Auf Corona war niemand wirklich vorbereitet. Jetzt gilt es, die richtigen Konsequenzen in allen Bereichen zu ziehen, sagt Hartmut Ostermann. Der Chef der Victor’s Group über die Lehren aus der Pandemie, die Bundestagswahl im nächsten Jahr und zehn Jahre FORUM – Das Wochenmagazin.
Herr Ostermann, die Corona-Pandemie hat zwei unterschiedliche Seiten unserer Gesellschaft gezeigt. Die enorme Hilfsbereitschaft insbesondere zu Beginn und jetzt zum Teil extreme Unvernunft. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
Ich würde die Beobachtungen etwas relativieren. Wenn man sich die Zahlen anschaut, dann spricht dafür, dass die meisten Menschen dem, was die Regierung sagt und was Experten empfehlen, was man tun sollte, bereit sind zu folgen. In Umfragen sagen etwa 80 Prozent, dass die Entscheidungen der Regierung genau richtig sind. Dann gibt es zehn Prozent, die meinen, man müsste mehr machen, weil das, was gemacht wird, zu wenig ist. Und zehn Prozent meinen, dass das alles Quatsch ist. Ich glaube, dass man sich in der veröffentlichten Meinung etwas zu sehr auf diese zehn Prozent konzentriert. Man muss die Maßnahmen nicht alle für gut halten und kann unter den gegebenen Umständen auch dagegen demonstrieren. Aber wenn die Demonstrationen von Rechten und einigen anderen Gruppen, die extreme Corona-Leugner sind, durchsetzt sind, muss man da nicht unbedingt mitmarschieren. Das ist alles nicht sonderlich klug. Aber irgendwo fehlt da was, mehr kann man eigentlich dazu nicht sagen.
Noch einmal zu der großen Hilfsbereitschaft zu Beginn der Pandemie. War das auch ein Zeichen dafür, dass doch mehr an sozialer Grundeinstellung in der Gesellschaft vorhanden ist, als man es zuvor im Alltag vermutet hätte?
Ich denke, es ist typisch für Krisenzeiten, dass die Gesellschaft dann enger zusammenrückt und große Hilfsbereitschaft zeigt. Es gab ja auch eine breite Unterstützung für alle Maßnahmen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Es ist auch viel, viel Geld in die Hand genommen worden. Wobei ich sagen muss, vielleicht an manchen Stellen auch zu wenig. Gerade bei den Einzelkämpfern, den Selbstständigen, die heute noch sehr große Probleme haben. Und bei Künstlern ist es ganz extrem, da wirken die Maßnahmen praktisch wie ein Berufsverbot. Für Beschäftigte gibt es die Kurzarbeit, etwas Analoges hätte man auch entwickeln müssen für die Selbstständigen, damit die zumindest ihre Lebensgrundlage gesichert haben. Es ist ja nicht so, dass die Krise kurzfristig vorbei wäre, das wird nicht der Fall sein. Deshalb muss man dort nachbessern und darf den Leuten nicht einfach sagen: Du kannst Grundsicherung beantragen. Das geht nicht, zumal das Geld ja nicht verloren ist, es bleibt im Kreislauf. Ansonsten ja: Die Hilfsbereitschaft ist in Krisenzeiten da. Wenn es den Menschen wieder gut geht, dann kümmert sich jeder wieder um sich selbst.
Die Krise ist tatsächlich nicht vorbei, die Zahlen steigen wieder, nicht ganz unerwartet. Damit gibt es auch wieder die alte Diskussion: einerseits die Forderung nach mehr einheitlichen Regelungen, andererseits die, mehr vor Ort abhängig von der konkreten Situation zu machen. Gibt es einen vernünftigen und nachvollziehbaren Mittelweg?
