Die Gegensätze auf dem Wolfsweg könnten kaum größer sein: Im Merziger Kammerforst erklingt schaurig-schönes Wolfsgeheul, und später auf dem Klosterberg im Garten der Sinne herrscht atemberaubende Stille. Dazwischen wandert man auf schattigen Waldwegen, über bunte Blumenwiesen und genießt weite Ausblicke ins Saartal.
Drei graue Wölfe schleichen auf leisen Pfoten am Zaun entlang, als wir uns zum Start am Kammerforst einfinden. Plötzlich streckt einer der „Grauen“ seinen Kopf fast kerzengerade nach oben. Ein langer Heulton zieht durch den Forst. In anderen Gehegen wird der Ton aufgenommen und erwidert. Die Luft ist erfüllt von Wolfsgeheul. Gut, dass die Zäune hoch genug und stabil sind, schießt es mir durch den Kopf. Einige Fotoschnappschüsse entstehen. Mitten durchs Wolfsgehege machen wir uns auf den Weg. Wenn man Glück hat, kann man einige Wölfe erspähen. Hinter dem Gehege folgen wir der Markierung durch den Wald, überqueren die Straße, die von Merzig zum Kreuzberg führt. Für lange Zeit bietet uns der Mischwald reichlich Schatten, es geht eine Zeit lang stetig nach oben. Doch dann biegt die Wegführung scharf nach rechts und bergab über schmale Pfade und etliche Treppenstufen. Der Weg oberhalb der Grätschlucht ist schummrig. Nur wenig Licht dringt durch. Hoffentlich ist keiner der Wölfe ausgebüchst. Rinnsale durchziehen den Hang, urwaldähnliche Waldbilder, wohin man schaut.
Der Weg geht mitten durch eine Apfelplantage
Es dauert eine Weile, bis wir den Wald verlassen. Zunächst durchwandern wir eine Waldschneise. Über einen verwunschenen, fast zugewachsenen Pfad verläuft der Weg schräg am Hang. Dann öffnet sich der Wald gänzlich, eine alte Streuobstwiese breitet sich vor uns aus. Der Duft von Wiesenkräutern und unzähligen Wiesenblumen durchströmt die Luft. Leicht bergan stehen wir dann im gleißenden Sonnenlicht mitten in einer herrlich blühenden Wiesenlandschaft. Eine Traumkulisse: Unzählige Farbtupfer leuchten auf den Wiesen, dazwischen Hecken und Büsche.
Unter uns im Tal die ersten Häuser von Merzig, weit vor uns, über dem Saartal, der Kirchturm und die Häuser von Orscholz, und linker Hand liegt Nohn. Auf einer Bank genieße ich diese wunderbare Aussichtfür einige Augenblicke.
Es geht leicht bergab. Dann ein interessantes Hinweisschild, denn der Weg führt mitten durch eine Apfelplantage. Noch nie bin ich bei einer Wanderung mitten durch eine Obstbaumplantage gewandert. Aber hier ist es eindeutig: Der Weg führt geradeaus, links und rechts wachsen die Apfelbäume. Wenn wir die Plantage verlassen, öffnet sich der Blick ins Saartal und das Merziger Becken. Unter uns liegt Besseringen und weiter hinter dem Fluss Schwemlingen. Auf einer Sinnesbank kann man diesen Blick länger genießen. Bis zum „Garten der Sinne“ sind es nur noch wenige Minuten. Auf 32.000 Quadratmetern sind hier von Hecken eingerahmte Gartenzimmer entstanden. Die Zeit scheint still zu stehen. Neben der außerordentlichen Pflanzenwelt findet der Besucher verschiedene Themenbereiche, einen Duftgarten, einen Tastgarten und einen Klanggarten, außerdem einen Barfußgarten und ein Labyrinth. Die Farbkompositionen in den Farbzimmern kann man auf den Bänken der Ruhezonen auf sich wirken lassen. Im Bistro des Gartens versorgen wir uns mit Getränken und genießen auf der Außenterrasse wunderschöne Gartenbilder. Vom Traumgarten zurück in die Traumlandschaft. Bevor wir wieder in den Wald eintauchen, durchwandern wir das Hochplateau des Klosterbergs, passieren einige Schrebergärten, durchwandern auf schmalem Pfad eine alte Obstplantage und eine offene Wiesenlandschaft. Nachdem wir den Wald erreicht haben, bleibt es schattig bis zum Wolfspark. Die weitläufige Waldlandschaft bringt uns über Forstwege und schmale Wegführungen mal bergauf, mal bergab zurück zum Ausgangspunkt. Die Wölfe dösen im Sommersonnenlicht. Das Heulen ist verstummt.
Werner Freund (1933-2014) hatte 1977 mit Unterstützung der Stadt den Werner-Freund-Wolfspark errichtet, der für Besucher kostenlos zugänglich ist.
Barfußgarten, klanggarten und ein Labyrinth
Fast 40 Jahre beschäftigte sich Werner Freund mit Verhaltensforschung bei Wölfen, wurde „Wolf unter Wölfen“, wurde Leitwolf der Merziger Rudel. Über 70 Wölfe hat Freund in verschiedenen Wolfsrudeln aufgezogen. Er schrieb mehrere Bücher über ihr Verhalten, darunter „Wolf unter Wölfen.“
Das erste Gehege wurde 1977 durch Werner Freund errichtet. Die Grundidee basiert auf der Lehre von Konrad Lorenz, der als Hauptvertreter der klassischen, vergleichenden Verhaltensforschung (Ethologie) gilt. Das enge Zusammenleben mit Wölfen ist die Grundlage zur intensiven Verhaltensbeobachtung. Der Wolfspark ist in seiner Form einzigartig, da hier Wölfe aus vielen Teilen der Erde leben und in ihrem unterschiedlichen Verhalten erforscht und verglichen werden können. Die Wölfe leben so natürlich wie möglich.
Zur besseren Beobachtung und Versorgung haben die Wölfe nur zu wenigen Menschen als Bezugspersonen direkten Kontakt. Zurzeit leben 17 Wölfe im Park, in den verschiedenen großflächigen Gehegen finden sich Timberwölfe, Schwedische Wölfe, Mongolische Wölfe, Litauische Wölfe und Polarwölfe. Die Wölfe locken jährlich fast 100.000 Besucher in den Kammerforst.
Noch zu seinen Lebzeiten hat Werner Freund Tatjana Schneider als seine Nachfolgerin bestimmt, damit seine Lebensarbeit fortgesetzt wird. Über 20 Jahre haben sie gemeinsam in Merzig gearbeitet. Seit seinem Tod im Jahr 2014 hat sie die Leitung im Wolfspark übernommen.
Weitere Informationen zum Park findet man unter: www.merzig.de