Der neuerliche vierwöchige Lockdown trifft eine Branche, die alles dafür getan hat, genau diese Maßnahme zu verhindern. Trotz hoher finanzieller Investitionen stehen viele Gastronomen jetzt vor dem endgültigen Aus.
Mitte Oktober traf ich den neu gewählten Vorsitzenden des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Michael Buchna, und wollte von ihm wissen, wie die Gaststätten und Restaurants den Winter überstehen sollen. Das war vor dem neuerlichen Lockdown, der seit Montag gilt, und schon da hielt Buchna die Situation vieler Gastwirte für extrem schwierig: „Die Situation ist ziemlich schlimm. Viele Kolleginnen und Kollegen werden viel Glück in der Winterzeit brauchen, vor allem von Januar bis März wird es hart werden."
Da eine Außengastronomie dann nicht mehr möglich sei, bräuchten die Gastgeber viele Ideen, wie sie einigermaßen über die Runden kommen und die Kunden wieder in die Räume hineinbekommen. Nach dem Ende des neuerlichen Lockdown in der Gastronomie werden die Beschränkungen in den Räumlichkeiten bleiben. Eine genaue Registrierung der Gästedaten, Mundschutz und Hygienevorschriften müssen penibel eingehalten werden.
Viele Gastronomen hatten alles dafür getan, um diese Voraussetzungen zu erfüllen. Viele bauten neben den Trennwänden zwischen den Tischen auch einen Windschutz draußen und installierten Heizstrahler, um damit die Terrassensaison deutlich nach hinten verlängern zu können. Zusätzlich wurden in verschiedenen Betrieben Filteranlagen installiert, die die Luft von Bakterien und Viren reinigen. Das alles hat viel Geld gekostet und dies bei einer heruntergefahrenen Belegung, die schon sowieso den Umsatz schmälerte.
Die Gastronomie versuchte alles, um den Gästen die Angst vor einem Restaurantbesuch zu nehmen. Dennoch war zu beobachten, dass viele Menschen mit den sinkenden Temperaturen der vergangenen Wochen ein ungutes Gefühl hatten, im Restaurant zu essen. Allen war klar, dieser Winter würde schwierig werden und dass die Betriebe mit weiteren Umsatzverlusten kalkulieren müssten.
Die Bemühungen, vernünftige Konzepte anzubieten, waren überall zu spüren. Umso unverständlicher war für mich die zwischenzeitliche Verschärfung der Sperrstunde auf 23 Uhr, die völlig zu Recht am Dienstag vergangener Woche vom Oberverwaltungsgericht wieder einkassiert wurde. Der neuerliche Lockdown aber ist eine Katastrophe für die gesamte Branche. Diese Entscheidung ist nicht nachvollziehbar, bestraft sie doch jene, die sich monatelang an die gesetzlichen Vorgaben gehalten haben.
Selbst das Robert-Koch-Institut bescheinigte der Gastronomie, in den vergangenen Monaten einen guten Job gemacht zu haben. Nur zwei Prozent der Ansteckungen mit Covid-19 erfolgten danach in Wirtshäusern und Restaurants. Die Sicherheitskonzepte der Gastronomen hatten also Erfolg. Ich sah monatelang, wie eifrig gewischt und geputzt wurde, sobald ein Gast einen Tisch verließ.
Keine Frage: Fast 18.000 Neuinfektionen und mehr an einem Tag gehen gar nicht. Das ist klar. Dennoch sind die Entscheidungen aus meiner Sicht falsch, denn es trifft schlicht die Falschen. Restaurants und Hotels müssen trotz guter Konzepte und wegen einiger weniger schwarzer Schafe leiden. Für viele wird der neuerliche Lockdown das Ende bedeuten …
Die angekündigte finanzielle Unterstützung von 75 Prozent auf Grundlage des Gewinns aus dem November 2019 wird da nicht wirklich helfen. Letztlich ist die Unterstützung zum Sterben zu viel, aber zu wenig, um zu überleben.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel
Mark Baumeister, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Gaststätten, Genussmittel im Saarland, fordert eine Anhebung des Kurzarbeitergelds, denn die 60 Prozent reichen für Familien hinten und vorne nicht. „Wie soll jemand von wenigen hundert Euro Kurzarbeitergeld im Monat überleben? Erst nach vier Monaten Kurzarbeit steigt dieses auf 70 Prozent beziehungsweise 77 Prozent bei Unterhaltspflichten des durchschnittlichen Nettoentgeltes", betont Baumeister. „Maximal 80 Prozent (87 bei Unterhaltspflichten) sind möglich. Das Kurzarbeitergeld hätte von Beginn an auf mindestens 80 Prozent oder noch besser 90 Prozent steigen müssen. Ausbleibende Trinkgelder der Beschäftigten haben die Lage noch erschwert." Und dies seien immerhin 15.000 im Saarland.
„Alle Erfolge der vergangenen Jahre drohen dem Coronavirus zum Opfer zu fallen. Es trifft vor allem die inhabergeführte Gastronomie oder die gerade im Saarland in Familienhand befindlichen Hotels. Arbeitgeber bringen Rücklagen in die Betriebe ein, kämpfen mit oft schwierigen, kaum verständlichen Formularen und großen Hürden, um an Soforthilfen zu gelangen", benennt der Vorsitzende die zusätzlichen Probleme.
Was also tun? Dehoga-Chef Michael Buchna sieht im Abhol- oder Bringservice eine gute Chance, die Verluste ein Stück weit abzumildern. Über die Sommerzeit hatte sich bereits einiges im Konsumverhalten vieler Menschen deutlich verändert. Viele gehen zwar nicht mehr so häufig ins Restaurant, wollen aber dennoch nicht auf die Qualität der dortigen Angebote verzichten. Mit anderen Worten: Sie lassen sich die Speisen nach Hause liefern. Entsprechend haben viele Restaurants schon im ersten Lockdown einen Abhol- oder Bringservice eingerichtet und diesen auch danach beibehalten. Entsprechend rät Buchna seinen Kollegen: „Das ist eine große Chance. Das empfehle ich auch allen Gastronomen, die sich mit Speisen beschäftigen. Professionalisiert das ‚To go‘-Geschäft. Seid da genauso kreativ wie in allem, was Ihr sonst macht!"
Jetzt haben die Gerichte das letzte Wort
Eine Überlegung dabei könnte sein, dass man dieses Angebot den ganzen Tag über aufrechterhält, um Menschen unabhängig von der Uhrzeit ihr Essen zu liefern. Dass eine Nachfrage dafür besteht, konnte ich im Laufe des Jahres in jedem Fall feststellen. Selbst Sternekoch Alexander Kuntz setzt längst auf dieses Pferd und bewirbt seine Produkte entsprechend stark. Die Saarländer wollen nach wie vor besondere Kreationen und nicht auf Qualität verzichten. Ob dies aber reichen wird, um die saarländische Gastronomie zu retten? Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine von den Linken kritisierten die Entscheidung der deutschen Politik zum neuerlichen Lockdown scharf. Wolfgang Kubicki von der FDP hält das drastische Vorgehen für überzogen und gar rechtswidrig. Er ermunterte Gastronomen, dagegen zu klagen. Das letzte Wort werden wohl – wie schon bei der Sperrstunde – die Gerichte haben. Für manchen Gastronom könnte es bis dahin aber bereits zu spät sein.