Eigentlich haben wir einen Mittelweg beschritten. Nach dem Bundesseuchengesetz kann Minister Spahn sehr viel einheitlich für die ganze Republik regeln. Die Kanzlerin hat das sehr stark unterstützt, auch Bayerns Ministerpräsident Söder hat das stark unterstützt. Andere waren dann aus welchen Gründen auch immer nicht bereit, diesen harten Kurs mitzuvollziehen. Damit ist das dann ein Stück weit aufgeweicht worden.
Gesundheitsämter hatten zu Beginn, und haben auch heute wegen fehlendem Personal, immer noch nicht perfekt die Möglichkeit, Infektionsherde nachzuvollziehen und konsequent stillzulegen. Deswegen gibt es auch ein paar Grundregeln, die auf jeden Fall eingehalten werden sollen. Welche Einschränkungen es zusätzlich geben muss, wie zum Beispiel Masken tragen, hängt dann auch von den Örtlichkeiten ab. In München beispielsweise am Viktualienmarkt sind die Leute eng beieinander, da wird dann auch morgens schon Frühschoppen gemacht. Das kann man zulassen und das Risiko eingehen, dass es zu Infektionen kommt – oder man schränkt es ein. Also: Das ist mehr von der Örtlichkeit abhängig. Da sind eigentlich die Gesundheitsämter gefragt.
Gleichzeitig werden aber immer mehr Länder pauschal zu Risikogebieten erklärt. Können Sie die Verärgerung dort nachvollziehen?
Das bringt natürlich Verunsicherung und trifft die ganze Tourismusbranche enorm. Was sind Risikoländer? Da bist du irgendwo unterwegs, und dann wird das Gebiet von Gelb auf Rot geschaltet, also zum Risikogebiet erklärt, und du weißt nicht, was du machen sollst. Nun sind beim Robert-Koch-Institut Experten, die das mit Sachverstand prüfen und sich auch fragen, ob solche Maßnahmen notwendig sind. Aber dann sind wir natürlich auch schnell wieder dabei, dass man alles hinterfragen kann. Auch das, was von Experten kommt.
Mit der Krise hat man plötzlich entdeckt, dass bestimmte Berufsgruppen „systemrelevant" sind, wie beispielsweise die Pflege. Was folgt aus dieser Erkenntnis?
Es hat zunächst mit der Erkenntnis angefangen, dass niemand wirklich auf diese Pandemie vorbereitet war, obwohl es aus dem Jahr 2012 eine Bundestagsdrucksache gibt, die diese Pandemie eigentlich in all ihren Facetten beschreibt und auch, wie man sich darauf vorbereiten sollte. Schutzkleidung ist dabei ein ganz wesentliches Thema. Die Realität konnte man dann an der Maskendiskussion ablesen. Am Anfang hieß es, Masken schützen nicht wirklich, sind eher ein Placebo, und die Gefahr besteht, dass sich Leute dann zu sicher fühlen. In Wirklichkeit waren keine Masken da. Wenn man eine Maskenpflicht hätte anordnen wollen, hätte niemand Masken bekommen. Dann ist man auf die Idee mit den Alltagsmasken gekommen. Das ist besser als nichts, aber natürlich nicht so sicher wie eine medizinische Maske. Also die Vorbereitung war nicht sehr gut. Der nächste Punkt betrifft die Leute, die in diesem Bereich arbeiten. Da haben sich doch einige infiziert, weil sie nicht die richtige Schutzausrüstung hatten. Wir haben sehr schnell und sehr früh reagiert. Manchmal hat Größe auch Vorteile. Wir haben unsere Leute schnell mit Schutzkleidung und Masken versorgt und konnten teilweise auch etwas an andere kleinere ambulante Dienste weitergeben. Mein dringender Appell ist also, Schutzkleidung zu besorgen, damit wir nicht wieder so dastehen wie im März. Das gehört auch zur Wertschätzung des Personals.
Es sind aber auch grundlegende strukturelle Probleme deutlich geworden.
