Rund 18 Jahre war Klaus-Peter Beck geschäftsführender Kuratoriumsvorsitzender der Asko Europa Stiftung. Ein Ringen um ein gemeinsames Europa und ein Blick über Europa hinaus.
Herr Beck, vor wenigen Tagen legten Sie Ihr Amt nieder. 18 Jahre waren eine lange Zeit, in der natürlich auch viel passiert ist. Gibt es dennoch Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Dazu gehören in erster Linie die zahlreichen internationalen Begegnungsprogramme, die Menschen aus aller Welt an die Europäische Akademie in Otzenhausen (EAO) führten. Zu den schönsten Anekdoten zählt ein Programm, bei dem zur gleichen Zeit israelische Studenten von der Universität Haifa und auch Studenten aus den Maghreb-Staaten die Akademie besuchten. Unbekannt war uns, dass Studenten sich nicht im gleichen Raum mit israelischen Studenten aufhalten durften. Diese Aufgabe der räumlichen Trennung konnte ohne große Probleme gelöst werden. Umso größer war dann die Überraschung, als ich eines Abends das Bistro der EAO aufsuchte und plötzlich alle unsere Studenten gemeinsam an den Tischen gesehen habe. Sie lachten und diskutierten. Plötzlich waren es nur junge Menschen, die sich begegnen und kennenlernen wollten. Das hat mich auch im Nachgang noch sehr beeindruckt und in meiner tiefen Überzeugung bestärkt, dass die Zielsetzung von Stiftung und Akademie richtig ist. Auch wenn sie mit amerikanischen Studenten im Bus unterwegs nach Brüssel sind und diese aus dem Staunen nicht mehr herauskommen, dass sie innerhalb einer Stunde drei Ländergrenzen ohne jegliche Passkontrolle passiert haben, dann wissen sie, dass sich das Engagement für Europa und junge Menschen aus aller Welt lohnt.
Dabei war die Stiftung nicht immer so international ausgerichtet …
Das stimmt. Bis 2002 hat die Stiftung noch relativ begrenzt im europäischen Raum operiert. Dann ist – mehr oder weniger durch einen Zufall – das erste Übersee-Programm entstanden und ebnete den Weg für weitere Schritte in diese Richtung.
„Zufall" hört sich in diesem Kontext ungewöhnlich an. Könnten Sie das etwas näher erläutern?
Wie so oft entstand diese Idee durch eine Begegnung. Der damalige Geschäftsführer der Stiftung war zu diesem Zeitpunkt an der Universität in Trier und teilte sich ein Büro mit einem amerikanischen Professor von der Texas A&M University in College Station. Bei einem spontanen Brainstorming wurde die Idee geboren, deutsche und amerikanische Studenten und deren Professoren zu wechselseitigen Austauschprogrammen zusammenzuführen. So entstand übrigens auch unser Wahlspruch: Europa entsteht durch Begegnung. So wurden dann die ersten Programme mit amerikanischen Studenten an der Akademie erfolgreich durchgeführt. Dann folgten weitere Programme mit Teilnehmern aus Kanada, Japan, China, Südkorea, Mexiko, Russland und aus Europa, etwa Spanien, Italien, Polen und viele mehr. Menschenrechtsprogramme von Prof. Joaquim Gonzalez aus Spanien führten Richter, Polizisten und hohe Verwaltungsbeamte aus Kolumbien nach Otzenhausen. Die Europäische Akademie Otzenhausen im Saarland wurde international in den Netzwerken von Universitäten und Instituten ein Begriff.
Und erlauben Sie mir eine Anmerkung zur aktuellen Lage: Alle diese Aktivitäten liegen seit März 2020 durch die Corona-Pandemie still. Alle Programme wurden storniert, und unsere Akademie kämpft jeden Tag um ihre Existenz!
