Jedes Stück ein Unikat. Perlen sind einzigartig. Und darum sind Schmuckstücke, die aus ihnen entstehen, auch niemals langweilig. Ihren verstaubten Ruf haben sie schon lange abgestreift und präsentieren sich als vielseitig einsetzbare Accessoires.
Etwas Gold für die Augen, die Tasthaare und den Schwanz, fertig ist das Mäuschen. Dass Schmuckdesigner kreativ sind, ist nichts Neues. Dass sie jedoch wie Ilona Delia Henke aus einer Perle einen niedlichen Nager machen, schon. „Wobei ich die Perle gar nicht verändert habe. Vielmehr habe ich ihre Form erkannt und sie durch die Gold-Details sichtbar gemacht", erzählt die im niedersächsischen Landkreis Gifhorn ansässige Chefin des Labels Perlenzauber Schmuckdesign. „Früher galten Perlen, die nicht rund waren, als Missbildungen", sagt Ilona Delia Henke. Heute ist das Gegenteil der Fall. Aus unregelmäßigen Perlen, den sogenannten Barockperlen, entsteht zeitgenössischer und individueller Schmuck, der das angestaubte Image vergessen lässt.
Auch Schmuck mit runden Perlen wird heute alles andere als bieder gestaltet. Letztlich ist nicht einmal eine lange Perlenkette langweilig, man denke nur an Coco Chanel. Der Faszination der Perlmutt-Fremdkörper, die in einer Muschel heranwachsen, kann sich auch Saskia Diez nicht entziehen. Die Münchnerin, die Goldschmiedin gelernt und Industriedesign studiert hat, kreiert ungewöhnliche Ohrringe und Armbänder aus und mit Perlen. „Eigentlich waren Perlen nie etwas für mich. Ich habe keine getragen und auch in meiner Familie niemand", erzählt Saskia Diez, deren gleichnamiger Showroom in München zu finden ist. Da sie jedoch von Kundinnen gebeten wurde, aus geerbtem Perlenschmuck etwas Modernes zu kreieren, hat sie eine neue Spielwiese entdeckt und ist inzwischen „vom Leuchten, der Sanftheit und den Farben, die nur dieses geheimnisvolle, unerklärliche Material mit sich bringt", fasziniert. „Ich arbeite allerdings nicht mit Barockperlen, sondern mit runden und glatten Perlen sowie meistens in der Verbindung mit Gold", so die Designerin, die nicht nur ihre Perlen aus Japan – längst für seine Zuchtperlen-Qualitäten geschätzt –
bezieht, sondern dort auch viele Kundinnen hat. In Asien läge der Trend gerade bei kleineren Perlen, und graue Perlen würden vom klassischen Perlweiß abgelöst, berichtet die inzwischen auch zu den Perlenohrring-Trägerinnen zählende Sakia Diez.
Modernes aus geerbtem Schmuck kreiert
Sozusagen mit Perlen aufgewachsen ist Sylke Schumann. „Meine Oma Célia hat immer Perlenketten getragen. Dadurch ist meine Liebe zu Perlen entstanden", erzählt die Leipziger Schmuckdesignerin. Der Name ihres Labels, Perlensalon by Célia von Barchewitz, ist eine Hommage an ihre Großmutter. Ihre Kreationen beschreibt sie als „Perlenschmuck der neuen Generation". Alles andere als klassisch also, dafür sei sie einfach nicht der Typ. „Perlen sind für mich lässiger Luxus für jede Gelegenheit, tagsüber richtig cool zu Casual-Looks, abends schön, opulent und aufregend", sagt Sylke Schumann, bei der eine lange Perlenkette einfach auf der anderen Seite, also am Rücken entlang, getragen wird oder ein Armbund aus zehn Reihen besteht, die Perlen unterschiedlich groß sind und mit blauem Chalcedon auch noch Farbakzente gesetzt werden. Kleidung sei schon kompliziert genug, findet sie, da solle mit einer Perlenkette das Outfit einfach schnell komplettiert werden.
