Effizienz im Service heißt, den Kunden zufriedenzustellen, und dies auch so schnell wie möglich – in durchschnittlich sechs Minuten. Die Telekom bricht mit diesem Paradigma, sagt Ferri Abolhassan, Geschäftsführer Service der Telekom Deutschland und damit unter anderem Chef der Service- und Callcenter des Telefonriesen.
Herr Dr. Abolhassan, mit der Lockdown-Phase erlebte die Telekommunikation ihre Renaissance. Dazu kam das geballte Surfen im Internet, Streamen und Zocken. Wie kam die Telekom mit dieser Auslastung zurecht?
Die Corona-Zeit war tatsächlich eine echte Belastungsprobe für unsere Netze: Die Festnetztelefonate haben um 100 Prozent zugenommen, Mobilfunk um 75 Prozent und häufig haben wir bis zu 70.000 Videocalls gleichzeitig gemanagt. Aber sind deshalb irgendwelche Videokonferenzen, Telepräsenzen oder Meetings nicht zustande gekommen? Nein! In der Schweiz war das beispielsweise der Fall, da sind die Netze zusammengebrochen. Auch in Frankreich und Lettland war nichts an Kommunikation. Dabei war es Deutschland, das im Vorfeld gerne als Infrastrukturwüste beschimpft wurde. Da hat uns Corona aber eines Besseren belehrt.
Was hat die Telekom richtig gemacht?
Wir haben schon im Vorfeld einiges richtig gemacht: Zum einen haben wir nicht nur in Glasfaser investiert – dabei stecken wir allein in Deutschland jährlich fünf Milliarden Euro in unsere Infrastruktur – sondern auch in das, was heute gebraucht wird – und das ist Kupfer. Mittlerweile versorgen wir über 70 Prozent aller Haushalte mit 100 Megabit und mehr, auch hier im Saarland. Das ist sehr viel, selbst für eine Großfamilie. Trotz der großen Auslastung – angenommen die ganze Familie ist gerade online und streamt, telefoniert oder surft im Internet – blieben noch Restkapazitäten.
Neben der Technik hat sicher auch Ihr Service eine Rolle gespielt?
So ist es. Wir haben schon sehr früh damit begonnen, unsere rund 7.000 Mitarbeiter im Außendienst mit Masken, Desinfektionsmitteln und anderem auszustatten. Allein bei uns im Service verbrauchen wir jeden Monat 1,6 Millionen Masken. Denn unsere Techniker sind auch in der Hochphase von Corona gut 30.000-mal am Tag raus zu unseren Kunden gefahren, um Anschlüsse und Produkte wie Router oder Magenta-TV zu installieren oder zu entstören. Wir betreiben nun mal eine kritische Infrastruktur aus Festnetz, Mobilfunk und Internet. Darum waren wir auch während des Lockdowns weiterhin für unsere Kunden da.
Hinzu kam die Umstellung unseres Innendienstes: Innerhalb von nur drei Tagen haben wir 16.000 Menschen ins Homeoffice geschickt. Das war für uns ein riesiger Kraftakt. Es ging nicht nur darum, die Mitarbeiter mit Rechnern zu versorgen, sondern auch unser zentrales Routing umzustellen. Wir haben unseren Kunden sozusagen aus 16.000 privaten Servicecentern geholfen, anstatt wie zuvor nur 50 Standorte zu steuern. Nur weil wir schon sehr früh angefangen haben, unsere Leute – das Pilotprojekt startete mit 2.000 Mitarbeitern – versuchsweise aus dem Homeoffice arbeiten zu lassen, ist das so gut gelaufen.
Vor wenigen Wochen kürte das Fachmagazin „Connect“ die Deutsche Telekom zum Testsieger der „Festnetz-Hotlines“. Vor allem in puncto Beratungsqualität sei die Telekom „über sich hinausgewachsen“, hieß es in der Begründung der Jury. Wie haben Sie es geschafft, den Servicebereich in der Corona-Zeit so umzukrempeln?
