Die Turner wollen nach 1981, 1982 und 2012 endlich wieder Deutscher Meister werden. Nach langer Corona-Zwangspause starteten die Saarländer mit zwei Siegen in die verkürzte Saison 2020. Spannend bleibt, wann es zum Giganten-Duell mit dem KTV Straubenhardt kommt.
Ein Bein ist schon drin, der Rest kann am Samstag, 17. Oktober, nachziehen. Dann nämlich turnt der saarländische Kunstturn-Bundesligist TG Saar beim TuS Vinnhorst um den Einzug ins Halbfinale und um den Sieg in der Gruppe B. Der Auftakt in die verkürzte Saison hätte nicht besser laufen können: Ihren ersten Wettkampf gewann die TG deutlich mit 65:18 beim StTV Singen.
Auch den zweiten von drei Gruppenkämpfen konnten die Saarländer für sich entscheiden und dabei auch noch eine alte Rechnung begleichen: Der 49:22-Erfolg in der heimischen Kreissporthalle Dillingen gegen den TV Wetzgau mit Nationalturner Andreas Toba war nämlich auch eine Revanche für die 30:44-Niederlage ein Jahr zuvor an gleicher Stelle.
Normalerweise brauchen die Mannschaften der Kunstturn-Bundesliga sieben Wettkampftage und ein großes Finale, um ihren Deutschen Meister zu ermitteln. Aufgrund der Corona-Pandemie ist aber auch hier alles anders. Für die Saisons 2020 und 2021 wurde die Liga in zwei Staffeln mit je vier Teams aufgeteilt. Die Erst- und Zweitplatzierten kämpfen nach der Gruppenphase jeweils um den Einzug in das Finale. Absteiger wird es ausnahmsweise keine geben. „Wir haben versucht, alle Termine unter einen Hut zu bringen“, erklärt Thorsten Michels. Der Vorsitzende des Turn-Bundesligisten TG Saar spielt damit auf den vollen Wettkampfkalender seiner Schützlinge bis zu den Olympischen Spielen 2021 in Tokio mit Deutschen Meisterschaften, Weltcups, Welt- und Europameisterschaften an. „Das wird jetzt so durchgezogen“, sagt Michels, der fest davon überzeugt ist, dass die TG Saar auch in der verkürzten Liga eine Hauptrolle spielen kann: „Wir wollen ins Finale“, stellt er klar. Am liebsten als Staffelsieger.
Mit einem Bein im Halbfinale
Durch den zweiten Sieg im zweiten Wettkampf haben sich die Saarländer eine hervorragende Ausgangsposition für den Sieg in Gruppe B geschaffen. Als Gruppensieger, so hofft man bei der TG, könnte man dem Topfavoriten KTV Straubenhardt mit Marcel Nguyen im Halbfinale aus dem Weg gehen. „Straubenhardt hat einfach einen exzellent besetzten Kader. Um die unter Druck setzen zu können, müssen wir Fehler vermeiden. Die werden sofort bestraft“, weiß TG-Chef Thorsten Michels: „Nur deshalb sind wir in den letzten Duellen gescheitert. Wir haben es nicht geschafft, einen perfekten Wettkampf zu zeigen. Straubenhardt ruft in solchen Momenten einfach voll ab.“ Aber: Nach der überraschenden 30:35-Niederlage beim Siegerländer KV wurde der für Samstag geplante Heimkampf des KTV abgesagt. Ein Teil der Mannschaft von Gegner SC Cottbus war unter Quarantäne gestellt worden, da es im Umfeld einiger Turner einen bestätigten Corona-Fall gegeben hatte. Noch ist unklar, wie die Deutsche Turnliga mit dieser Situation umgeht.
