Im soeben eröffneten „Hummus Room" wird der Kichererbsen-Klassiker komplett neu gedacht und zubereitet. Chefin Carola Bock und Chefkoch Robin Bandura zeigen mit ihrem einzigartigen Konzept, welch hervorragende Grundlage Hummus für komplexe Aromawelten ist – derzeit nur im Außer-Haus-Verkauf.
Hummus mit Papaya, Mango und Chili. Kichererbsen-Pancakes mit Avocado, Hummus und Daikon-Rettich. Ein inoffizieller „Berliner Teller", auf dem gefühlt nur noch die Kalbsleber fehlt. Der Claim „Not your traditional hummus restaurant!" erklärt sich beim Anblick dieser Teller im „Hummus Room" von selbst. Im soeben eröffneten Lokal am südlichen Ende der Knesebeckstraße sind Falafel und Orient weit weg. Dafür liegt Südamerika ganz nah und auf hausgemachtem Hummus. Der Subkontinent wurde mit seinen Aromen und Produkten wie Koriander, Limetten, Essige oder peruanischem Chili auf die Teller transportiert.
Das ist Chefkoch Robin Bandura zu verdanken. Er hegt eine große Leidenschaft für die südamerikanische Küche, die er aus dem À-la-Carte-Geschäft für verschiedene andere Restaurants in der Stadt in das Lokal am südlichen Zipfel der Knesebeckstraße zwischen Kudamm und Lietzenburger Straße mitbrachte. „Am liebsten hätte er Ceviche gemacht", sagt „Hummus Room"-Inhaberin Carola Bock. Sie ist vielen in der Stadt noch als Restaurantleiterin vom „Benedict" bekannt. „Ich habe gesagt: Lass uns doch Südamerikanisch mit Hummus machen. Dann haben wir uns viel gestritten und jetzt haben wir eine tolle Karte." Unkompliziertes, einfaches, schnelles Essen wollte Bock in ihrem ersten eigenen Restaurant anbieten. „Etwas Bodenständiges, das Spaß macht und das ich selbst gern essen würde." Da lag selbst gemachte Kichererbsenpaste in verschiedenen Mixturen oder mit diversen Toppings nahe. Nicht nur wegen des arabischen Restaurants „Marooush", an das sich der „Hummus Room" baulich anschließt und aus dem er die hausgemachten Fladenbrote bezieht. Wie wenig Orient und wie viele andere Einflüsse mitspielen, zeigt sich vor allem bei den großen Tellern, die sich entweder als Hauptgericht verzehren oder prima zu mehreren teilen lassen.
Der „Exotische" ist eine Art Sommersalat auf klassischem puren Hummus. Mango, Maracuja, Papaya, Chili und Atsina-Kresse on top sind pikant und säuerlich abgeschmeckt. Sie haben so gar nichts von Obstsalat oder Dessert auf Kichererbse an sich. Dazu werden Maniok-Chips gereicht. Die sind, so wie Süßkartoffel-Chips, bestens geeignet, um Creme und Obst mit Crunch zu bereichern.
Aus der Abteilung „Pancakes" auf der Karte probieren wir den mit Avocado belegten, fluffigen Fladen. Der Pancake aus Kichererbsenmehl ist mit Hummus, Avocado-Schnitzen, Sojabohnen, Frühlingszwiebeln und als säuerlichem Kontrapunkt mit Streifen vom fermentierten Daikon-Rettich und Teriyaki-Sauce belegt und beträufelt. Köstlich! Das Allerbeste: Die Gerichte sind, bis auf die Pide, ohne Gluten. Das wird gerade bei Gebackenem für Unverträgliche sonst beim Essengehen häufig zum Problem.
Zwischendrin nippen wir an unseren farbenfrohen warmen Milchgetränken: In der „Latteria" werden Kurkuma-und-Honig- oder eine erdig-süße Rote Bete-Latte ausgeschenkt. Ein zartblauer Hingucker mit leichter Kräuternote ist dagegen eine Spirulina-Latte. Noch spannender finde ich den „Tea Room". Der Earl Grey, den wir als Digestif zu uns nehmen, ist von unaufdringlicher Eleganz. Bergamotte, Honig und Leder machen sich duftig breit. Er hätte sich als ausdrucksstarker, leicht herber Essensbegleiter sehr gut geeignet.
Küchenchef Robin Bandura und Barchef Leo Foriglio „batteln" freundschaftlich miteinander, weiß Carola Bock: „Jeder legt Wert darauf, dass die Ergebnisse perfekt sind." Leo Foriglio entwickelte Saft-Mixe, Lattes, die üppigen Milchshakes, die ihren Anspruch als eigene Mahlzeit deutlich machen, sowie die „Hummus Sours". „Inherent Vice", „Tea Party" oder „Golden Sour". Sie alle werden mit Aquafaba stilecht gemixt. Aqua was? „Das ist Kichererbsenwasser", erläutert Carola Bock. „Es eignet sich wegen seines Eiweißgehaltes sehr gut für Sours." Die werden üblicherweise mit Eiklar geshakt. Das dickflüssige Bohnenwasser vom Abkochen ersetzt es wirkungsvoll wie vegan.
