Der tschechischen Schlager-Diva Helena Vondrácková machte es nie etwas aus, im Schatten ihres Landsmanns Karel Gott zu stehen. Die 73-Jährige galt jahrzehntelang neben ihrem berühmten Kollegen als größter Show-Exportschlager unseres Nachbarlands. Angefangen hatte alles mit einem Gesangswettbewerb.
Auftritte in New York und Chicago, Tourneen durch Australien und Russland, Ehrenpreise und etliche Hits: Helena Vondrácková stand in ihrer Heimat zwar immer im Schatten des unvergessenen Karel Gott. Doch gleich nach der „Goldenen Stimme aus Prag“ kam in Tschechien beziehungsweise der früheren Tschechoslowakei sie, die große Entertainerin, Sängerin und Schauspielerin. Auch mit 73 sorgt Helena Vondrácková für volle Konzertsäle, auch wenn sie die Corona-Pandemie seit März ausbremst. Spätestens Ende des Jahres will die Pragerin wieder auftreten – geplant sind auch Veranstaltungen in Deutschland.
Nach Karel Gott galt Vondrácková jahrzehntelang als größter Show-Exportschlager unseres Nachbarlands. Mit dem am 1. Oktober 2019 verstorbenen Star war sie nicht nur künstlerisch verbunden. Beide verband laut Vondrácková auch eine enge Freundschaft. Gemeinsame Tourneen unter anderem durch Deutschland, die USA und Australien schweißten offenbar zusammen. So war Helena Vondrácková auch eine der Letzten, die Karel Gott vor dessen Tod in seiner Prager Villa besuchten. Da war der 80-Jährige nach den Worten der Sängerin schon von seiner Krankheit gezeichnet, konnte kaum noch gehen oder essen. Doch sie habe „Tschüss“ sagen wollen, was ihr nach all den Jahren wichtig gewesen sei.
„Eine wirkliche und authentische Verbindung“
„Karel war mein langjähriger enger Freund. Wir kannten uns seit den 60er-Jahren und standen weltweit gemeinsam auf der Bühne. Sehr oft sangen wir im deutschen Fernsehen, in West und Ost“, erinnert sich die Künstlerin, der man ihr Alter nicht ansieht. Sie spricht von unzähligen Duetten, der Tournee durch Australien und umjubelten Auftritten in der New Yorker Carnegie Hall. „Bis heute bin ich mit Karels Ehefrau (Ivana Gottová, Anm. d. Red.) befreundet und kenne alle seine Töchter. Es war also nicht nur eine Freundschaft unter zwei Künstlern, sondern eine wirkliche und authentische Verbindung“, so Helena Vondrácková, die unter anderem deutsch und englisch spricht.
In Deutschland sei Karel Gott vor allem als Schlagersänger bekannt gewesen. Viele legten ihn auf den Titelsong der Zeichentrickserie „Biene Maja“ fest. In Tschechien und der Ex-Tschechoslowakei war der Prager dagegen ein Nationalheld und auch in anderen Ländern als vielseitiger Künstler abseits des reinen Schlagers geschätzt, betont Karel Gotts frühere Gesangspartnerin. Wenn man so will, habe der Sänger drei komplett unterschiedliche parallele Karrieren hingelegt: eine tschechische (tschechoslowakische), eine deutsche sowie eine internationale Laufbahn. So kommt es, dass Karel Gotts deutscher Hit „Babicka“ in Tschechien nahezu unbekannt ist. Aus heutiger Sicht ebenso erstaunlich: Zunächst etablierte sich der Musiker in Westdeutschland, erst danach in der mit der sozialistischen Tschechoslowakei „befreundeten“ DDR. Karel Gott (letztes deutsches Album „Herr Gott nochmal“) bleibe für ihr Land einzigartig, lächelt Helena Vondrácková.
Dass sie selbst bis heute auf der Bühne steht, hätte sie sich niemals träumen lassen, so die gefragte Sängerin. Dabei war an ihren heutigen Beruf anfangs nicht zu denken: „In meiner Jugend hatte ich es noch nicht richtig gefühlt, dass ich einmal Sängerin sein könnte.“ Zunächst sah es eher nach einem Musikstudium aus. In ihrer Jugend habe sie auch gern getanzt, Sport getrieben und fremde Sprachen gelernt. Doch der Gesang begleitete die junge Helena auf allen Wegen.
