Vor allem Personen in Pflegeheimen sind auf Zuneigung angewiesen. Doch auch sie müssen während Corona darauf verzichten. Für einige Bewohnerinnen und Bewohner des Alten- und Pflegeheims St. Hildegard Hostenbach in Wadgassen ist das sehr schwer.
Wie überall auf der Welt hat Corona auch in Wadgassen einiges verändert, wie im Alten- und Pflegeheim St. Hildegard Hostenbach. Stefanie Klos, Heimleiterin, und Jo-Ann Klos, Pflegerin, erzählen, dass nicht nur die stärkeren Hygienemaßnahmen und das ständige Tragen des Mund-Nasen-Schutzes die Arbeit erschweren. Denn bis auf die Pflege müssen alle Berührungen auf ein Minimum beschränkt werden. Das bedeutet: keine Umarmungen, keine Geburtstagsgratulationen per Handschlag und auch keine anderweitigen Zuwendungen. „Es ist sehr schwierig, die Berührungen einzuschränken, denn gewisse Bewohner nehmen immer wieder deine Hand und tätscheln sie. Dem entziehe ich mich dann auch nicht", erzählt Jo-Ann Klos.
Nachdem es während des Lockdowns eine komplette Schließung gab, durften die Bewohner im Sommer wieder Besucher im Garten empfangen und ihre Lieben bei den sogenannten Gartenzaungesprächen sehen. Aktuell werden die Besuche nach einem Besucherkonzept geregelt, bei dem genau notiert wird, wer das Haus wann betritt und wer wen besucht. Stefanie Klos bespricht die Abläufe genau am Telefon, denn die Besucher müssen auf direktem Wege zum Besucherzimmer geführt werden. Vor und nach den Besuchen wird selbstverständlich alles desinfiziert.
Die Bewohnerinnen und Bewohner verstehen die Situation. Auch, wenn es bei dem ein oder anderen Unverständnis auslöste, weshalb sie nun nicht mehr im Flur sitzen und die Besucher begrüßen dürfen. Auch bei den Angehörigen gibt es solche und solche: „Bei dem ein oder anderen hat man das Gefühl, Corona kommt ihr oder ihm gerade recht. Die kommen dann nämlich einfach gar nicht mehr, obwohl sie es dürften. Dann gibt es natürlich welche, die kontinuierlich jeden Tag kommen. Für die war die Zeit, in der wir komplett geschlossen hatten, natürlich schwer. Einige wurden dadurch sehr depressiv, und es ist schwer, diese Personen dann wieder aufzumuntern. Manchmal wollten sie nicht einmal mehr aufstehen", sagt Jo-Ann Klos, und fügt hinzu: „Man bekommt in der Ausbildung beigebracht, wie man dann am besten auf einen Menschen eingeht. Aber wie man das umsetzt, wird eben nicht überprüft." Stefanie Klos erklärt, dass es im Ermessen der Heimleitung liegt, für ethisch und sozial begründete Ausnahmefälle wie Palliativ-Patienten, sterbende Menschen und Ehepaare eine Sonderregelung zu ermöglichen. „Ich finde, man kann einer sterbenden Person nicht verwehren, noch ein letztes Mal ihre Angehörigen zu sehen. Manche Bewohner hier würden es auch einfach nicht verkraften, wenn sie ihre Angehörigen nicht mehr sehen dürften", erzählt Jo-Ann Klos.
Natürlich ist all das nur unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen möglich, und das Personal ist zu Selbst-Monitoring verpflichtet. Alle 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen täglich vor Schichtbeginn ihre Temperatur messen und dokumentieren, ob sie irgendwelche Symptome aufweisen. Dazu müssen für die Besuche von 9.30 bis 17.30 Uhr Abhol- und Bringdienste organisiert werden. Jo-Ann Klos weist darauf hin, wie schwierig es unter Umständen ist, immer mit Maske zu arbeiten, da die Bewohnerinnen und Bewohner stark auf Mimik angewiesen sind: „Es ist einfach schwer, weil man kaum Gefühle über Mimik zeigen kann und die Bewohner einen nicht verstehen. Wir haben zum Beispiel eine Bewohnerin mit Sondergenehmigung, damit wir beim Essenanreichen keine Maske tragen müssen, weil wir ihr nur über Mimik zu verstehen geben können, wenn sie den Mund öffnen soll."
Der Pastor kommt regelmäßig vorbei
Sich während einer Pandemie um 92 Bewohner zu kümmern, die fehlenden Besuche der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Angehörigen zu kompensieren und gleichzeitig noch den Mehraufwand zu leisten, braucht psychische Unterstützung. Da es sich bei dem Alten- und Pflegeheim St. Hildegard um eine kirchliche Einrichtung der Cusanus Trägergesellschaft Trier mbH handelt, erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Bedarf psychische Betreuung von zwei Theologen des Instituts für Beratung, Seelsorge und Coaching, einer selbstständigen Einrichtung der Marienhaus Stiftung. Der Pastor der Gemeinde besucht die Bewohnerinnen und Bewohner regelmäßig. „Bei uns ist ganz vieles von ehrenamtlichen Mitarbeitern aufgefangen worden, gerade wenn ein Bewohner keine Angehörigen hatte. Es ist sehr schade, dass das jetzt nicht mehr möglich ist", erklärt die Heimleiterin.
Die Bewohnerinnen und Bewohner sind sich darüber im Klaren, dass es möglicherweise zu einer weiteren Schließung des Heimes kommt.
Alwine Löwenbrück wohnt von Beginn an hier. Die 91-Jährige leidet sehr unter den wegfallenden Gruppenaktivitäten und der „Morgenrunde", einer Art therapeutischen Sitzung, oftmals mit Gesang, bei der die Bewohnerinnen und Bewohner sich über ihre Gefühle austauschen konnten. Sie fühlt sich eingeengt und macht sich Gedanken darüber, wie es weitergeht. „Ich mache mir Sorgen um meine Enkel und Urenkel", erzählt sie. Ihr Glaube und der Bibelsender geben ihr allerdings etwas Kraft in diesen Zeiten. „Viel besser als hier könnte ich nicht aufgehoben sein."
Auch Therese Theobald leidet unter den Einschränkungen und klagt. „Es ist wie ein Leben ohne Menschen", sagt die 87-Jährige. Da sie keine Angehörigen mehr hat, ist sie auf die Besuche der Ehrenamtlichen angewiesen, die jetzt wegfallen. Stefanie Pauline Tinnacher ist 97 Jahre alt und wohnt seit Oktober 2019 im Heim, weshalb sie die Gruppenaktivitäten nicht mehr in dem Maße kennengelernt hat wie die anderen. Trotzdem sagt sie: „Das hier ist schlimmer als Krieg. Ich habe immer richtig Angst, es könnte jemand ins Haus kommen, der uns die Krankheit bringt. Das wäre ja alles möglich." Doch auch sie fühlt sich im Heim gut aufgehoben. Maria Lorenz dagegen nutzte die Gruppenaktivitäten jeden Tag und muss nun auch auf regelmäßige Besuche von Tochter und Sohn verzichten. „Wo viele Menschen sind, passieren solche Sachen. Aber ich fühle mich sehr einsam", sagt die 88-Jährige. Sie denkt viel über Corona nach und hat Angst, dass die Krankheit auch das Heim befällt. Für alle Menschen ist das Virus eine große Belastung, doch gerade pflegebedürftigen Menschen raubt es das letzte bisschen Lebensqualität. Deshalb sollten alle öfter zum Telefonhörer greifen und ihren Liebsten tröstende Worte spenden.