Sebastian Studnitzky, Musiker mit Erfahrung als Festivalmacher, und einer von drei künstlerischen Leitern des neuen Festivals Resonanzen, erzählt im Interview auch über seine Herausforderungen in Corona-Zeiten.
Herr Studnitzky, im Juli haben Sie Kreative aus der Großregion zu einem kollektiven Ideenfindungsprozess eingeladen, um über Veranstaltungsformate während der Corona-Pandemie nachzudenken. Können Ergebnisse aus dem Prozess für das Festival Resonanzen umgesetzt werden?
Wir denken schon seit März über alternative Festivalformen nach. Einige der Ideen aus dem Kreative Summit schafften es ins Festivalprogramm: Eine ist für Kinder mit selbst gebauten Instrumenten und es wird Überraschungskonzerte geben – ich kann nichts verraten, sonst ist es keine Überraschung mehr.
Findet parallel zu den Veranstaltungen ein Livestreaming statt?
Ja, zu fast jedem Livekonzert!
Der Kreative Summit hat sicherlich etliche Erkenntnisse für Sie als Festivalmacher hervorgebracht. Welche hat Sie überrascht?
Die Immersive Audio-Geschichte und, dass es eine Firma aus der Großregion gibt, die Interesse an einer Zusammenarbeit zeigt. Bei Immersive Audio geht es darum, eine 3-D-Version zu erzeugen, eine Art Hologramm …
… wie auf der Enterprise?
(lacht) Na, sagen wir so: Eine Erweiterung von Stereo, ein akustisches Hologramm.
Ursprünglich sollte das Festival auch grenzüberschreitend agieren. Ist das noch möglich?
Tut es. Die stilistischen Grenzen überschreitet das Festival Resonanzen sowieso. Wir sind zwischen Klassik, Pop und Jazz angesiedelt. Grenzüberschreitend meint vor allem die Großregion – Frankreich, Luxemburg und Wallonie – viele Künstler von dort kommen zu uns. Einen Spielort gibt es auch in Frankreich, Le Gouvy in Merlebach.
Das Festival möchte „genre-, szenen- und Kunstform überschreitend" sein. Ist darunter kurzgefasst Crossover gemeint oder etwas anderes?
Crossover ist eine Art „verbrannter" Begriff (lacht). Es gibt leider nicht viele andere bessere Begriffe. Mit Crossover verbinden die meisten Leute ein bisschen etwas Negatives. Im Endeffekt ist es Crossover, denn alle Künstler des Resonanzen-Festivals schauen über den musikalischen Tellerrand hinaus.
Ist das Resonanzen-Festival als „genre-, szenen- und Kunstform überschreitend" aufzustellen ein Grundsatz, der für jede der Veranstaltungen gilt?
Nicht dogmatisch. Ein Festival ist ein großes Ganzes, bestehend aus ganz viel Kleinem. Wir versuchen das Spannungsfeld zwischen den Genres auszuloten.
Wichtig ist, dass das Festival eine Ausrichtung und einen Charakter bekommt.
Welchen Künstler oder welches Programm aus dem Festival würden Sie für „genre-, szenen- und Kunstform überschreitend" beispielhaft nennen?
Der Pianist Francesco Tristano fällt mir beispielsweise ein. Er spielt Bach, aber auch Techno – auf der Bühne stehen ein Flügel und ein Synthesizer. Viele Künstler dieser Generation denken übergreifend, sie spielen ihr Konzert in der Philharmonie und gehen danach zum Tanzen in den Technoclub. Oder das Programm, das ich mit Sebastian Manz aufführe. Wir spielen Bernstein, Strawinsky und Steve Reich im Original, aber auch im elektronischen Mix.
Dieses Programm „A Bernstein Story" wird im Pingusson-Gebäude aufgeführt, dort treten auch weitere Künstler auf. Wie viele Besucher sind derzeit dort erlaubt?
Im Pingusson-Bau sind es 52 Leute – das ist natürlich bitter.
Bitter wäre, wenn das Festival nicht stattfinden könnte …
Klar, man kann das aus verschiedenen Perspektiven sehen. Ich bin eher ein Positivist. Es war uns auch ganz wichtig Live-Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Bei normaler Festivalplanung hätte man sich in erster Linie Gedanken um das Programm gemacht, in Corona-Zeiten spielen Hygienevorschriften mit die größte Rolle. Einen Großteil der Arbeitszeit verwenden wir darauf und müssen grundsätzlich den Worst Case mit einplanen, dazu zählt auch, dass ein Künstler nicht einreisen kann.
Ist eine Abendkasse eingerichtet oder ein Festivalbesuch ausschließlich über vorherige Onlinebuchung möglich?
Ausschließlich über vorherige Onlinebuchung. Die Stühle werden auch für jedes Konzert einzeln eingerichtet.
Als Festivalmacher möchte man oft einen bestimmten Künstler einladen, den man dann wegen Terminschwierigkeiten nicht bekommen kann. Derzeit ist das anders. Wie hat sich dieser Umstand für ihre Resonanzen-Engagements ausgewirkt?
Es hält sich die Waage. Es gibt auch Künstler, die abgesagt haben, weil sie im Ausland feststecken. Grundsätzlich konnten wir im Programm ein klein wenig experimenteller sein, weil wir nicht den Druck haben, die Riesen-Locations zu füllen. Wir sind auch regionaler geworden, es spielen mehr Bands aus der Großregion. Auch Unbekannte, die eine hohe Qualität mitbringen, werden spielen. Wenn man nicht den Druck hat zweieinhalbtausend Leute zu versammeln, dann muss man nicht die Namen buchen, die auf allen Festivals spielen.
In der Corona-Zeit haben Sie weiter komponiert, gespielt und produziert. Welche Stimmungslage dominiert dabei?
Uns Musiker betrifft Corona massiv, unser Leben wurde praktisch um 180 Grad gedreht. Ich spüre meistens einen positiven Vibe, weil es doch mal relativ gut tut, zu Hause zu sein und sich zu fokussieren. Diese Situation, dass ich mehrere Monate zu Hause bin und nicht jede Woche für drei, vier Konzerte um die Welt jette, hat auch eine Qualität.
Abgesehen davon, dass Sie verschiedene Locations im Vorfeld für die Programmplanung besichtigt haben: Was ist Ihnen noch Schön-Interessantes im Saarland aufgefallen?
(lacht) Das Saarland kenne ich noch nicht so, ich war in allererster Linie in Saarbrücken. Saarbrücken ist eine superschöne Fahrradstadt. Was mich wundert, ist, dass die meisten Saarbrücker in ihren Autos in den Staus und Einbahnstraßen stehen. Skurril ist die Autobahn – in anderen Städten hätte man da eine Strandpromenade am Fluss. Es gibt diese eine Stelle an der der Fahrradweg am Fluss direkt an die Leitplanke der Autobahn stößt, das ist schon sehr speziell. In der Altstadt gibt es tolle Restaurants! Ich mag auch das Umfeld und die Mentalität. Und: Jeder kennt jeden, alles ist so überschaubar.
Wenn das Resonanzen-Festival erstmals startet, welches Gefühl schwingt mit?
Ein Stein fällt vom Herzen. Wenn der Festival-Vibe einsetzt und die Künstler auf der Bühne stehen – darauf freue ich mich!