Noch vor wenigen Wochen bangte der Edelpilzzüchter Mirko Kalkum um den Fortbestand seines Unternehmens. Inzwischen haben die Gastronomen wieder geöffnet – und die Edelpilze in den Saarbrücker Stollen fruktifizieren wieder.
Ein wenig ungewohnt ist der Eintritt in die Alt-Saarbrücker Unterwelt schon, wenn man aus dem Tageslicht in die Dunkelheit der Stollen tritt. Diese wurden ehemals als Schutzanlagen für die Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg gegen Luftangriffe in den Buntsandstein gegraben. „Keine Angst, nur ein wenig Vorsicht", sagt der vorangehende Edelpilzzüchter Mirko Kalkum. Vor fast zehn Jahren begann er mit der Zucht von Edelpilzen wie Buchenpilz, Samthaube, Goldkäppchen, Pompom, Rosen-, Limonen- und Austernseitling, Shiitake und dem gerne verzehrten Kräuterseitling.
„Für Pilze habe ich mich schon seit frühester Jugend interessiert", sagt der Diplom-Biologe, der sich im Hauptstudium für den Zweig Phytopathologie entschieden hatte, die Lehre der Pflanzenkrankheiten. „Heute züchten wir in den alten Stollen am Saarbrücker Nussberg vorrangig saprophytisch agierende, also holzabbauende Pilzsorten in zertifizierter Bio-Qualität", sagt Kalkum. „Wir ernten jeden Tag frisch und beliefern die Gastronomie und Privatperson, die das Besondere mögen. Die Lager- und Lieferzeiten sind kurz, so garantieren wir eine ausgezeichnete Qualität." In der Tat: Frischer kann ein Pilz nicht in die Küche respektive auf den Teller kommen. Bestellungen online sind ebenfalls möglich, und schützend verpackt sind die Edelschwammerl in kürzester Zeit für kleines Geld zu Hause in der Pfanne.
Auf etwa 160 Quadratmetern, bei konstanten 15 Grad Celsius (+/- 1 Grad) und einer Luftfeuchte von 90 Prozent wachsen die edlen Gewächse in rund einer Woche zur Erntereife. „Wichtig ist allerdings auch das Substrat, auf denen die Pilze wachsen", erklärt Mirko Kalkum. „Wir verwenden ein Substrat, also einen Nährboden in Bio-Qualität mit Buchensägemehl und einer Ölsaatzugabe. Die Ölsaaten enthalten Nährstoffe, die zum Beispiel der Kräuterseitling für optimales Wachstum braucht. Pilze sind sehr empfindlich. Temperatur, Luftfeuchte, Licht – alles muss an die laufende Wachstumsphase angepasst sein. Allererste Voraussetzung aber ist die Unterlage, das Substrat, auf dem er wachsen soll. Wir benutzen luftdurchlässige Polypropylen-Beutel, die sich gut recyceln lassen. Diese sind mit etwa zwei Kilogramm Substrat befüllt, das dann in einem sogenannten Autoklav bei 120 Grad sterilisiert wird. Die Hitze tötet enthaltene Bakterien und schädliche Mikroorganismen ab."
Pilze sind auf organische Nährstoffe angewiesen
So weit so gut, dann aber kommt der knifflige Teil der Prozedur. Das Substrat muss mit der Pilzbrut beimpft werden. Dafür hat sich Kalkum eine abgeschlossene Vorrichtung gebaut, die unbedingt steril sein muss. Die Brut besteht aus kleinsten Gewebestücken des Pilzes, das auf einem speziellen Medium wie Agar-Agar, einer japanische Gelatine aus Rotalgen, aufgestrichen wird. Nach ein paar Wochen bildet sich der eigentliche Pilz, das Myzel, was dann auf Getreide „überimpft" wird. Ist das Getreide ebenso von dem Myzel durchwachsen, ist es einsatzfähig und geht an die Pilzzüchter. Die Brut bezieht Kalkum von einem Spezialhersteller aus den Niederlanden.
Ist das Substrat in seinen Polypropylen-Beuteln beimpft, bewässert und verschlossen, hat es einige Wochen Zeit, sich zu entwickeln. Das bedeutet drei Stufen bei unterschiedlichen Temperaturen. Der Züchter sieht es, wenn die ersten Pilzhyphen, ein dünnes, fadenartiges Geflecht, aus der Substratmasse drängen. Dann schneidet er die Tüten auf, damit die ersten Fruchtkörper wachsen können und erwartet einige Tage später bis hin zu drei Wochen eine reiche Ernte in Form von Karposoma, also Pilze, in ihrer schönsten Form und den unterschiedlichsten Düften. Eine wahre Freude für jeden Pilzliebhaber.
Doch was sind Pilze wirklich? Sie sind Organismen mit folgenden Merkmalen: Sie sind nicht in der Lage, Energie aus Sonnenlicht zu gewinnen, wie das Pflanzen durch Photosynthese tun, sondern sind wie Tiere auf organische Nährstoffe angewiesen. Sie sind unbeweglich und nehmen ihre Nahrung über eine Zellwand auf. Im Gegensatz zu Tieren und Pflanzen bilden die echten Pilze ein Geflecht aus Zellfäden („Hyphen"), das Myzel genannt wird. Das unterscheidet sie von Bäcker-, Bier- oder Weinhefen, die zu den Schlauchpilzen gehören, oder von Schimmelpilzen wie etwa dem Camembert-Schimmel (Penicillium camenberti).
