In „Freddy Fey’s Fish & Fries" beschallt Punk den britischen Straßen-Snack. Die Köche von der „Barkin’ Kitchen" beweisen mit ihrem auf die Spitze getriebenen Imbisskonzept wieder einmal ein treffsicheres Händchen für den ausgefeilten Geschmack – auch bei vermeintlich einfachen Speisen.
In Kreuzberg fischt nicht Fischers Fritze frische Fische aus dem Landwehrkanal. Nein, da bricht gleich ein britischer Fischer namens Freddy Fey mit rätselhafter Mission auf einer Türschwelle in der Glogauer Straße zusammen. Er ereicht nach 784-tägiger Fahrt über Ärmelkanal und Havel mit letzter Kraft die „Barkin Kitchen". „Mehrere Gläser Gin und Bratensauce später erwachte unser Fischer und raunzte nur die Worte ‚Berlin‘ und ‚Bark‘ und drückte uns einen schmierigen, nach Fisch und Seegras stinkenden Zettel in die Hand und deutete uns das internationale Zeichen für Hunger (Finger in den Mund und so …) an. Der Zettel enthielt das Rezept der einzigen Speise, die der Fischer in den letzten zwei Jahren zu sich genommen hatte und die, wie wir später lernten, das Einzige war, was sein Körper noch verarbeiten konnte – Fish and Chips."
So die Gründungslegende von „Freddy Fey’s Fish & Fries", die vor zwei Monaten zur Eröffnung der britischen Backfisch- und Pommesschmiede in SO36 führte. Mag sein, dass der eine oder andere Kilometer Seemannsgarn versponnen wurde. Wer sich jedoch „Barkin’ Kitchen"-Mitinhaber Freddy Jagla und Küchenchef Christian Fey genau anschaut, weiß, dass die beiden Macher für Know-how im Casual Fine Dining und langjährige Erfahrung mit avancierten Caterings stehen. Das sind in der „Barkin’ Kitchen" in den vergangenen vier Jahren Dinner im Supper-Club-Style mit befreundeten Köchen, aufwendiger Mittagstisch mit frischer Hausmannskost sowie DIY-Kochboxen im Außer-Haus-Verkauf im Frühjahr gewesen. Nun wird nichts Geringeres als „die besten Fish and Chips der Stadt" geboten, wie auf der Website vollmundig verkündet wird.
Das ist noch nicht einmal zu hoch gesprungen. Denn Fish-and-Chips-technisch hat Berlin nicht viel zu bieten. Der Anspruch wird durch das Können belegt: „Es schmeckt genauso, wie sie es angekündigt haben", ist der fischliebende Freund begeistert. Er hat im Teller-Roulette mit Rotbarsch, Köhlerfisch, Steinbeißer als Fang des Tages und Kabeljau Letzteren ausgespielt bekommen. Ich finde, ich habe den besten Fang gemacht. Mein Rotbarsch hat ein süßliches Aroma, das prima zu den Kartoffeln und Mashed Peas in ihrem Extraschälchen passt. „Das liegt daran, dass Rotbarsch sich viel von Krill und Shrimps ernährt", erläutert Freddy Jagla. Der Kabeljau, den der Freund als „butterweich" bezeichnet, ist ein Must: „Freddy Fey wollte den unbedingt haben." Da lässt er sich bei einem seiner seltenen und immer unangekündigten Besuche im Lokal nicht reinreden.
Der Fotograf knabbert am Köhlerfisch, mit dem der Seelachs, oder auf Englisch „Pollock", umschrieben ist. Der Köhler stammt, „wie alles, was im Meer herumschwimmt", vom Lieferanten „Deutsche See", verrät Jagla. Seelachs sei der klassische Fish-and-Chips-Fisch. „Aber den willst du nicht in der Qualität haben, wie man ihn hier aus der Lebensmittelindustrie kennt." Den Steinbeißer bekommt die begleitende Freundin zugespielt. Er legt ein sehr mildes Aroma an den Tag. Der Köhler dagegen gibt sich muskulöser und kräftiger. Schließlich favorisieren wir mit 3:1 den Rotbarsch. Der Freund gibt dem Kabeljau weiterhin den Vorzug.
Auch wenn Freddy Jagla behauptet, dass es bei Fish and Fries auf die Saucen ankomme, da Fisch an sich und insbesondere im Backteig eher neutral sei, sehen wir das anders. Über die vier gereichten hausgemachten Saucen reden wir nicht minder enthusiastisch. Remoulade, eine typische Brown Sauce, eine Hot Sauce und allen voran eine mayonnaisige, mit Limette und Krabben abgeschmeckte Haussauce machen uns Spaß. Das Haus für die eigene Sauce stand in Mexiko. Dort war Christian Fey häufig auf Reisen, von dort brachte er so manche kulinarische Idee mit. Nur beim Malzessig von „Sarson’s", der in großen Flaschen auf den Tisch gestellt wird, halte ich mich zurück. Er ist mir zu sauer und zerstört meiner Ansicht nach unnötig die feinen Noten von Fisch, Teig und Kartoffeln.
