Nicklas Shipnoski ist der Shooting-Star beim 1. FC Saarbrücken. Und er ist Publikumsliebling, obwohl man es als Pfälzer an der Saar normalerweise nicht so leicht hat.
Die Karriere des Nicklas Shipnoski war bis vor zwei Jahren eine, wie sie die Strategen eines Nachwuchsleistungszentrums in ihr Anforderungsprofils schreiben würden. Aufgewachsen in Kirchheimbolanden in der Pfalz wurde das Talent des kleinen „Shipi" schon früh entdeckt. Mit acht Jahren wechselte er zum 1. FC Kaiserslautern. Für einen Jungen aus der Region gibt es keinen anderen Club. Die Mama fuhr ihn mehrmals wöchentlich zum Training. Alles lief nach Plan. Er war immer Bester seines Jahrgangs, spielte für die Junioren-Nationalmannschaft. Mit 18 debütierte er in der Zweiten Liga. Während es für ihn nach oben ging, herrschte beim FCK blankes Chaos. Norbert Meier, Tayfun Korkut, Jeff Strasser und Michael Frontzeck. Dazu noch ein paar Interimstrainer. „Vielleicht ein bisschen zu viel für einen jungen Spieler. Aber die Dinge sind wie sie sind", sagt der 22-Jährige.
2018 stieg der FCK aus der Zweiten Liga ab. Für ein Eigengewächs eigentlich eine Chance, beim Neuaufbau zu helfen. Doch im Lauterer Tohuwabohu war alles anders. „Michael Frontzeck hat mir relativ knapp mitgeteilt, dass ich mich verändern soll. Da war ich erst mal baff. Wenn Du deine ganze Jugend bei einem Verein spielt, lebst Du irgendwo ja auch deinen Traum", sagt der Flügelspieler. Er informierte seinen Berater Rainer Derber, schrieb seinem älteren Bruder Christopher. Sein Umfeld baute ihn auf, mit dem SV Wehen Wiesbaden fand er einen ambitionierten Verein. „Shipi" startete richtig durch, wurde in der Hinrunde 2018/2019 zum besten Außenspieler in der „Kicker"-Rangliste gekürt. Am Ende stieg Wiesbaden in die Zweite Liga auf. Der Bundesligist FC Augsburg klopfte an, doch ein Wechsel scheiterte an den Ablöseforderungen. Beim neuen Zweitligisten genoss er im Sommer 2019 das Prädikat „unverzichtbar". Doch das hielt nur ein paar Wochen. Wehen startete desaströs in die Runde. „Wir sind untergangen, und ich habe nicht meine beste Form gehabt", sagt er selbstkritisch.
Der Verein justierte nach, verpflichtete mit Stefan Aigner einen Routinier für seine Position. Der Jungstar, Wochen vorher noch unverkäuflich, war draußen. „Es ist eben keine Floskel, wenn ich sage, dass das Geschäft schnelllebig ist", sagt der 22-Jährige. Dann kam es hart auf hart. Die Corona-Pandemie unterbrach den Fußballbetrieb, dann starb Shipnoskis Berater Rainer Derber im Alter von nur 48 Jahren plötzlich und unerwartet.
„Ich will dort spielen, wo ich am meisten gewollt bin"
Im Frühjahr 2020 saß Shipnoski zwischen allen Stühlen. „Ich habe Gott sei Dank ein intaktes Umfeld", sagt der Abiturient. Der Vater ist ein angesehener Urologe, der Bruder Teilhaber einer großen Rechtsanwaltskanzlei. „Es gibt andere Themen bei uns zu Hause als nur Fußball. Gerade in diesen Zeiten diskutieren wir oft darüber, wie man am besten mit der Situation umgehen kann. Viele Menschen haben Existenzängste. Es ist auch für mich eine lehrreiche Zeit", sagt er. Sorgen um Arbeitslosigkeit musste er sich nicht machen. Die halbe 3. Liga war hinter ihm her, Hansa Rostock bemühte sich sehr, der KFC Uerdingen machte ein sehr gutes Angebot. „Ich könnte mich jetzt hinstellen und sagen, dass der finanzielle Aspekt keine Rolle spielt, aber das wäre gelogen. Die Rahmenbedingungen müssen auch stimmen." Dass er sich am Ende für den FCS entschied, lag dann aber doch nicht am Geld. „Der FCS ist eine gute Adresse und das Gesamtpaket hat gestimmt. Lukas Kwasniok hat sich extrem um mich bemüht, und das hat am Ende den Ausschlag gegeben. Ich möchte dort spielen, wo ich am meisten gewollt bin und nicht dort, wo ich vielleicht ein bisschen mehr verdiene."