Was nicht gut war, ist, dass man mit Einführung der DRGs (Fallpauschalen-Abrechnungssystem, Anm. d. Red.) vor allem in Krankenhäusern zu sehr den Schwerpunkt auf die Ärzte gelegt hat und viel zu wenig auf das Pflegepersonal. Dort hat man zu stark abgebaut, und das hat sich jetzt deutlich gezeigt. Es geht nicht nur um abstrakte Wertschätzung, die war immer schon da. Ich hoffe, dass alle wissen, dass man da jetzt deutlich mehr tun muss. Neben den bekannten Zielgruppen wie Krankenpfleger oder Altenpfleger gibt es natürlich noch eine Reihe anderer Gruppen, Hilfskräfte zum Bespiel, die unter vergleichbaren Bedingungen arbeiten. Die muss man dann miteinbeziehen.
Haben Sie den Eindruck, dass aus den Erkenntnissen die richtigen Konsequenzen gezogen werden?
Ich glaube schon, dass man aus der Situation Schlüsse zieht. In Gesundheitsämtern wird nachpersonalisiert, in Krankenhäusern und Pflegeheimen wird nachpersonalisiert. Aber dann kommen auch gleich die Einschränkungen. Man kann nur so viel nachpersonalisieren, wie auch Leute zur Verfügung stehen, und wenn man die ganze Zeit nicht oder zu wenig ausgebildet hat, fehlen ausgebildete Fachkräfte. Vielleicht hat man auch zu viel gejammert statt die positiven Seiten des Berufsbildes herauszustellen, dann hätte man vielleicht auch mehr qualifizierte Kräfte ausbilden und anwerben können.
Die Initiative „Proud to Care" war ja schon lange vor der Pandemie ins Leben gerufen worden, um diesem Missstand abzuhelfen. Hat das jetzt eine andere Wertigkeit bekommen?
Ich denke, gerade der Ansatz, dass die Pflegenden selbst positiv über ihren Beruf sprechen, ist noch wichtiger geworden. Gerade durch die Pandemie ist klar geworden, dass man junge Menschen möglichst frühzeitig darauf ansprechen und dafür begeistern muss. Die generalistische Ausbildung, die jetzt begonnen hat, ist weit fordernder als in der Vergangenheit und zeigt, dass man sehr viel Fachkenntnis braucht, es also ein anspruchsvoller und qualifizierter Beruf ist. Das war schon vorher klar. Insofern finde ich die Initiative von „Proud to Care" richtig, damit die jungen Leute da selbstbewusst mitmachen und sagen: Wir können viel und machen auch viel, und damit für die Pflegekräfte von morgen werben.
Die Pandemie hat jetzt aber auch gezeigt, dass in vielen Fachbereichen, etwa der Intensivmedizin, kein ausreichendes Personal da ist. Da wird jetzt auch nachgearbeitet. Das hängt auch mit der Spezialisierung von Krankenhäusern zusammen. Auch das ist eine schwierige Frage. Natürlich will möglichst jeder Bürgermeister sein Krankenhaus vor Ort behalten. Spezialisierung und dass jeder Bürgermeister sein Krankenhaus hat – das wird schwierig. Irgendjemand muss das auch noch bezahlen.
Die Pandemie und der Lockdown in vielen Ländern haben auch die Abhängigkeiten im globalen Wirtschaftssystem gezeigt. Welche Lehren lassen sich daraus ziehen?
