Gleich wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt: Die Grenzen zwischen dem Saarland und dem DĂ©partement Moselle bleiben offen. Das versichert der neue französische Generalkonsul im Saarland, SĂ©bastien Girard. Die Bundesregierung habe erkannt, dass einseitige GrenzÂschlieĂźungen im FrĂĽhjahr ein Fehler gewesen seien und die deutsch-französische Freundschaft belastet hätten.
Herr Girard, Sie sind seit Anfang September offiziell im Amt. Wie haben Sie die GrenzschlieĂźungen im FrĂĽhjahr erlebt?
Ich war seinerzeit im französischen Außenministerium Quai d’Orsay in Paris tätig, habe also die Grenzschließungen nur aus der Ferne mitbekommen. Die Grenzen wurden zwar einseitig von Deutschland geschlossen, aber ich denke, dass wir gemeinsam, also Deutschland und Frankreich, die Lehren daraus ziehen müssen, dass sich so etwas nicht wiederholt. Das Saarland ist das erste Bundesland, dass in der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern darauf gedrängt hat, festzuschreiben, dass im Fall eines erhöhten Infektionsgeschehens auf beiden Seiten Grenzgänger für 24 Stunden ins Saarland kommen dürfen. Die Rede ist explizit von Grenzgängern und nicht von Franzosen oder Deutschen. In den Hauptstädten Berlin und Paris hat man durchaus verstanden, dass es einen Unterschied gibt zwischen alltäglichen Grenzgängern und zum Beispiel Touristen.
Unabhängig davon ist die Erkenntnis gereift, dass ein Virus keine Grenzen kennt und wir das nur gemeinsam bekämpfen können.
Die Grenzschließungen haben für viel böses Blut gesorgt und viele Grenzgänger vor den Kopf gestoßen. Die deutsch-französische Freundschaft wurde arg strapaziert. Wie können die entstandenen Schäden repariert werden?
Es hat Verunglimpfungen, Beleidigungen und sogar Sachschäden wie verkratzte Autos gegeben. Beschimpfungen gab es daraufhin auch auf französischer Seite. Die saarländische Landesregierung hat sich übrigens dafür offiziell entschuldigt. Wir sollten besser nach vorne schauen und die deutsch-französischen Beziehungen weiter stärken. Es gibt auf beiden Seiten der Grenze sicherlich die Unverbesserlichen, aber die meisten Menschen hier leben die deutsch-französische Freundschaft. Die Stärken überwiegen: Das Saarland gilt als das französischste Bundesland schlechthin, ist für die französische Wirtschaft Tor zu Deutschland, hat viele gemeinsame Interessen mit Frankreich. Nicht allein deshalb gibt es im Saarland die meisten deutsch-französischen Institutionen. Da sind zweisprachige Kindergärten, das deutsch-französische Gymnasium, die französische Universität für Recht, die Uni der Großregion, das Büro des deutsch-französischen Jugendwerks, ProTandem für den Austausch in der beruflichen Bildung, der deutsch-französische Kulturrat, die vielfältigen Kooperationen mit Forschungsinstituten wie DFKI oder Cispa, die Städtepartnerschaften, die Verbände und Vereine und vieles mehr.
Der deutsch-französische Motor galt immer als wichtiger Antrieb für Europa. Ihre Landsleute glauben aber nicht so recht daran.
Das wurde in den französischen Medien zu Beginn der Pandemie so berichtet.
Aber die deutsch-französischen Beziehungen sind stark und funktionieren. Frankreich und Deutschland ziehen in Sachen Wirtschaftsaufschwung in Europa an einem Strang. Das zeigen die umfangreichen Wirtschaftshilfen für Europa. Frankreich übernimmt im ersten Halbjahr 2022 die EU-Präsidentschaft. Schon heute arbeiten Deutsche und Franzosen in Arbeitsgruppen zur Vorbereitung zusammen; auch in Fragen von Weißrussland oder im Fall Nawalny sprechen wir eine gemeinsame Sprache. Als übergreifendes Symbol sehe ich etwas, was sich in 400 Kilometer Höhe abspielen wird. Läuft alles planmäßig, sind der saarländische Astronaut Matthias Maurer und der Franzose Thomas Pesquet im Frühjahr 2022 gemeinsam an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Ein Projekt mit Symbolcharakter, denn Forschung und Wissenschaft sind ein wichtiger Bereich, in denen Deutsche und Franzosen noch viel gemeinsam bewegen können.
Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit dem Saarland?
Das Saarland und Lothringen liegen direkt an der Schnittstelle von Deutschland und Frankreich. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz gibt es zwischen dem DFKI in Saarbrücken und Inria Nancy bereits vier vielversprechende Kooperationsprojekte wie autonomes Fahren. Ein weiterer Punkt ist die Zusammenarbeit im Energiesektor. Frankreich stellt sieben Milliarden Euro und Deutschland neun Milliarden Euro im Bereich Wasserstofftechnologie zur Verfügung. Das Saarland hat sicherlich gute Chancen, Modellregion in diesem Bereich zu werden. Hightech mit Künstlicher Intelligenz, Energie und Digitalisierung sind die Zukunftsbereiche schlechthin, wo wir gemeinsam vorankommen können und wo wir hoffen, dass neue gemeinsame Start-up-Unternehmen entstehen. Es geht um die Unterstützung konkreter Projekte, die den Menschen hier vor Ort nutzen.
Das betrifft die Hightech-Branchen, aber nicht das Volk, das sich sehr verärgert über die Grenzschließung gezeigt hat.
Auch hier liefern Deutsche und Franzosen gemeinsame Antworten. So gibt es seit diesem Jahr beispielsweise den Bürgerfonds für deutsch-französische Projekte mit einem Volumen von 2,4 Millionen Euro. Gefördert werden binationale Projekte aus Sport, Kultur und Gesellschaft. Wichtig ist, dass alle Gesellschaftsschichten aus den deutsch-französischen Beziehungen Vorteile erzielen können. Koordiniert wird der Fonds über das Büro des deutsch-französischen Jugendwerks.
Mal abgesehen von Corona sind es die alltäglichen Schwierigkeiten, die das Zusammenleben kompliziert machen, zum Beispiel die bĂĽrokratischen Hemmnisse wie A1-Bescheinigungen. Das riecht oftmals nach verstecktem Protektionismus. Was können Sie daÂgegen tun?
Der Abbau bĂĽrokratischer Hemmnisse steht ganz oben auf der Agenda. Ich werde das mitnehmen und bei den entsprechenden Stellen ansprechen. Ich sehe meine Rolle als wichtiger Ansprechpartner und Vermittler in grenzĂĽberschreitenden Angelegenheiten.
Der Aachener Vertrag ermöglicht eine noch intensivere Zusammenarbeit in der Grenzregion zum Beispiel durch die Eurodistricte. Daran sollten wir gemeinsam weiter arbeiten.