Die Fries leben von ihren Unterschieden
So wie es für verschiedene Geschmäcker unterschiedliche Fischsorten gibt, variieren die Preise. Der Kabeljau ist der edle Kumpel auf dem Teller, mit 13,90 in der kleinen und 18,90 Euro in der regulären Portion. Rotbarsch kostet 11,90 und 13,90 Euro, der Köhler 8,90 oder 12,90 Euro. Zu jedem Gericht gehören French Fries, Mashed Peas und die vier Saucen mit dazu. „Wir wollen, dass sich jeder Fish and Chips bei uns leisten kann", sagt Freddy Jagla. Deshalb findet sich für den in Kreuzberg nicht immer üppig gefüllten Geldbeutel eine Fisch-Boulette aus in Panko-Teig ausgebackenen Abschnitten mit Pommes für 7,50 Euro ebenfalls auf der Stecktafel wieder.
Bemerkenswert: Der Bierteig um die Filets hält die ganze, längliche Fotorunde vor dem Verzehr durch, ohne ansatzweise schlappzumachen. Das Geheimnis: „Wir ersetzen einen Teil des Biers durch einen anderen, hochprozentigen Alkohol." Ich tippe: „Whiskey!" Freddy Jagla brummelt Unverständliches in seinen Bart. Ich liebe ebenso die Mashed Peas. Minze gibt dem groben, grasgrünen Erbspüree Frische mit, einzelne ganze Kugeln sorgen für Biss. Überhaupt die Textur: Auf die kommt’s gerade bei den French Fries an. 50 Kilogramm Kartoffeln werden jeden Freitag für die drei Wochenend-Tage von Hand verarbeitet. „Wir haben heute noch die Schnitttechnik diskutiert. Die Stangen dürfen nicht genau gleich geschnitten sein", meint Jagla. „Die Fries leben davon, dass manche dünn und kross, andere eben dick und nicht so braun sind. Sonst wird’s langweilig." Die dicken Fries munden, mit grobem Salz gewürzt, geradezu „fleischig", die kurzen crunchen ordnungsgemäß. Daumen hoch für die unegalen Pommes im Brit-Style!
Ein hervorragender Begleiter im Glas, vom ersten Löffel Fischsuppe an, ist ein Apfel-Cidre von van Nahmen. Diese „Apfelschorle für Erwachsene" ist mild, süß und sorgt mit nur vier Volumenprozent Alkohol selbst flaschenweise genossen nicht für einen schweren Kopf. Und ja, wir sind mit einer Fischsuppe in den Abend gestartet. „Etwas für diejenigen, die nicht so viel Fettgebackenes essen möchten", hatten wir uns beim Presse-Dinner vorab gewünscht. Diesen Wunsch erfüllte das „Freddy Fey’s"-Team flugs. Die Fischsuppe, die Freddy Fey wohl so bei seinem Eintreffen in Berlin nicht auf dem Rezeptzettel hatte, erfreut mit feiner Gemüsigkeit, Fischstücken, Muscheln und Anishauch. Die kleine Schale für 6,50 Euro muss sich nur noch verdoppeln, dann klappt’s auch als Hauptgericht!
Raubauziger Snack trifft auf elegantes Dessert
Zum Abschluss gibt es exakt ein Dessert. Es klingt wie einem Jane-Austen-Roman entsprungen: Syllabub. „Das ist eine Weinschaumcreme ohne Ei, mit selbst gebackenem Baiser mit Macis, Ginger-Shortbread und saisonalem Obstsalat", erläutert Christian Fey. Die seit dem 17. Jahrhundert bekannte, schaumig-cremige Süßspeise verbreitete sich mit der Erfindung mechanischer Handrührgeräte und dem Wegfall von Aufwand beim Schlagen der Masse quer durch alle Schichten und Haushalte auf den britischen Inseln. Very delicious and very british! Das Zusammentreffen von „verbessertem" raubauzigem Arbeitersnack und elegantem Dessert passt. In Kreuzberg, nahe dem Görlitzer Park, sowieso. Christian Fey und Freddy Jagla haben unübersehbar ihren Spaß daran, mal eben neue Geschmackswelten und ein neues, in diesem Falle monothematisches Konzept zu kreieren. Die beiden lernten vor mehr als 15 Jahren zusammen im „Adlon" und begleiten einander seither. Das Kochen auf hohem Niveau, aus und mit dem Kopf, funktioniert aus dem Effeff.
„Es macht am meisten Spaß, miteinander zu kochen", sagt Freddy Jagla. Das stellen die beiden in Pop-ups im „Watergate"-Club oder beim Aushecken von Snacks und Dinner-Abenden für die „Barkin’ Kitchen"-Cafeteria in der „C/O Berlin"-Galerie immer wieder unter Beweis. Der Freund empfiehlt angesichts von so viel Erfindungsreichtum und Dynamik, nicht allzu lange mit einem Besuch bei „Freddy Fey’s" zu warten: „Sonst haben sie schon wieder was Neues aufgemacht!"