Das, was üblicherweise als Pilz bezeichnet wird, sind die Fruchtkörper des Myzels, dessen Sporen zur Fortpflanzung der Art dienen. Großpilze, viele von ihnen sind genießbar, werden in Mykorrhizapilze und Saprophyten unterteilt. Erstere gehen eine Symbiose mit Pflanzen und Bäumen ein, das heißt der Pilz liefert dem Baum lebenswichtige Nährstoffe und erhält im Austausch Enzyme und andere organische Stoffe zurück. Saprophyten dagegen decken ihren Nährstoffbedarf durch tote organische Substanz, Totholz im Wald. Großpilze sind Ständerpilze, wie man sie aus dem Wald oder von Wiesen kennt. Die bekanntesten sind der Wiesen-Champignon, der Steinpilz, der Pfifferling und andere Arten, die sich zum Verzehr eignen, allerdings auch von der Jahreszeit, der Temperatur und dem Wasserangebot abhängig sind.
Pilzzüchter wie Mirko Kalkum wissen um all die Voraussetzungen und nutzen ihre Kenntnis. „Wer Speisepilze anbauen will, muss eine herbstähnliche Umgebung schaffen", sagt Kalkum. „Allein mit dem richtigen Substrat, nur mit der optimalen Klimatisierung der Räumlichkeiten, gelingt es."
Kalkum ist ein Spezialist, der mit Leidenschaft ein Lebensmittel erzeugt, das kalorienarm, fettarm und wegen des hohen Eiweiß-, Vitamin- und Mineralstoffgehalts für eine bewusste Ernährung interessant ist. Pilze nehmen gerne Schwermetalle und Radionuklide auf und speichern diese. Lange halten sich diese Stoffe in dem Myzel und geben es auch noch nach Jahren an die Fruchtkörper ab. Zumindest ist dies bei Wildpilzen der Fall, daher sollten Pilzfreunde maximal einmal pro Woche eine Wild-Pilzmahlzeit zu sich nehmen.
Mancher Pilz erinnert an Hühnerfleisch
Ganz anders bei Zuchtpilzen. Diese kommen nicht mit Stoffen in Kontakt, die sich negativ durch den Verzehr auf den menschlichen Organismus auswirken können, schon gar nicht bei Pilzen aus Bio-Anbau wie Kalkums Saarbrücker Edelzuchtpilze. Wie alle Pilze haben auch Zuchtpilze ein umfangreiches geschmackliches Spektrum und sind in ihrer Beschaffenheit nicht gleich. Manche sind würzig oder haben ein wenig Schärfe, sind meist aromatisch, manchmal aber auch eben etwas fad im Geschmack.
Speisepilze sollten frisch gebraten oder geschmort werden, dann schmecken sie am besten. Steht allerdings einmal eine größere Menge zur Verfügung, sollte man sich die Mühe machen und diese zur späteren Verwendung trocknen. Dicht verschlossen in einem Glas sind Trockenpilze jahrelang haltbar. Mirko Kalkum denkt derzeit über diese Möglichkeit nach, denn oft wird er nach Trockenpilzen gefragt. In der Gastronomie werden nicht nur frische Speisepilze verwertet, denn getrocknet eignen sich die Männlein aus dem Stollen zum Würzen von Soßen und Suppen. Durch den Entzug des Wassers verliert der Pilz an Gewicht, gewinnt aber ungleich mehr an Aroma. Zudem kann er aber auch wieder eingeweicht werden, um dann in Fonds und Brühen seine ganze geschmackliche Kraft zu entfalten.
Trockenpilze können allerdings auch gemahlen als Gewürz Verwendung finden. In ihrer Konsistenz sind auch Kalkums Edelpilze unterschiedlich. So sind die Sorten Kräuterseitling, Austernseitling und Shiitake gebraten noch fest im Biss und sehr schmackhaft. Limonenseitling und Rosenseitling ändern beim Braten in geringem Maße ihre Farbe und sind mild im Geschmack. Die Samthaube, der Pioppino – japanisch auch Yanagi-Matsukake genannt – ein Pilz aus der Familie der Träuschlinge, bleibt ebenso bissfest und schmeckt aromatisch mit einer leichten Rettichnote.
Zwei besondere Vertreter für die anspruchsvolle Küche sind der Braune und der Weiße Buchenpilz (Hypsizygus), in Japan auch Buna-Shimeji genannt. In Japan und China schon lange ein heißgeliebter Speisepilz, kommt er so langsam auch bei uns immer häufiger in den Handel. Nicht nur in der Spitzengastronomie findet er Verwendung, auch auf Regionalmärkten wird er immer häufiger angeboten. Auch Mirko Kalkum hat diese Köstlichkeit in sein Sortiment aufgenommen und findet folgende Worte zu diesem exquisiten Speisepilz: „Er ist mit Sicherheit zu meinen Favoriten zu zählen. Sein Fleisch bleibt beim Zubereiten fest, zerfällt aber beim Verzehr auf der Zunge wie zartes Hühnerfleisch. Beim Garen bleibt er weiß, hat ein ausgesprochen nussartiges Aroma und schmeckt besonders köstlich. Auch die Stiele sind essbar. Nur sollte darauf geachtet werden, diesen Pilz nicht roh zu essen. Er schmeckt dann bitter und ist weniger gut verdaulich."