Die weltweite Arbeitsteilung hat uns zu höherem Lebensniveau geführt. Auch die ärmeren Länder haben davon profitiert. Die Chinesen haben die letzten zehn, 15 Jahre so weit aufgeholt, dass sie jetzt die Amerikaner bekämpfen. Früher haben sie sich das Know-how bei uns auf irgendwelchen Wegen besorgt und ihren eigenen Markt weitgehend geschlossen. Wenn unsere Autoindustrie den Absatzmarkt China nicht hätte, würde sie ganz, ganz schlecht aussehen. Was in der Pandemie klar geworden ist: Wir sind nicht einmal in der Lage, Schutzkleidung zu produzieren. Das ist einfach nur peinlich. Schlimm finde ich, dass wir bei der Pharmazie total abhängig sind von Indien und China. Das geht überhaupt nicht. Wir wollten alles billig haben, haben die Produktion auf die billigeren Werkbänke verlegt, ohne sicherzustellen, dass wir selbst einen bestimmten, für die Gesundheit und die Volkswirtschaft wichtigen, Grundbestand produzieren können. Dass Produktion auch in anderen Ländern stattfindet, ist grundsätzlich gut, aber wichtige Dinge müssen wir auch selbst machen. Überspitzt gesagt: Wenn es zum Konfliktfall käme, würde man ja auch kein Militärgerät irgendwo leasen wollen, weil man selbst keins hat.
Dass im Lockdown die Wirtschaft stillgestanden hat, hat offenbar dem Klima gut getan. Lehrt uns das in den großen Klimadebatten mit Stichworten wie dem europäischen Green Deal oder Fridays for Future, das effektiver Klimaschutz nur in einer Art Lockdown geht?
Der Lockdown hat sicher etwas dazu beigetragen, dass Deutschland seine selbstgesetzten Klimaziele doch noch erreichen kann. Gezwungenermaßen. Kurzfristig hat das also Wirkung gezeigt. Aber grundsätzlich zum Thema Klimaschutz: Mir fehlt der Plan, der nicht nur aus einer Reihe von Einzelfragmenten besteht. Die Mission ist klar: Wir müssen CO2 stark reduzieren und damit die Folgen für Menschen und Tiere begrenzen. Auch der Umgang und der Respekt vor dem Tier spielt da eine Rolle. Es gibt Bilder über den Umgang mit Tieren, die will man gar nicht sehen. Da könnte man zum Veganer werden, was ich ungern möchte.
Aber zum Klima: Mir fehlt ein grundlegender Plan. Wo wollen wir hin, und was müssen wir dafür tun? Wollen wir etwa das Auto von der Straße verdrängen zugunsten der Fahrradfahrer? Für mich wirken die Diskussionen nach dem Motto: Man muss etwas machen, aber man weiß nicht so wirklich richtig was. Die Dänen haben beispielsweise dafür einen richtigen Plan, die Hauptstadt Kopenhagen gilt inzwischen mit seinem Konzept als weltbeste Fahrradstadt. So etwas geht nicht von heute auf morgen, aber es geht schneller als mancher denkt. Dazu muss man natürlich den notwendigen Rechtsrahmen schaffen. Und dann ist es vielleicht auch notwendig, Einspruchsmöglichkeiten zu reduzieren. Das gilt für viele Projekte, die Klimaschutz voranbringen sollen, Bau- oder Verkehrsprojekte oder die Stromtrassen von Nord nach Süd.
Stichwort Mobilität: Gehört die Zukunft den E-Autos?
Elektroautos können schon ein gutes Fahrgefühl erzeugen, auch wenn nur ein Waschmaschinenmotor drin ist. Das kostet natürlich richtig Arbeitsplätze, auch hier im Saarland. Wir haben noch die Hybridfahrzeuge als sinnvolle Übergangslösung. Aber selbst Markus Söder sagt: ab 2035 keine Neuzulassung von Verbrennern – ähnlich wie in Kalifornien. Man muss sicher ein Enddatum setzen, damit sich die Industrie darauf einstellt, dass es gemacht werden muss. Der Staat muss in solchen Fragen lenken – aber dann auch investierend eingreifen. Das kann man nicht dem freien Markt allein überlassen. Und bei der Infrastruktur geht es um Grundversorgung der Bevölkerung, und die muss der Staat gewährleisten.
Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Die SPD hat zumindest schon mal ihren Kanzlerkandidaten benannt. Was erwarten Sie von Olaf Scholz?
