Rechte Terroristen positionieren sich meist nicht nur gegen Ausländer, Muslime oder Juden, sondern auch gegen Frauen. Wie hängt das zusammen? Einblicke in gefährliches Gedankengut.
Ein Leben lang hatte ich keine Frau/Freundin", schreibt der mutmaßliche Attentäter von Hanau Tobias R. Zehn Personen hat er ermordet. Tobias R. erschoss neun Personen in und vor zwei Shishabars und auf der Fahrt zwischen beiden Orten. Später dann auch seine Mutter und sich selbst. In einem 24 Seiten langen Manifest schreibt er von seinem Hass auf Muslime und von „Völkern, die komplett vernichtet werden müssen". Dazwischen steht ein ganzer Absatz zu Frauen. Darin schildert Tobias R. etwa wie „freude- und leistungshemmend" es für ihn gewesen sei, als Jugendlicher „keinerlei feste Freundin" gehabt zu haben. Frauen, die weniger gut aussahen, wollte er nicht, und Beziehungen zu Frauen, die seine „hohen Ansprüche" erfüllten, seien von einer „Geheimorganisation" verhindert worden. Diese vermeintliche Geheimorganisation soll in seiner psychischen Krankheit eine große Rolle gespielt haben. Immer wieder war in dem Zusammenhang von einer Wahnwelt des Täters die Rede, aber es offenbart sich in diesem Absatz auch das Gedankengut eines Mannes, der Frauen als Verfügungsmasse sieht und sich gleichzeitig abhängig von ihrer Anerkennung fühlt.
Tobias R. ist kein einzelner Spinner. Die Frauenlosigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Biografien und Manifeste von rechtsterroristischen Amokläufern. Auch der norwegische Rechtsterrorist Anders Breivik, der auf der Ferieninsel Utøya 77 Menschen ermordete und der Neuseeländer Brenton Tarrant, der bei einem Terroranschlag auf zwei Moscheen in Christchurch 51 Menschen tötete und weitere 50 verletzte, benannten ihren Hass auf Frauen und das Fehlen selbiger in ihrem Leben. So schreibt etwa Breivik: „Das Erstarken des Feminismus bedeutet das Ende der Nation und das Ende des Westens." Man müsse sich daran gewöhnen, Frauen umzubringen, heißt es weiter. Überlebende seines Attentats schilderten, sie hatten den Eindruck, Breivik wollte ganz gezielt junge Frauen umbringen. Auch Tarrant gibt an, der Feminismus sei schuld, dass Frauen nicht genügend Kinder bekämen. Die Folge sei, dass es zu einem „Bevölkerungsaustausch mit Muslimen" komme.
Feminismus als Anfang vom Ende angesehen
Das Motiv findet sich auch bei Stephan Balliet, der am höchsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, einen Massenmord in Halle plante und letztlich zwei Menschen tötete. „Hoes suck my dick while I run over pedestrians", also „Nutten lutschen meinen Schwanz, während ich Fußgänger überfahre" heißt es in dem Song, den der Attentäter am Tattag im Auto laufen ließ. Er soll ihn sich bewusst ausgesucht haben. Recherchen des ARD-Magazins Panorama zufolge handelt es sich bei dem Lied um eine Art Hommage an Alek Minassian, der darin explizit erwähnt wird. Minassian hatte im April 2018 in Toronto mit einem Kleinbus zehn Menschen überfahren, darunter acht Frauen – getrieben vor allem von Hass auf Frauen. Das Video von seiner Tat, die Balliet live im Netz übertragen hat, beginnt mit den Worten: „Feminismus ist schuld an der sinkenden Geburtenrate im Westen, die die Ursache für die Massenimmigration ist. Und die Wurzel dieser Probleme ist der Jude." Es ist immer wieder die Verbindung aus einem Hass auf Muslime, Juden oder Ausländer, der kombiniert wird mit dem Hass auf Frauen, der Verachtung des Feminismus, in dem man glaubt, eine Bedrohung zu erkennen. Man findet dieses Gedankengut bei den Attentätern Breivik, bei Tarrant, bei Balliet, bei Minassian und jetzt aktuell bei Tobias R. aus Hanau – um nur einige Beispiele zu nennen. Dieser Befund ist kein Zufall, sondern Ergebnis einer Radikalisierung.
Die irische Kommunikationswissenschaftlerin Angela Nagle hat sich jahrelang mit der Onlinekommunikation von Rechten befasst und darüber das Buch „Kill All Normies. Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right" geschrieben. Darin beschreibt sie, wie sich die rechte Szene im Netz radikalisiert und Verschwörungstheorien entwickelt. Sie zeigt auch, wie sich Männer in ihrem Hass gegen Frauen und Nicht-Weiße gegenseitig immer weiter hochschaukeln. In Onlineforen, die Experten als Mannosphäre bezeichnen, tauschen sich frustrierte junge Männer über ihren mangelnden Kontakt zu attraktiven Frauen aus. Immer wieder ist in dem Zusammenhang auch von sogenannten Incels die Rede, Involuntary Celibates, also unfreiwillig Enthaltsame. Für sie kann der Frust über die Frauen zu einer Einfallschneise in rechte Ideologiekonstrukte werden.
Unfreiwillig Enthaltsame
Das Ausmaß, in dem Rechtsextreme das Internet für sich nutzen, sei nicht überraschend. Schon seit Mitte der 90er-Jahre, als etwa die NPD davon sprach, das Internet für sich vereinnahmen zu wollen, habe man diese Möglichkeit entdeckt, glaubt die Journalistin Karolin Schwarz. In ihrem Buch „Hasskrieger – der neue globale Rechtsextremismus" hat sie sich mit Radikalisierungsstrategien im Netz beschäftigt. Über frauenfeindliche und feministische Kreise etwa versuchten Rechte gezielt insbesondere an junge Männer heranzutreten. Teil der Strategie sei dabei oft, auf Portalen wie Facebook oder Twitter weniger radikal zu kommunizieren, um anschlussfähig zu wirken. In geschlossenen Räumen oder auf alternativen Plattformen würde sich das dann ändern.