Unklar ist zudem, ob die Revanche gegen Wetzgau auch gelungen wäre, wenn die Gäste in Bestbesetzung angetreten wären. Wegen erschwerter Einreisebedingungen durch die Corona-Pandemie mussten die Gäste ohne ihre leistungsstarken Ausländer wie Vizeweltmeister Artur Dalaloyan aus Russland antreten. Allerdings muss die TG Saar aus dem gleichen Grund derzeit auf Weltmeister Nikita Nagornyy verzichten. In beiden Kämpfen war so Mehrkampf-Star Oleg Verniaiev, übrigens WM-Dritter von 2019, der dominierende Turner. Und das ohne maximal spektakuläre Übungen: „Das wollten wir genauso haben. Unser Ziel war ein stabiler Wettkampf, und den hat er geliefert. Er kann natürlich mehr, aber er sollte sich nicht kaputt machen“, sagte TG-Cheftrainer Eugen Spiridonov nach dem Heimsieg gegen Wetzgau und betonte: „Es ist wichtiger, dass er im Finale noch ein paar Prozentpunkte drauflegen kann.“
Das erhofft sich Spiridonov auch von Felix Remuta: „Er muss etwas mehr Gas geben. Am Boden hat er sehr starke Leistungen abgeliefert, aber wenn er mit Blick auf Olympia ein guter Mehrkämpfer werden will, muss er an den anderen Geräten noch eine Schippe drauflegen“, weiß der Mehrkampf-Europameister und WM-Dritte von 2010. Remuta weiß das auch und erklärt: „Das ist sicher auch dem geschuldet, dass wir jetzt erst den zweiten Wettkampf geturnt haben und mein letzter Wettkampf schon ziemlich genau ein Jahr zurückliegt, und ich noch nicht wieder ganz drin bin.“ Die lange Corona-Zwangspause hat ihre Spuren hinterlassen. Trotzdem: Beim TuS Vinnhorst soll der Gruppensieg perfekt gemacht werden. „Wir wollen dort gewinnen“, stellt Remuta klar, betont aber auch: „Vinnhorst hat eine gute Mannschaft. Nicht jeder Aufsteiger schafft es, sich in der Bundesliga zu etablieren. Das ist sogar eher selten und zeigt, dass sie hier und da auch gute Qualität besitzen.“
„Wir brauchen volle Konzentration“
Seine Qualität konnte auch der einzige TG-Neuzugang Stefanos Tsolakidis schon andeuten. Dem 20-jährigen gebürtigen Griechen mit deutscher Staatsbürgerschaft schreiben die Verantwortlichen großes Talent zu. „Er ist noch ziemlich jung und konnte sein Potenzial in Griechenland noch nicht voll ausschöpfen. Dort gibt es nicht so viele Wettkämpfe und beispielsweise auch keine Sprunggruben“, erklärt Eugen Spiridonov, „Deshalb konnte er dort keine schwereren Sprünge ausprobieren.“ An der Sportschule in Saarbrücken, wo die Bundesligaturner trainieren, ist das möglich. „Er hat auch schon schwerere Elemente drauf, aber es ist noch zu früh, die zu zeigen. Er braucht noch etwas Zeit und vor allem Wettkampferfahrung.“ Im Moment profitiert er auch von der Erfahrung seines Onkels und Trainers Vasileios Tsolakidis, einst Vizeweltmeister am Barren.
„Wenn wir so turnen wie in den ersten beiden Wettkämpfen und schon bei den ersten Geräten einen großen Vorsprung herausarbeiten, werden wir gewinnen“, ist Felix Remuta sicher. Sein Trainer kann ihm da nur beipflichten, appelliert aber auch an seine Schützlinge, den Gegner ernst zu nehmen: „Wir brauchen volle Konzentration und müssen von Anfang bis Ende Gas geben, und dann schauen wir mal, was dabei rauskommt“, sagt Spiridonov.
Was herauskommen soll, ist der Einzug ins Halbfinale, das am 21. November wohl in Dillingen ausgetragen wird. Weil die TG in der Gruppenphase nur einen Heimkampf absolvieren durfte, bekäme sie gegen Straubenhardt oder den Siegerländer KV (je zwei) das Heimrecht zugesprochen. Bei gleicher Anzahl an Heimkämpfen wird das Heimrecht ausgelost. Wie wichtig das Heimrecht sein kann, deutete sich gegen Wetzgau an – obwohl gemäß des Hygienekonzepts nur gut 100 Zuschauer in die Halle durften: „Die Unterstützung der Fans war schon toll“, sagte Spiridonov.