Leerstände, soziale Brennpunkte und rückständige Digitalisierung – in Saarbrücken gibt es in vielen Bereichen noch Luft nach oben. Der Dezernent für Wirtschaft, Digitalisierung und Soziales, Tobias Raab, spricht über Wirtschafts- und Sozialpolitik aus einem Guss.
Herr Raab, Sie sind nicht nur der neue Dezernent für Wirtschaft und Digitalisierung, sondern auch für Soziales in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Wirtschaft und Soziales – schließt sich das nicht gegenseitig aus?
Das denken manche. Ich sehe es eher als eine riesige Chance, beides aus einem Guss machen zu können. Schließlich geht es bei beidem darum, Menschen eine Aufstiegsperspektive zu geben. Gute Sozialpolitik hat dasselbe Ziel wie gute Wirtschaftspolitik: den Betroffenen zu ermöglichen, mehr aus ihrem Leben zu machen. Außerdem hängt beides in vielen Fällen miteinander zusammen. Je besser unsere Sozialpolitik nämlich funktioniert, umso einladender sind unsere Innenstadt und unsere Stadtteile für Besucher, Gäste und Zuziehende. Das stärkt auch den Wirtschaftsstandort, wodurch wieder mehr Mittel für sozialpolitische Maßnahmen zur Verfügung stehen können. Ausgaben wie die erhöhten Zuschüsse fürs Drogenhilfezentrum, in dem eine ganz beeindruckende Arbeit geleistet wird, sind daher doppelt wichtig.
Ihr Start ins neue Amt wurde ein wenig durch die Corona-Pandemie überschattet. Wie hat die Krise die Notwendigkeiten und Prioritäten verändert?
Das ist richtig. Die Situation, in der ich kandidiert habe und gewählt worden bin, war ganz anders als jetzt. Das macht manches schwieriger. Gerade finanziell ist es eine riesige Belastung, die auf die kommunale Ebene zukommen wird, weil Einnahmen wegbrechen. Die Situation bietet aber auch Chancen. Zum Beispiel bei der Digitalisierung haben wir einen enormen Schub sehen können. Viele in der Verwaltung waren gezwungen, im Homeoffice zu arbeiten oder sich andere Lösungen zu überlegen. Diesen Druck hatten wir bisher nie. Die Situation hat der Verwaltung aber auch gezeigt, dass es manchmal auch schnelle und günstige Lösungen gibt, die eine große Wirkung haben. Wenn wir uns beispielsweise den St. Johanner Markt anschauen: Mittlerweile ist dort abends durch die vielen Stühle und die Ausweitung der Sitzplätze eine viel bessere Stimmung als früher mit den engen, kleinen Sitzplätzen. Das war eine Lösung, die die Stadtverwaltung innerhalb von zwei Tagen erarbeitet hat und die die Stadt keinen Cent gekostet hat. Generell haben wir gesehen, dass wir viele Probleme viel schneller lösen können, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Aber natürlich: Vieles wird auch herausfordernder –
gerade für eine Kommune, die ohnehin schon in einer Haushaltsnotlage ist.
Der Handlungsspielraum eines Dezernenten auf kommunaler Ebene ist begrenzt. Wo sind die Grenzen Ihres Handelns?
Die sind gar nicht so eng, wie man vielleicht meinen würde. Als Dezernent ist man ein wichtiges Bindeglied, wenn es darum geht, Zielsetzungen aus der Verwaltungsspitze konkret umzusetzen oder die Erfahrungen, die gemacht werden, zu transportieren – beispielsweise jetzt in der Corona-Krise. Man ist auch Bindeglied zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung. Durch die richtige Ansprache, die Einbindung von Leuten und die Themensetzung kann man da durchaus dafür sorgen, dass Dinge anders werden. Demokratie ist immer auch zäh, und es geht nicht immer alles mit einem Schnips. Aber es geht, wenn man denn dranbleibt.
