Die ehemalige britische Automarke Marcos ruft selbst bei Kennern Achselzucken hervor. Doch Gerd Bruns besitzt gleich zwei der flachen Coupé-Exoten von der Insel.
Aus der Garage schiebt sich eine lange orangene Nase. Rechts und links zwei Glupschaugen hinter Klarglas – und fertig ist das Autogesicht. Gerd Bruns rangiert langsam, unter Motorröhren, das den sonnigen Morgen zerreißt, einen Marcos auf die Einfahrt. Den einen. Denn er besitzt zwei der britischen Exoten. „So von vorn betrachtet ist der ja eher hässlich", sagt Bruns. Der vordere Überhang steht hoch über dem Boden, als fehle dem Zweisitzer das Kinn. Aber dann sind da noch die Rundungen, vor allem die hinteren Kotflügel. Schon hübscher anzusehen.
Noch mehr als 30 Jahre, nachdem Bruns seinen ersten Marcos in einem Inserat entdeckte und für 18.600 D-Mark am Bodensee abholte, liegt Begeisterung in seiner Stimme. „Die Leute sagen ja immer, ich fahre den Marcos, weil ich auffallen will – aber das stimmt nicht."
Aber stopp mal: Marcos … wer? Bei dem Namen der britischen Marke müssen selbst PS-Aficionados oft passen. „Marcos setzt sich zusammen aus den je ersten drei Buchstaben der Firmengründer Marsh und Costin", erklärt Bruns. Dabei nahm es die 1959 in Luton nördlich von London gegründete Firma mit den Großen ihrer Zeit auf. Im Sprint zum Beispiel zogen die stärkeren Marcos mit Dreilitermotor dem Jaguar E-Type davon – zumindest „im Tempobereich zwischen 30 und 100 Meilen pro Stunde", so die damaligen Werksangaben. Doch Marcos Cars ist nach einer Berg-und-Talfahrt aus Pleiten und Wiedergeburten längst nicht mehr existent.
Es startete zunächst verheißungsvoll
Anfangs baute man, wie die britische Edelmarke Morgan, Fahrzeuge mit Holzchassis, die Karosserie wurde aus Kunststoff gefertigt, wie die der Corvette von Chevrolet, dem Inbegriff des amerikanischen Sportwagens. Frank Costin, Konstrukteur und einer der Firmengründer, entwickelte zur Gewichtsreduktion sogar ein Holz-Monocoque für den Motorsport. Marcos-Rennversionen traten zum Beispiel beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans an. Dort war es 1966 der Mini-Marcos, eine geschrumpfte Version des klassischen, von Designer Dennis Adams gezeichneten Marcos-Coupés, das es als einziges britisches Auto ins Ziel schaffte.
Große sportliche Erfolge blieben jedoch aus – da halfen auch große Namen nichts: Jackie Oliver, Pilot aus der zweiten Reihe, aber späterer Formel-1-Chef, raste im Marcos um die Wette. Und Jackie Stewart, dreimaliger Weltmeister in der Königsklasse, soll seine Karriere sogar am Steuer eines Marcos begonnen haben. „Dafür fuhren die Walker Brothers Marcos, auch Rod Stewart hatte einen", sagt Bruns, der über die Jahre ein wandelndes Marcos-Lexikon geworden ist.
In den 60ern verlief vieles zunächst verheißungsvoll. Zwar war sie nur ein Nischenhersteller handgefertigter Fahrzeuge, dennoch genoss die Marke mehr als ein respektables Image. Das renommierte britische Magazin „The Autocar" schrieb 1971 über die Version mit dem Reihensechszylinder von Volvo, den Marcos 3 litre, den auch Bruns fährt: „Mit seinen breiten Reifen, dem niedrigen Schwerpunkt und der guten Feder-Geometrie sollte es jeden Grund geben, warum sich der Marcos gut fahren lassen sollte, und er tut es. Teuer, aber macht Spaß!"
„Haste schon mal drin gelegen?" Mit einem Grinsen im Gesicht versenkt der Rentner sich, das rechte Bein voran, den Rest des Körpers irgendwie hinterher, auf den Fahrersitz und, ja, liegt tatsächlich fast. Die Beine anwinkeln? Geht kaum, denn der Fahrzeugboden verläuft nur zehn Zentimeter unterhalb der Polsterung. „Diese Sitzposition!", schwärmt Bruns und macht auf eine Besonderheit aufmerksam: den medaillengroßen Drehschalter links vom Lenkrad. „Hier kannst Du die Pedale nach vorn und hinten verstellen – denn der Sitz ist ja fest verbaut und kann nicht verschoben werden."