Aktuell sieht es nicht gut aus für die SPD, wenn es nach den Umfragen geht. Ansonsten sind seine Beliebtheitswerte ganz stabil, und ich denke, er hat gerade in der Pandemiezeit richtige Entscheidungen getroffen. Es gibt auch weniger richtige Entscheidungen. Ich denke an seine Zeit als Erster Bürgermeister und den G20-Gipfel in Hamburg (2017, Anm. d. Red.). Da gab es die Krawalle, und er hat sich in die Oper gesetzt und gedacht: Das kriegen wir schon hin. Helmut Schmidt hätte das so nicht gemacht. Wenn es in meiner Stadt Probleme gibt, muss ich auf der Straße oder im Einsatzzentrum sein. Nichtsdestotrotz hat er jetzt seinen Job als Bundesfinanzminister gut gemacht. Sein Vorteil wird sein, dass seine Chefin, Frau Bundeskanzlerin Merkel, nicht mehr antritt – Stand heute. Herr Scholz kann in dem Konzert mit Laschet, Merz und Röttgen ganz gut mithalten. Wer es dann von denen wird, wird man sehen. Man muss da auch noch Herrn Söder im Auge behalten, auch wenn der derzeit sagt, seine Aufgabe sei in Bayern. Aber die Aufgabe für Bayern sieht er sowieso, egal, ob er in München oder Berlin sitzt. (lacht)
Wer wird Anfang Dezember das Rennen bei der CDU machen?
Das wird interessant werden. Ich tippe doch ganz stark, dass Herr Merz gute Chancen hat. Die Merkel-Wähler werden ganz stark Laschet unterstützen, Herr Röttgen macht ein bisschen durcheinander. Für Merz spricht: Die CDU hat eine gewisse Sehnsucht, dass einer vorne steht, der sagt, wo es lang geht. Merz sagt das in deutlichen Worten, auch wenn er sich manchmal ein bisschen vergaloppiert und Sachen miteinander verbindet, die nichts miteinander zu tun haben. Ich denke an seine Aussagen auf die Frage, ob ein Schwuler Kanzler werden könnte sowie seine ergänzenden Ausführungen.
Aber hat er bei der umstrittenen Äußerung nicht den ganzen Zwiespalt der Union zusammengefasst?
Ja, das stimmt wohl.
Ist die Zukunft Schwarz-Grün oder Grün-Rot?
Sicher Schwarz-Grün. Rot-Grün würde schon mangels Masse nicht gehen, da müsste man die anderen Roten mit dazu nehmen. Frau Kipping (Noch-Bundesvorsitzende der Linken, Anm. d. Red.), macht ja einen ganz vernünftigen Eindruck. Aber es gibt Sachen wie die Friedenspolitik der Linken, die nicht gehen. Was Auslandseinsätze der Bundeswehr angeht: Kosovo, was auch die Grünen mitbeschlossen haben, war sicher notwendig. Afghanistan war nicht sehr erfolgreich. Aber es wird immer Situationen geben, in denen man eingreifen muss. Wenn ich etwa haben will, dass nicht noch mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, muss ich in den Ländern unterstützen, wo sie wohnen. Das ist dann vielleicht keine Aufgabe für Deutschland alleine, eher eine europäische Aufgabe. Also Rot-Rot-Grün wird schwierig, wenn man Weltpolitik machen muss, selbst wenn es zahlenmäßig reichen würde. Also geht wohl nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Bei Schwarz-Rot haben aber beide gesagt: Wir können uns nicht mehr sehen. Wenn wir diese Periode noch gemeinsam durchkriegen, ist es gut, aber dann reicht es.
Und die Liberalen sind raus?
Christian Lindner war als Generalsekretär besser als in der Funktion des Bundesvorsitzenden. Er hat die Liberalen stark in den Bundestag zurückgebracht. Was dann die Koalitionsverhandlungen zu Jamaika betrifft, kann ich ein Stück weit verstehen, dass er die verlassen hat, weil die Schwarzen eine Vorgehensweise haben, die sagt: Wir müssen die Grünen glücklich machen. Es sind alle um die Grünen herum gelaufen. Also hat Lindner gesagt: „Besser nicht regieren als schlecht regieren." Er hätte aber zeigen können, wie man gut regiert. Jetzt will er auf jeden Fall regieren, auch im Zweifel sozialliberal, oder wie in Mainz, wo der neue Generalsekretär Erfahrungen mit einer Ampelkoalition (SPD, FDP, Grüne) macht.