Großes Thema in den Saarbrücker Außenbezirken ist das Geschäftesterben …
Ich glaube, das ist ein genereller Trend. Auch in anderen Großstädten wird es immer schwieriger in den Außenbezirken. Das sehen wir natürlich auch in Saarbrücken. Auch in Dudweiler, dem Halberg und im Westen – da wird es für die Gewerbetreibenden schwieriger. Deshalb haben wir die Außenbezirke ganz besonders auf dem Schirm, wenn es jetzt darum geht, durch Investitionsprogramme und Fördermittel wieder mehr Schwung in die Sache zu bekommen. In Dudweiler beispielsweise passiert ja jetzt auch viel. Der neue Rathausblock wird hoffentlich als Magnet zur Belebung der Fußgängerzone beitragen. Auch von dem Start-up-Zentrum, dem Dudo-Park, erhoffen wir uns eine solche Funktion. Wir haben in Dudweiler gerade eine Aufbruchsstimmung, wie wir sie seit 30, 40 Jahren nicht mehr hatten. In den letzten Jahren ging es da nur drum, was abgeschafft wird – Lehrschwimmbecken, Bezirksverwaltung und und und. Jetzt haben wir da ganz andere Themen und das sollten wir uns nicht mies reden lassen.
In den vergangenen Wochen hat es Dudweiler nicht unbedingt positiv in die Zeitung geschafft. Ich denke dabei an die Obdachlosenunterkünfte in der Fischbachstraße. Dort stehen bereits zwei Komplexe, ein dritter könnte folgen. Würde dieser Bau die Situation entschärfen oder ist er weiteres Wasser auf die Mühlen?
Die Situation in Dudweiler ist natürlich nicht optimal. Aber sie ist auch nicht so dramatisch, wie es die öffentliche Debatte glauben machen könnte. (Die Saarbrücker Zeitung hatte einen Artikel mit der Überschrift „Dudweiler darf kein Ghetto werden" gedruckt, Anm. d. Red.) Damit tut man dem Stadtteil keinen Gefallen, und damit stellt man auch all das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten an Sozialpolitik in der Stadt passiert ist, in ein falsches Licht. Natürlich ist es dort, wo viele obdachlose Personen untergebracht sind, nicht einfach. Wenn man sich aber jetzt mal anschaut, wie die Unterbringung in der Stadt aufgeteilt ist, dann sieht man, dass es in der ganzen Stadt kleinere Einheiten gibt und es mitnichten so ist, dass wir nur einen Standort mit mehreren großen Häusern hätten. Außerdem hat sich die Situation in Dudweiler mittlerweile entspannt, nachdem ein Tatverdächtiger festgenommen wurde und sich in Untersuchungshaft befindet. Was den dritten Bau angeht: Wir werden uns die früheren Pläne ganz genau anschauen und dann im Dialog mit den Bürgern das weitere Vorgehen gestalten.
Sie sind jetzt auf zehn Jahre gewählt – was haben Sie sich für diese Zeit an Projekten und Themen auf die Agenda geschrieben?
Im sozialen Bereich gibt es viele Dinge, die wichtig sind. Die Gemeinwesenarbeit und die Integration von Geflüchteten. Im Wirtschaftsbereich wird es darum gehen, wie man die Gewerbetreibenden anspricht und ihnen auch zuhört. Gerade in Sachen Zuschüsse, Ausstattung und so weiter können wir oft mit anderen Kommunen nicht ganz mithalten. Wir sind zudem im Moment in der Situation, dass Gewerbetreibende hierherkommen und wir erst einmal prüfen müssen, ob und wo wir ein Gewerbegebiet ausbauen können. Das können wir uns im Wettbewerb mit anderen Regionen nicht leisten. Da müssen wir besser werden und den Akteuren mehr Wertschätzung zeigen. Bei der Digitalisierung sind wir noch sehr weit am Anfang. Wir sind nicht nur dabei, Prozesse, die es bereits analog gibt, jetzt auch zu digitalisieren – beispielsweise mit dem digitalen Baugenehmigungsverfahren – wir wollen auch schauen, dass wir neue Möglichkeiten schaffen, Saarbrücken digital erlebbar zu machen, beispielsweise im kulturellen Bereich. Da gibt es tausend Möglichkeiten.