Der MSV Duisburg war im letzten Jahr eine lange Zeit Aufstiegsfavorit Nummer eins. Dann kam Corona und offenbarte die Probleme des MSV – sowohl sportlich als auch finanziell. Nun kämpft der Verein um eine Perspektive.
Am Freitag tritt der 1. FC Saarbrücken im Ruhrgebiet an. Noch vor einem halben Jahr wäre das auf der Papierform eine kaum lösbare Aufgabe gewesen. In der vergangenen Saison gab es fast keine Zweifel daran, dass dem MSV Duisburg mit Trainer Torsten Lieberknecht der direkte Wiederaufstieg gelingen würde. Die Mannschaft wirkte souverän, stand von Spieltag 14 bis 32 ununterbrochen an der Tabellenspitze. Doch die Corona-Pause zeigte das Problem der Zebras auf: Der Kader war aufgrund der schon vorherrschenden finanziellen Probleme schlicht zu klein. Die englischen Wochen sorgten am Ende dafür, dass dem MSV auf der Zielgerade die Puste ausging, und so fehlte am Ende der Saison nur ein Punkt zum Relegationsplatz.
Die finanziellen Probleme sind in dieser Saison nicht gerade weniger, sondern haben sich logischerweise verschlechtert. „Es wird von Monat zu Monat schwieriger. Es ist abhängig davon, wie Sponsoren und Gläubiger mitziehen in diesen Zeiten. Es ist dann vor allem aber auch eine Frage, welche möglichen Sondertöpfe wir generieren können, was die Politik beisteuert", so Präsident Ingo Wald zur „WAZ". Selbst das große Unwort Insolvenz kann der Präsident in diesen Zeiten nicht ganz ausschließen: „Wir wollen, solange es geht, die Insolvenz vermeiden. Ich kann das aber nicht grundsätzlich ausschließen. Denn im Moment ist die Zukunft schwer planbar. Wir glauben, dass unsere Gläubiger, die uns durch schwere Zeiten begleitet haben, auch gewisse Anrechte haben. Zum Beispiel, dass wir nicht alle ihre Forderungen mit einem Federstrich vom Tisch wischen." Auch das zeigt, wie wichtig ein Aufstieg in der vergangenen Saison gewesen wäre. „Auf Dauer würde der Verbleib in der 3. Liga eine Abwärtsspirale anstoßen, aus der wir nicht mehr herauskommen. Jedes Jahr in dieser Klasse bedeutet ein Minus. Dann könnten wir uns sportlich nicht mehr weiterentwickeln. Es kommen weniger Zuschauer. Wir sind nicht mehr so attraktiv für Sponsoren", erklärt der Präsident. Wie schwierig das werden wird, zeigten schon die Personalwechsel vor der Saison.
„Zukunft ist im Moment schwer planbar"
Die Innenverteidigung musste der MSV komplett austauschen. Marvin Compper beendete seine Karriere, ist aber weiter als Co-Trainer dabei. Lukas Boeder wechselte nach Halle, Matthias Rahn nach Cottbus. Sie wurden durch Dominik Schmidt und Tobias Fleckstein von Holstein Kiel ersetzt. Dominik Volkmer kam aus Jena. Die gleiche Problematik zeigte sich im zentralen Mittelfeld. Yassin Ben Balla wechselte in die zweite Liga zu Eintracht Braunschweig, Tim Albutat ging zum KFC Uerdingen. Mit dem kampfstarken Wilson Kamavuaka von GKS Tychy und Mirnes Pepic von Hansa Rostock wurde hier aber wie in der Innenverteidigung mit ähnlichen Spielertypen reagiert. So musste das Stammzentrum einmal komplett ersetzt werden.
Selbst in der Offensive gab es Rochaden. Eigengewächs Lukas Daschner schaffte mit elf Toren und fünf Vorlagen den Sprung zum FC St. Pauli in die zweite Liga, es gab keine Möglichkeit das Talent zu halten. Genauso schwer wird es, ihn eins zu eins zu ersetzen. Pepic, der als spielstarker Sechser fungiert, wird hier stärker im Fokus stehen, ebenso Connor Krempicki.
Im Angriff verabschiedete sich Petar Sliskovic nach Türkgücü München, die Verantwortlichen reagierten darauf mit der Verpflichtung von Orhan Ademi, der unter Trainer Lieberknecht schon in Braunschweig aktiv war. In der vergangenen Saison holten die Duisburger 39 Punkte an der Wedau und krönten sich damit zum heimstärksten Team der Liga. Probleme gab es zunächst nur auswärts, was sich aber am Schluss der Saison rächte. Zudem stellten die Zebras in der vergangenen Saison die fünftbeste Abwehr, das Personal im defensiven Zentrum wurde aber nahezu komplett ausgetauscht, es ist nur logisch, dass die neue Formation immer noch in der Findungsphase steckt. Während der Vorbereitung konnten noch nicht alle Automatismen einstudiert werden. In der Offensive hingegen sind die Duisburger trotz des Abgangs von Daschner gut aufgestellt. In diesem Jahr sind sie wohl noch abhängiger von Moritz Stoppelkamp, der in der vergangenen Saison schon an einem Drittel der Tore beteiligt war. Als er nach dem Re-Start nicht mehr an seine Form anknüpfen konnte, musste sich der MSV von den Aufstiegsplätzen verabschieden. Nun fällt er aufgrund einer Virus-Infektion erst einmal aus. Im Sturmzentrum ruhen die Hoffnungen daher auf Vincent Vermeji, der von Ademi unterstützt wird. Ademi war in seiner Saison bei Braunschweig sehr unglücklich unterwegs, für Lieberknecht wird es wichtig sein, ihn wieder aufzubauen.
Es gab keinen wirklichen Plan B
Der MSV spielt unter Trainer Lieberknecht am liebsten einen Umschaltfußball. Problematisch dabei war aber, dass die Gegner recht schnell begriffen, dass es keinen wirklichen Plan B gab. Gibt man dem MSV keine Umschaltmomente – dann tun sie sich schwer. Und trotzdem verfügt der MSV über eine Menge Qualität, die dafür sorgen wird, dass viele Mannschaften auf ihren eigenen Umschaltmoment warten werden, anstatt mit dem MSV mitzuspielen. Der MSV muss eine Entwicklung nehmen, um nicht die gleichen Fehler wie in der vergangenen Saison zu machen. Bisher funktioniert das noch nicht. Trotz einer Führung im ersten Spiel gegen Hansa Rostock setzte es danach ein 1:3, gegen Zwickau kamen die Zebras nicht über ein 1:1 hinaus. Gegen Lübeck reichte es ebenfalls nur zu einem Punkt.
Für viele war der MSV im vergangenen Jahr der Favorit auf den direkten Wiederaufstieg in die Zweite Liga. In diesem Jahr scheinen die Experten Recht zu behalten, die dem MSV den ganz großen Wurf nicht zutrauen. Zu groß waren die Einschnitte in dem eigentlich erfolgreichen Kader der letzten Saison. Derzeit besonders bitter: Im Stadion des MSV sind derzeit 6300 Zuschauer zugelassen – gegen den FSV Zwickau waren aber nur 3600 Zuschauer anwesend. Es scheint so, als wären auch die eigenen Fans nicht gänzlich von ihrem Team überzeugt.