Vom Zustand der Politik zum Zustand der Medienlandschaft. FORUM wird zehn Jahre alt. Das hätte zu Beginn keiner erwartet, der Start war teilweise eher belächelt worden. Was macht den Erfolg aus?
Das Wochenmagazin, das wir herausgeben, ist eine sehr interessante Zeitung, weil wir Themen aufgreifen, die sonst nirgendwo oder nicht in dieser Form aufgegriffen werden, die auch sehr ausführlich präsentiert werden, sodass man sich auch wirklich damit beschäftigen kann. Es wird nicht nur angerissen, und damit ist es dann erledigt. Was wir feststellen ist, dass die Leute das Magazin von vorne bis hinten durchlesen, was bei anderen nicht selbstverständlich ist. Es ist also offensichtlich ein Mix, der die Leute begeistert. Die Resonanz ist insgesamt sehr gut, was die Aufmachung angeht, vor allem aber, was die Themen betrifft. Wichtig ist, dass wir keine Skandalberichterstattung machen. Da halten wir uns zurück, es gibt ausreichend viele, die sich damit beschäftigen. Da hat man ständig den Eindruck, der Weltfrieden ist in Gefahr, und es geht alles den Bach runter. Das macht einen neurotisch. FORUM setzt dagegen auf einen seriösen, sachlichen und gelassenen Journalismus, ein Kontrapunkt gegen die ständige Aufgeregtheit. FORUM will mit gut recherchierten Themen einen fundierten Beitrag zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen leisten und modernes Leben mit Themen aus Wissenschaft, Kultur, Mode und Gesellschaft widerspiegeln. Und natürlich hat der Sport einen sehr hohen Stellenwert. FORUM ist gegen den hektischen Trend ein ruhiges Magazin, das aber gleichzeitig interessant ist von der ersten bis zur letzten Seite, was uns die Rückmeldungen bestätigen.
FORUM ist vor zehn Jahren als saarländisches Magazin gestartet, hat seit gut fünf Jahren auch ein festes Standbein in der Hauptstadt Berlin. Bewährt sich das Engagement?
Berlin ist ein anderes Pflaster, aber wir stellen fest, dass wir inzwischen in der Bundespolitik wahrgenommen und ernst genommen werden. Dazu trägt sicher auch bei, dass Interviews auch in Nachrichtenagenturen aufgegriffen und verbreitet werden. Dafür spricht auch die Resonanz auf unsere Diskussionsveranstaltung in der saarländischen Landesvertretung. Die „taz" in Berlin hat mal geschrieben: Unternehmer leistet sich Qualitätsjournalismus (März 2017, Anm. d. Red.). Mehr braucht man eigentlich nicht zu sagen.
Zehn Jahre Magazin FORUM – wie geht es in den nächsten Jahren weiter?
Wir haben in diesem Jahr zusätzlich einmal im Monat ein „Saarland Spezial" gestartet – mit sehr positiver Resonanz. Das zeigt, dass wir weiter auf ständige Verbesserung unserer Printausgabe setzen. Viele haben ja in der digitalen Welt gedruckte Zeitungen und Zeitschriften praktisch schon abgeschrieben. Tagesaktuelle Zeitungen haben es da sicher auch zunehmend schwerer als ein Magazin in unserem Format. FORUM wird sicher auch seine Online-Angebote künftig ausbauen, aber der Erfolg unserer Printausgabe zeigt, dass die Menschen, die wir erreichen, nach wie vor ihr Magazin gerne in Händen halten, durchblättern und lesen wollen. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.