Das war auch ihrem Vater nicht entgangen, der seine Tochter Mitte der 60er-Jahre beim Wettbewerb „Wir suchen neue Talente“ (vergleichbar mit dem heutigen „Deutschland sucht den Superstar“) anmeldete. „Diesen Wettstreit gewann ich. Er war der Auslöser für alles, was danach kam.“ Solo- und Orchestertourneen führten die Sängerin unter anderem nach Japan, Brasilien, Kanada sowie in die Sowjetunion – für eine Tschechoslowakin, Anfang 20, war das eine kleine Sensation.
Doch Helena Vondrácková blieb immer auf dem Teppich, was ihr auch die Zuneigung eines großen DDR-Publikums einbrachte. „Mein allererster Auftritt im DDR-Fernsehen war 1966 in der Sendung ‚Ein Koffer voll Musik‘, unter anderem mit den legendären Puppenfiguren Hurvinek & Spejbl und ihren damaligen Sprechern“, blickt Vondrácková zurück. Bekannt machten sie in Ostdeutschland auch Duette mit Landsmann Jiri Korn („Ich such‘ die Yvetta“). „Als Paar waren wir sehr gefragt, weil wir nicht nur sangen und tanzten, sondern auch steppten, was damals im europäischen Showgeschäft ziemlich selten war.“ Oft trat sie mit Frank Schöbels Band ETC auf. Dem populären Schlagersänger sei sie von allen ostdeutschen Interpreten am meisten verbunden, so Vondrácková.
Rund 100 Alben veröffentlichte die Sängerin
Bis heute besuche sie gern Berlin, wo auch Schöbel lebt. Bei Events und Shows sehe man sich hin und wieder. „Ich liebe Berlin, auch weil ich dort häufig Gast war, beispielsweise im Friedrichstadtpalast. Dank der Tatsache, dass mein erster Ehemann ein deutscher Musiker war (Gruppe Kreis, Anm. d. Red.), wohnte ich damals sogar in Berlin.“ Bis heute hat Helena Vondrácková in der Bundeshauptstadt viele Freunde, wie sie sagt. Mit ihnen besucht sie gern Konzerte, wie 2019 den Auftritt von Cher. Von den deutschen Städten mag sie auch Hamburg, betont die Sängerin. Hier nahm sie schon früh beim Musiklabel Polydor Singles auf. Nichts gehe jedoch über Prag, ihre Heimatstadt: „Es reicht, wenn man sich umschaut und ein paar Schritte geht. Man findet immer Interessantes, an dem man einfach nicht vorbeigehen kann“, so die Entertainerin mit eigenem Hausboot auf der Moldau.
Doch nochmal zurück nach Deutschland, wohin die Künstlerin noch immer einen guten Draht hat. Mit Vladimir Slezak vom Cantus-Chor sei sie ebenfalls eng befreundet. Der gebürtige Tscheche besucht Helena Vondrácková und deren 13 Jahre jüngeren Ehemann (und Manager) Martin Michal umgekehrt auch in Prag. Andere deutsche Kollegen treffe sie vor allem bei TV-Shows des Senders MDR. „Wir haben uns jedes Mal viel zu erzählen, und es wird viel gelacht“, sagt die Frau, die sich mit Tennis und Gartenarbeit fit hält. Dass sie Humor hat, merkt jeder, der mit ihr spricht. Beispielsweise, wenn sie über einen Eierschneider berichtet, den sie in der DDR erwarb. „Den habe ich noch immer, weil ich seither nie mehr einen solchen Eierschneider fand, der das Ei in sechs Teile schneidet. Es gibt andere Eierschneider, die das Ei in sechs Teile schneiden – aber der aus Ostdeutschland schneidet ihn sozusagen in sechs Monde“, schmunzelt die Tschechin, die in ihrer Karriere auf 100 Alben rund 1.500 Songs sang und 1983 die TV-Show „Ein Kessel Buntes“ präsentierte. Ein weiteres DDR-Unikum habe ihr die frühere Schwiegermutter geschenkt: „Das hieß ‚Flotte Lotte‘, ein Küchengerät zum Passieren von Gemüse und Früchten. Auch die ‚Flotte Lotte‘ habe ich noch.“
Bleibt die letzte Reporterfrage nach Unterschieden beim Publikum: Deutsche und Tschechen seien sich sehr ähnlich, nämlich eher ruhig. Japaner sind noch ruhiger, Brasilianer dagegen fröhlich und temperamentvoll. „Das gilt auch für Polen und Slowaken“, sagt die sympathische und taffe Helena Vondrácková.