Wir dürfen aber nicht erstarren in Untätigkeit, deswegen wurden wir auch ein Stück weit digitaler und arbeiten an der Entwicklung hybrider Programmformate, um – Corona lässt grüßen – auch virtuell arbeiten zu können. Mit unserer Reihe „Transatlantic Youth Dialog" von sechs Online-Diskussionen zu Themen wie „Black Lives Matter" oder „Climate Change", wollen wir die Netzwerke zwischen unseren deutschen Studenten und deren ausländische Kommilitonen in diesen schwierigen Zeiten nicht abreißen lassen.
Es sind in meiner Amtszeit aber auch neue Themen dazugekommen. Dazu zählt zum einen das „Start"-Stipendiaten-Programm für mittlerweile 131 junge Menschen mit Migrationshintergrund seit Beginn im Jahr 2005. Zum anderen engagieren wir uns seit 2006 zusammen mit der Akademie sehr intensiv mit dem Projekt „Mut zur Nachhaltigkeit". Mein guter Freund und Vorstand der Stiftung Forum für Verantwortung, Klaus Wiegandt, als treibende Kraft und Dritter im Bunde leistet hier hervorragende inhaltliche Arbeit.
Um solch spannende Programme umsetzen zu können, muss die Stiftung natürlich Erträge erzielen. Ist es bei der aktuellen Niedrigzinspolitik überhaupt noch ausreichend möglich?
Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen – die Zahlen stammen aus dem Jahr 2018 – haben wir bundesweit etwa 23.000 Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von rund 100 Milliarden Euro. Nun muss man dazu auch wissen, dass das Stiftungskapital bei einer Stiftung auf Ewigkeit erhalten bleiben muss. Nur das, was aus diesen 100 Milliarden jedes Jahr an Zinsen, an Dividenden, an Ausschüttungen und an realisierten Kursgewinnen zu erzielen ist, kann man in die Förderung von Projekten einsetzen.
Noch vor 15 Jahren konnte eine Stiftung ihr Kapital mit fünf Prozent pro Jahr mündelsicher anlegen. In der heutigen Zeit kriegen wir höchstens ein Prozent, also bei den Zahlen statt fünf Milliarden nur eine Milliarde. Damit werden der Aktionsradius und somit auch die Möglichkeiten von Stiftungen stark reduziert, dies geht zulasten der gesellschaftlichen Arbeit. Man kann sich vorstellen, was es für einen Großteil der Stiftungen bedeutet. Auch die Asko Europa Stiftung ist betroffen und müht sich nach Kräften, die Satzungsziele umzusetzen.
Ich wünsche meinem Nachfolger Ulrich Holzer als Kuratoriumsvorsitzender und Hans Beitz als Vorstand in dieser schwierigen Zeit viel Erfolg und das notwendige Quäntchen Glück.
An dieser Stelle sei auch ein Appell an alle in unserer Gesellschaft angebracht, über die Unterstützung der Stiftungen durch Projektförderung, Zustiftungen oder durch Spenden nachzudenken und zu handeln.
Fällt Ihnen der Abschied nach so langer Zeit nicht ein wenig schwer?
Nein, absolut nicht, ich habe mich sehr konsequent darauf vorbereitet und die Pläne für die Gestaltung meines vierten Lebensabschnittes schon in der Tasche. Was mir ausdrücklich sehr schwerfällt, ist, mich mit der Situation in Europa abzufinden. Ich empfinde Stillstand und sogar Rückschritt.
Kein signifikanter Fortschritt in der Flüchtlingsthematik, kein gemeinsam getragenes und wirksames europäisches Profil in der Weltpolitik in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik, Umwelt- und Sozialpolitik. Die Frage, die ich mir stelle: Hat ein Europa, welches in seinen Entscheidungen auf Einstimmigkeit besteht, überhaupt eine Chance, in der Welt als wichtiger Mitspieler wahrgenommen zu werden? Muss man nicht ernsthaft und schnell die Bedingungen für eine Mitgliedschaft auf den Prüfstand stellen? Sollte man Mitgliedern, die national eigene Wege gehen wollen und sich damit aus der Gemeinschaft entfernen, nicht den Austritt nahelegen?
Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ist meiner Ansicht nach dabei auch nur ein nicht belastbarer Kompromiss.