Ihre Faszination zur Profession zu machen, begann in Manila. „Eine Perlenhochburg", erinnert sich Sylke Schumann, die schon als Model und Fotografin gearbeitet und eine eigene Eventagentur geleitet hat. Ihre ersten Kreationen stießen auf so viel Begeisterung, dass sie vor fünf Jahren ihr Schmucklabel gründete, für das sie mit einer Goldschmiedin zusammenarbeitet, Fotoshootings organisiert und sich um die Vermarktung kümmert. Für den Herbst hat sie ihre „Hippie de Luxe"-Kollektion fertiggestellt. Barockperlen treffen auf rote, rosafarbene, beige oder taubenblaue Seidenbänder und Rutilquarz.
Sylke Schumann hat ein Faible für Biwa-Perlen. Sie kommen aus dem größten See in Japan, dem Biwa-See und sind für ihren starken Lüster, jenen Glanz, der als Lichtreflektion von der Perlenoberfläche zurückgestrahlt wird, und ihre außergewöhnlichen Formen bekannt. „Diese Perlen sehen lässig aus, stehen für Zeitgeist", verrät sie.
Die Faszination zur Profession gemacht
Perlen möglichst oft zu tragen, dazu rät jeder Kenner. Perlen, sagt Ilona Delia Henke, sind ein Naturprodukt, das Feuchtigkeit und das Körpersalz, das man ausdünstet, benötigt. Ohne oder mit zu wenig Körperkontakt trocknen sie von innen aus und werden matt. „Sie sollen auch nicht im Dunkeln aufbewahrt werden, ebenso wenig aber auch in der Sonne. Ein guter Ort ist das Bade- oder Schlafzimmer. Da sie aus dem Wasser kommen, tut ihnen auch dieser Kontakt gut", ergänzt Sylke Schumann. Wie zeitlos, elegant und modern Perlen sind, zeigt auch die baden-württembergische Schmuckmanufaktur Gellner. „Von jeher faszinieren uns Tahiti-Zuchtperlen – jede Zuchtperle ist übrigens ein Unikat – mit ihrer außerordentlichen Größe von acht bis 18 Millimetern, ihrer einzigartigen Strahlkraft und ihrem berauschenden Farbspektrum. Dabei ist die Marutea-Perle, das Nonplusultra unter diesen Perlen, mein persönlicher Liebling", sagt Jörg Gellner, der die von seinen Eltern 1967 gegründete Manufaktur in zweiter Generation leitet. „Unser Schmuck ist für das tägliche Tragen konzipiert", formuliert Gellner. Bestand ein Schmuckstück in den 1980er- und 1990er-Jahren häufig aus vielen Perlen, ist es heute eine Statement-Perle, die an einer langen Goldkette, auch zusammen mit Brillanten, von aufgeschlossenen Frauen getragen wird. Während Broschen aktuell wenige Anhängerinnen finden, sind seit ein bis zwei Jahren Armbänder en vogue.
Perlenschmuck ist auch keine Frage des Alters mehr. „Für die jüngere Klientel kombinieren wir Tahiti-Perlen mit Silber", so Gellner, den es immer noch fasziniert, dass Perlen das einzige Juwel sind, das nicht bearbeitet werden muss. „Es kommt vollkommen, egal ob rund oder in einer anderen Form, aus der Auster. Somit hat jede Perle eine einzigartige Persönlichkeit und das ist einfach magisch. Hinzu kommt die ganz besondere Haptik", schwärmt er.
Es scheint also, als schreibe die Perle gerade an ihren eigenen Glanzseiten und habe nicht die Absicht, wieder ins Abseits zu kugeln. Auch für Perlensalon by Célia von Barchewitz-Designerin Sylke Schumann steht dies außer Frage. „Das Revival der Perlen hat gerade erst begonnen", ist sie sich sicher.