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, schließlich sind wir noch längst nicht fertig mit der Transformation des Services. Vielmehr werden wir uns solange neu erfinden, bis jeder einzelne Kunde von uns begeistert ist. Aber zurück zu den letzten drei Jahren, in denen wir unseren Service neu definiert haben: Bei der Entstehung der Callcenter-Ära, Ende der 70er Jahre, ging es hauptsächlich darum, zu verkaufen. In dieser Zeit wurde auch die sogenannte Call-Handling-Time erfunden. Damit wird die Zeit bemessen, die ein Telefonat mit einem Kunden durchschnittlich dauern darf, um möglichst effektiv zu sein. Der Richtwert lag dabei bei mindestens zehn Calls pro Stunde. Alle sechs Minuten mussten die Agents einen neuen Kunden am Apparat haben, weil jede in der Hotline überschrittene Minute für das Unternehmen zum Kostenfaktor wurde. Das hatte logischerweise zur Folge, dass die Agents ihre Calls möglichst schnell abwickeln mussten oder einfach an ihre Kollegen weitergeleitet haben, um den nächsten Kunden aufzufangen. Effizienz stand in dieser Zeit weit über der Kundenzufriedenheit. Man leistete sich nur so viel Service wie nötig. Wir haben damit gebrochen und neue Paradigmen geschaffen. Bei uns stehen Kundenexzellenz und Kundenbegeisterung an erster Stelle. Damit haben wir nicht nur den Servicegedanken neu definiert, sondern gleichzeitig auch den Absatz unseres Unternehmens nachhaltig gesteigert.
Was bedeutet das, Sie haben neue Paradigmen geschaffen?
Ein Kunde, der ein Problem hat, und nach sechs Minuten Telefongespräch abgewürgt wird, ruft erneut an. Das liegt logischerweise daran, dass sein Problem weiterhin besteht. Was soll er anderes machen, als erneut zum Hörer zu greifen und anzurufen? Er wird vielleicht sauer sein, wenn er zum zweiten oder dritten Mal anrufen muss, aber er wird sich solange melden, bis sein Problem behoben ist. Also haben wir uns gefragt: Wenn der Kunde im Schnitt dreimal anrufen muss, bis seine Störung behoben wird, wäre es dann nicht viel sinnvoller, diese unnötige Call-Handling-Time zu streichen? Und das haben wir auch getan. Wir geben unseren Mitarbeitern die Zeit, die sie brauchen, um das Anliegen unserer Kunden zu lösen. Eben möglichst im ersten Kontakt. Unsere Kunden sind zufriedener und wir konnten somit auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigern. Unsere Berater sind damit keine Agents in einer Legebatterie mehr, sondern Unternehmer. Trotzdem sind wir noch lange nicht am Ziel. Vielmehr sind wir gerade dabei, unseren Service noch radikaler zu vereinfachen. Das bedeutet auch, dass die Prozesse schlanker werden. Gleichzeitig wollen wir noch näher an unsere Kunden rücken und die Fachlichkeit unserer Mitarbeiter weiter steigern.
Ein Thema, das Sie auch in Ihrem neuen Buch „Superkraft Mensch“ aufgegriffen haben. Warum?
Das stimmt. Der Titel „Superkraft Mensch“ spielt übrigens auf den Beststeller der Technologiebranche „AI Superpowers“ an. Dieser Kassenschlager plädiert dafür, dass sich alles nur noch um Künstliche Intelligenz drehen sollte. Unser Buch nimmt da eine konträre Haltung ein: Die Callcenter-Ära mit alleinigem Fokus auf Effizienz war ein Irrweg. Service ist wichtiger denn je. Damit rückt auch der Mensch wieder in den Mittelpunkt. Natürlich muss man die Technologie beherrschen – das ist keine Frage – aber nur, um diese zur Unterstützung des Menschen einzusetzen. Dazu habe ich einen Leitspruch entwickelt: Digital denken, empathisch lenken. Nur so kommt man im Service zum Erfolg.
Und was ist Ihre persönliche Superkraft?
Das ist die Energie! Da habe ich wirklich Glück gehabt, dass ich von Haus aus viel Energie besitze. Die übertrage ich gern auch auf meine Mitarbeiter und andere Menschen. Denn bester Service ist immer ein Teamerfolg, das kann einer allein nicht schaffen – egal, wie viel Energie er hat.