Der Schritt von der Pfalz zum FCS ist ihm dann trotz der Rivalität leichtgefallen. Die Familie ist eine gute Autostunde entfernt, sein Freundeskreis lebt weitestgehend in Kaiserslautern. „Natürlich gab es den einen oder anderen dummen Spruch, aber den kann ich gut wegstecken. Mein früherer Jugendtrainer Marco Laping, der ja früher selbst beim FCS gespielt hat, hat nur Positives erzählt. Das wäre ein geiler Club und eine gute Adresse für mich."
„Stabile Runde spielen und nicht in Abstiegsgefahr geraten"
Nach drei Monaten in der Landeshauptstadt ist er angekommen. Eine eigene Wohnung hat er schnell gefunden, in Kwasnioks Team ist er Leistungsträger. Und sein Trikot mit der Nummer 7 steht bei den Anhängern ganz hoch im Kurs. „Ich bin nicht der Typ, der morgens aufsteht und überlegt, was er tun muss, um den Leuten zu gefallen. Wer mich nicht mag, der mag mich halt nicht. Ich versuche, offen und ehrlich zu sein. Damit bin ich bisher gut gefahren." Als „Shipi" mit einigen Mitspielern nach dem Heimsieg gegen Rostock in der Altstadt ein bisschen feiert, setzt er sich spontan zu einigen Fans an den Tisch. „Natürlich hat man als Profifußballer auch das Recht auf Privatsphäre. Aber wenn nach einem Spiel Jungs mit deinem Trikot vor dir stehen, schickst du sie nicht weg. Wir haben diesen Status ja nur, weil sich viele Leute für unseren Sport interessieren." Als der 22-Jährige das erste Mal durch die Stadt gefahren ist, ist ihm aufgefallen, wie viele Stromkästen blau-schwarz angemalt sind, wie viele FCS-Aufkleber an Laternen kleben. „Da bekommt man schon Gänsehaut, wenn man spürt, wie sehr diese Stadt diesen Verein lebt."
Dass das Fußballgeschäft teilweise einer Berg-und-Talfahrt gleicht, ist ihm bewusst. Daher setzt er sich keine langfristigen Ziele. „Für uns ist es wichtig, dass wir eine stabile Runde spielen und gar nicht in Abstiegsgefahr geraten", sagt der Flügelspieler, der bis 2022 beim FCS unterschrieben hat: „Um meine Zukunft mache ich mir derzeit keine Gedanken, weil man sie eh nicht planen kann. Vielleicht schieße ich 20 Tore und wir steigen in die Zweite Liga auf. Aber genauso kann man sich jederzeit schwer verletzen, und irgendwann kräht kein Hahn mehr nach dir." Beim FCS gefällt ihm das Konzept mit vielen Spielern aus der Region und einer behutsamen Entwicklung der Mannschaft. „Es sind viele Jungs schon drei oder vier Jahre hier. Das ist schon außergewöhnlich." Und so kann er sich durchaus vorstellen, den nächsten Schritt seiner Karriere mit dem FCS zu gehen. „Natürlich will ich irgendwann mindestens eine Liga höher spielen. Wenn es hier klappen würde, wäre das mega." Aber zunächst sind kleine Schritte angesagt. „Ich hoffe, dass wir trotz Corona im Spielbetrieb bleiben können. Und ganz ehrlich: Ich habe mir in den vergangenen Wochen oft vorgestellt, wie es wäre, im vollen Ludwigspark ein Tor zu schießen. Als Fußballer lebst du doch dafür, mit den Fans jubeln zu können."