Bis auf zwei Gerichte mit Huhn alle vegetarisch
Unabsichtlich hätten sich Vegetarismus und Veganismus eingeschlichen, sagt Carola Bock: „Wir haben nur zwei Gerichte mit Huhn." Es gibt eine Wrap-Variante sowie als optionale Zugabe Huhn zum großen Salat. Wir vermissen nichts, denn die Gerichte machen so oder anders wegen ihrer Kombinationen und Fremdartigkeit neugierig. So wie der „Berliner Teller". Pardon: Der Hummus-Teller mit Apfel und Kartoffel, wie er offiziell heißt. Aber wie sollen wir sonst wohlgeraten gebratene Kartoffelwürfel, gedünstete Äpfel und ankaramellisierte Röstzwiebeln bezeichnen? Das Bild von Kalbsleber zieht vor dem inneren Auge auf.
Das Schöne ist, dass dieses Gericht die Aromatik des Altberliner Klassikers heraufbeschwört, dabei aber auf den traditionellen Hauptbestandteil ohne Abstriche verzichten kann. Großes Teller-Kino und ganz bestimmt ein Klassiker in spe! Für den Probier-Spaß quer durch die Karte sorgen auch die portemonnaieverträglichen Preise. Große Teller kosten zwischen 7,50 und elf Euro. Für die Lunch-Boxen mit Hummus, Wrap, Salat oder Blumenkohl sind zwischen 7,50 und zehn Euro zu zahlen.
Wer’s kleiner oder variantenreicher und beinah „traditional" braucht, kommt mit Einzel-Hummus in Schälchen oder mit drei oder fünf Sorten in einer Etagere weiter. Der Fotograf, der kulinarische Freund und ich verzichten aufs Selbst-Mixen-und-Matchen. Wir nehmen „All in": Klassisches Hummus mit Olivenöl, Knoblauch, Petersilie und Koriander als Topping. Ein fruchtiges Süßkartoffel-Hummus mit schwarzen und Sojabohnen, Thai-Basilikum und Kürbiskernöl. Ein Rote-Bete-Hummus mit Sprossen, Sonnenblumenkernen und Crème fraîche. Ein Hummus mit Rucola, Zitrone und Olivenöl erfreut mit pikanter Kräuterigkeit.
Mein Liebling ist ein Paprika-Chili-Hummus mit Granatapfelkernen, Pflücksalat, Olivenöl und Zitrone. Farbenfreude und Abwechslung – alles ist da: Süße, Säure und Schärfe spielen mit- und gegeneinander. Sie lassen das Hummus nie zu Einheitsbrei werden. Geschmacksspitzen werden aus Früchten gezogen: Säure etwa aus Passionsfrucht oder Limette; Süße aus Mango, Papaya und Maracuja. Allenfalls mit Agavendicksaft wird zusätzlich gesüßt. „Man soll merken, wie viele Geschmacksrichtungen mit Hummus passen", sagt Robin Bandura, der mit den ungewohnten Kombinationen Geist und Gaumen reizt.
Außerirdisch fantasievoll geht es hier zu
Bei den Hauptgerichten dürfen wir mit einer veganen Shakshuka doch noch einen kleinen Abstecher nach Israel machen. Ein dick eingekochtes und ziemlich scharfes Tomatensugo macht es sich auf einem Hummusspiegel gemütlich. Aufgestippt wird mit Pide und Maniok-Chips. Viel besser als das Original mit Eiern! Da die Intensitätsdramaturgie eine bestimmte Abfolge verlangt, bekommen wir den gerösteten Blumenkohl auf Hummus, mit Schalotten, Panko-Crumble, Sojasauce und viel „Krawumms" erst zum Schluss. Mein neugieriger Blick bleibt für ein nächstes Mal dann doch am nördlichen Orient, irgendwo oberhalb von Persien an der Seidenstraße hängen: Mich lockt die Kombi mit gebratener Aubergine, Granatapfelkernen, Petersilie, Zitrone und Farofa, einer brasilianischen Beilage aus geröstetem Maniokmehl. Und das herbstliche deutsche Gegenüber – ein Hummus mit gebratenen Champignons, Kräuterseitlingen, Erbsen, Staudensellerie und Sojajoghurt. Vielleicht treffe ich dann auch an einem Tisch die Wappentiere vom „Hummus Room", von Kichererbsen umflogene Affen aus dem Weltall. Außerirdisch fantasievoll und einzigartig sind Konzept und Essen in jedem Fall. Das lässt sich schon kurz nach der Eröffnung sagen, selbst wenn bis Ende November nur außer Haus verkauft werden darf. Wie gut der „Hummus Room" ist, spricht sich hoffentlich dennoch rasch in ganz Berlin herum.