tatsache, dass wir uns als Menschen immer wieder mit unserem Leben auseinandersetzen müssen, findet es der Hauptdarsteller offenbar beneidenswert, einfach nur als Tier zu leben: Fressen, schlafen und vögeln –
eine Reduktion, die er sich wünscht, zu der es aber bei Weitem keinen unbegabteren Menschen geben könnte als ihn. Er ist einer, der selbst die kleinsten Dinge im Alltag hinterfragt und nicht einmal in der Lage ist, einen bescheidenen Salat in einer Metzgerei zu kaufen ohne sich Gedanken über seine Beweggründe zu machen. Einfach einen Salat kaufen und ihn verzehren, dass liegt ihm nicht. Er fragt nach den Gründen.