Der Zusammenhang zwischen verunsicherter Männlichkeit und Rechtsextremismus hat auch den US-Soziologen Michael Kimmel beschäftigt. 2013 hat er sein Buch „Angry White Men. Die USA und ihre zornigen Männer" veröffentlicht. Darin schreibt er, der weiße angelsächsische Mann sehe sich auf dem Rückzug. Kimmel glaubt, dass die frustrierten weißen Männer ihre ökonomische und soziale Misere als persönliche Niederlage empfinden. Das mache sie zornig, und ihre Wut richte sich gegen jene, die aus ihrer Sicht die Schuld tragen: Frauen, Linke, Schwarze, Ausländer und Homosexuelle. Seine These: Die zornigen weißen Männer hätten noch immer die Vorstellung, dass sie aufgrund von Geschlecht und Rasse Anspruch auf Privilegien hätten. Blieben ihnen diese vorenthalten, gehe ihr anerzogenes Selbstwertgefühl unwiederbringlich verloren. Die Angst vor dem eigenen Bedeutungsverlust mache sie zu Radikalen. Das äußere sich in Männlichkeitskult, kruden Internetforen, fremdenfeindlichen Grenzpatrouillen und in letzter Konsequenz gar in Amokläufen. Wenn sich frustrierte Männer in fortgeschrittenem Alter ohne sexuelle Erfahrung darüber mit Gleichgesinnten in einschlägigen sexistischen Foren austauschten, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie mit rechtsradikalem Gedankengut in Kontakt kämen.
Frauenhass ein Einfallstor für rechte Ideologie
„Der Glaube an männliche Vorherrschaft stellt die Basis für sexualisierte Gewalt, Femizide und Terrorismus dar", schreiben auch die Politikwissenschaftlerin Judith Götz und die Mitarbeiterin des Antifaschistischen Pressearchivs Eike Sanders in ihrem Buch „Frauen*rechte und Frauen*hass. Antifeminismus und die Ethnisierung von Gewalt". Beide Frauen sind Mitglied im Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus. Sie beobachten, dass die Terroranschläge der vergangenen Jahrzehnte mit bestimmten Männlichkeitsvorstellungen zusammenhängen. „Die Täter haben Verschwörungstheorien. Die einen sprechen vom ‚großen Austausch‘, ein ähnliches Narrativ findet sich auch bei dem Täter in Halle wieder. Die Gesellschaft sei bedroht durch Migration. Und wir erleben ein zweites Narrativ: dass der Feminismus die Gesellschaft von innen bedrohen würde, durch den Rückgang von Geburtenraten, durch die Auflösung von patriarchalen Geschlechterordnungen", sagte Götz gegenüber „ze.tt". Während die Idee, dass der Mann dazu berufen sei, die Frau und den Volkskörper zu beschützen alt sei, sei die Tatsache, dass Feminismus und das Auflösen von Geschlechterrollen explizit als Feindbild benannt werde, neuer. In den vergangenen Jahren habe man beobachten können, dass in der extremen Rechten das Thema Gender und Familienpolitik sehr viel stärker in den Vordergrund gerückt wurde. „Da wird gesagt, es sei jetzt doch mal genug mit dem Feminismus, in westeuropäischen Gesellschaften sei Gleichberechtigung erreicht. Das ist ein Punkt, an dem sich viele nach rechts radikalisieren. Antifeminismus wird in der Breite der Gesellschaft diskutiert und dadurch legitimisiert. Einerseits gibt es einen tief verwurzelten Frauenhass und Hass gegen queere Menschen. In den verschwörungsideologischen Narrativen kommt das dann zusammen mit Rassismus und Antisemitismus. Das Narrativ ist, dass der Feminismus dazu beiträgt, eine multikulturelle Gesellschaft zu ermöglichen, die aus rassistischen Gründen abgelehnt wird", so Götz weiter. In ihrem Buch heißt es, die Rechte habe die „Frauenrechte" paradoxerweise dort für sich entdeckt, wo die „weiße Frau als Opfer" neue Mobilisierungskraft entfalten könne. Das sei eine Instrumentalisierungsstrategie, die antifeministisch sei. Die Autoren betonen, dass man Antifeminismus nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte und schreiben: „Antifeminismus kann auch tödlich sein."
Ähnlich sieht das der Berliner Rechtsextremismus- und Geschlechterforscher Andreas Hechler. „Man sollte auch von antifeministischem Terror sprechen", sagt Hechler. Das werde in der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen, betont er gegenüber Panorama. In einem nennenswerten Ausmaß gebe es junge Männer, die glaubten, dass ihnen etwas zustünde – etwa eine Freundin –, sich benachteiligt fühlten und die dann in bestimmte Kreise kämen, in denen man ihnen sagen würde, dass daran der Feminismus schuld sei und die Ausländer und Juden, die all das orchestrieren und managen würden, erklärt Hechler.
Der Hass auf Frauen ist also nur ein Einfallstor für den Rechtsextremismus und in eine Welt von Verschwörungstheorien. Rechte nutzen den Frust der Männer gezielt, um ihre Vorstellungen von der Welt zu verbreiten und sie zu radikalisieren. Täter können alleine agieren, doch der Rechtsterrorismus ist durch die Möglichkeiten des Internets ein anderer geworden. Er ist, so sagen Experten, längst weltweit vernetzt.