Abermals vorsichtig – der Wagen könnte aufsetzen – rollt der Marcos von der Einfahrt auf die Landstraße, und Bruns gibt Gas: „Der zieht einfach immer weiter, dreht wie eine Turbine." Der Volvo-Sechsender lasse die nur 930 Kilo schwere Gfk-Flunder mit Heckantrieb und gut geführter Starrachse zwar etwas kopflastig fahren. Aber selbst aus dem vierten Gang beschleunigt er, als brauche es keine Übersetzung. Eingetragen ist das 4,27-Meter-Coupé mit 130 PS, alte Werksangaben belaufen sich auf 147 PS. Wer sich selbst ans Steuer setzt, bemerkt aber ebenso schnell: Hier fährt ein Oldtimer.
Schlechtes Management führte 1971 zur ersten Firmenpleite
Die Lenkung ist weich, das Zusammenspiel von Kupplung und Gas erfordert höchste Konzentration, um nicht abzuwürgen. Den Sportlergeist unter der Haube erweckt erst, wer ein bisschen übt. Dann aber erfreut man sich an dem elastischen Volvo-Aggregat, das aus fast jeder Lebenslage fein herausbeschleunigt, und dem präzisen Kurvenverhalten.
Missmanagement und Produktionsprobleme mit dem viersitzigen Marcos Mantis und Pech im US-Exportgeschäft führten 1971 zur ersten Firmenpleite. Ausgerechnet in jenem Jahr erlangte ein anderes Auto aus der Feder von Marcos-Zeichner Dennis Adams eine breite Resonanz: der Probe 16, mit dem die Jugendgang The Droogs in Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange" in London auf Irrfahrt geht. „Für echte Fans der Marke", sagt Bruns, sei das Jahr 1971 „bereits der Tod von Marcos" gewesen.
Nach dem Ausstieg von Frank Costin aus dem Projekt sicherte sich Jeremy Marsh später die Namensrechte, restaurierte Marcos-Fahrzeuge und feierte 1981 die Wiedergeburt als Anbieter von Kit-Cars. Nach Auskunft von Reinhard Rieser, Präsident des Swiss Marcos Clubs, folgte mit den Jahren 1994 bis 1998 noch einmal eine Blütezeit, als Modelle wie der Mantara als Spyder und Coupé oder der Mantis mit 4,6-Liter-V8 aus dem Ford Mustang aktuell waren. „Das waren richtige Konkurrenzmodelle zu TVR" – einer anderen britischen Sportwagenmarke, die zu der Zeit hochpotente Boliden für Rennstrecken und Straßen baute. Seit einer weiteren Pleite im Jahr 2000 ist es ruhig geworden um Marcos. Die Produktion wurde 2008 eingestellt. Da war Costin, der eine Firmengründer, bereits tot; Marsh starb 2015.
Anfang der 90er-Jahre kaufte Bruns sich sogar ein zweites Exemplar – einen noch rareren 1800 GT in Blau-Metallic von 1965, anders als der 3 litre noch mit Holzrahmen und Overdrive-Schongang, der je nach Aktenlage nur 99-mal gebaut wurde. Für sehr wenig Geld kaufte Bruns ihn. Dafür bekam er ihn jedoch in Kisten geliefert, völlig zerlegt und mit vermodertem Holzchassis, das er sich nachbauen lassen musste. Richtig viel Geld würde er mit einem seiner Fahrzeuge trotz des Seltenheitsgrades heute nicht machen. Um die 30.000 Pfund könne man in England, wo es ansatzweise so etwas wie eine Szene gebe, vielleicht erwarten – ein Bruchteil dessen, was für einen E-Type gezahlt wird.
In einem Tunnel lässt Bruns den Auspuff röhren, in einem Kreisel das Heck tanzen. Es riecht nach Benzin und Abrieb. Und als der Marcos-Liebhaber auf der Autobahn auf 180 km/h beschleunigt, zittert die Motorhaube, doch Bruns fühlt sich sicher: „Bei dem Tempo wird er langsam ruhig, weil das Auto vorn etwas hochkommt und leichter wird. Etwas später sieht man, die hübschen Rundungen des Autopopos im Rückwärtsgang voran, die orangene, etwas hässliche Nase des Marcos wieder in der Garage verschwinden.