Als bildender Künstler und Bühnenbildner gehört Philipp Fürhofer zu den international gefragten Kreativen. Ein Besuch in seinem Berliner Atelier.
Bei Philipp Fürhofer ist immer etwas in Bewegung. Im Gespräch in seiner aufgeräumten Werkstatt hinter dem Hauptbahnhof ist er aber konzentriert und aufmerksam. Wenn sich nicht gerade eine seiner Lichtboxen einschaltet, dann formuliert sein wacher Geist eine künstlerische Vision: „In den Zeichnungen experimentiere ich viel, versuche unterschiedliche Techniken und Medien, die eigentlich nicht zusammengehören, zu kombinieren – also ist es immer die Auflösung des Statischen." Als ob ihn das bildnerische Gestalten mit Ölfarbe, Plexiglas, Spiegeln und Kabeln nicht auslasten würde, kreiert er zudem opulente Bühnenbilder. Alles hat mehrere Schichten bei Philipp Fürhofer.
Aber der Reihe nach: Aufgewachsen ist er in einer „Lehrerfamilie" im bodenständigen Augsburg. Die Popkultur der 90er-Jahre interessierte ihn wenig, so absolvierte er lieber ein musisches Gymnasium und eine solide Klavierausbildung. „Eine Walküre-Aufführung am Augsburger Stadttheater hat mich erweckt", sagt er selbst, da war er 15 und ging mit einem Schülerticket hin.
Aber all das scheint für den 38-Jährigen ein anderes Leben gewesen zu sein. Er blickt mit spürbarem Abstand auf diese Zeit zurück. Das Studium nahm er an der Universität der Künste in Berlin auf und wurde Meisterschüler des Malers Hans-Jürgen Diehl. Da wurde er bereits mit Einzelausstellungen und seinem ersten Bühnenbild wahrgenommen, noch für ein kleines Berliner Theater. Prägend in dieser Phase war jedoch ein ganz anderes Ereignis: eine Herzklappen-Transplantation, die ihm mit 24 Jahren über einen angeborenen lebensbedrohlichen Herzfehler half.
Man kann nicht sagen, dass er sich an diesem existenziellen Einschnitt in seinen Körper abarbeiten würde. Dennoch ist die Diagnose in seinen Werken präsent – mal ganz plakativ als Röntgenbild, mal als Cyborg, einem mit Implantaten ausgestatteten Menschen, der seine Schöpfungen bevölkert. „Das Thema darf nie privatistisch werden", sagt er dazu. „Aber es ist eine Reflektion unserer eigenen Sterblichkeit, so wie es früher von der Religion übernommen wurde."
Nachdenken über die eigene Sterblichkeit
Fürhofer kommt ins Philosophieren: „Es gibt ein Negieren des Todes in unserer Gesellschaft. Wir können das nicht wegrationalisieren, auch wenn wir uns digital bis ins Unendliche speichern." Als Betroffener habe er sich gefragt, was das Einsetzen von künstlichen Herzklappen aus ihm mache. Transplantate könnten zu absurden Momenten führen, andererseits retteten sie Leben, so auch bei ihm. Jedenfalls wurde die Verschmelzung organischer und technischer Elemente zum Leitmotiv seines Schaffens.
Ein aktuelles Beispiel ist die Thierry Mugler-Ausstellung „Couturissime" in der Kunsthalle München (noch bis 28. Februar 2021). Für diese international tourende Retrospektive des französischen Modeschöpfers, Regisseurs, Fotografen und Parfümeurs hat Fürhofer Räume gestaltet. Man betritt eine halbdunkle, dystopische Szene. Die Frau als Moderoboter ist ein Kennzeichen von Muglers Kreationen. Man denke an sein ikonisches Musikvideo für George Michaels „Too Funky", in dem die berühmtesten Topmodels ihre Luxuskörper in Roboterkostümen präsentierten. Diese starken, comiclike überzeichneten Amazonen laufen in nahtlos an den Körper angepassten Bustiers über den Laufsteg.
Muglers perfekte Kreationen reizten wiederum Philipp Fürhofer, die Wirkung mit seinen „einfachen, trashigen Mitteln" zu brechen. Er installiert Neonröhren, bemalt Spiegel und eine verwitterte, von Kugeln durchsiebte Metallwand, durch die von hinten Licht bricht, „wie Sterne, wie der Kosmos". Die Transformation des Schrotts in etwas Ästhetisches ist das, was ihn interessiert. „Müll hat seine ganz eigene Schönheit", sagt er. „Dies sind romantische Utopien im besten Sinne: Die Umgebung ist verbaut, aber wir haben immer noch eine Sehnsucht danach."
Mit seinen Darstellungen fordert Fürhofer den Betrachter auf, sich selbst wahrzunehmen – in einer künstlich überformten Umwelt oder einem artifiziell gestalteten Leib: „Das ist nicht schlimm, man muss nur darum wissen und seine Grenzen kennen." Der „selbst produzierte Mist", die Abfallkultur, rege auch wieder zur Kreativität an.
Künstlerisch gegen den Strom
Damit fügt sich Fürhofer nicht in zeitgenössische Debatten ein, die die Kultur in den letzten Jahren bewegt haben. Flüchtlingsproblematik, Genderfragen, postkoloniale Diskurse tauchen in seinen Arbeiten nicht auf. „Ich bin ein Mann, weiß, um die 40, und damit nicht prädestiniert für die nächste institutionelle Ausstellung", sagt er. Den Museumskuratoren will er das gar nicht anlasten, sie gingen aus hehren Absichten gegen die herrschenden Sehgewohnheiten an. Doch er könne nur hoffen, dass sich – in seinem Fall – Qualität durchsetze. „Ich habe keinen Migrationshintergrund", erklärt er, „solche Themen würde man mir gar nicht abnehmen".
Dennoch habe er den Wunsch, gesehen zu werden: „Ich mache das nicht, um im stillen Kämmerlein mit mir zu sein." Und es gibt ja noch die Privatsammler, die Philipp Fürhofer entdecken, zum Beispiel über seine Berliner Galerie Judin oder in der Galerie Sabine Knust in München. Dort konnte er sogar in diesem coronabelasteten Sommer ausstellen. Als Titel wählte er „AURA", in Anspielung auf die verlorene Ausstrahlung, die Bilder im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit verloren haben.
Fürhofer hingegen bringt die mehrdimensionalen Arbeiten zum Leuchten, mit LED-Ketten oder dem Wechselspiel des natürlichen Lichts im Tagesverlauf. Die Preise beginnen bei rund 2.500 Euro für ein kleineres Hinterglasbild auf Plexiglas, für einen wandbeherrschenden Leuchtkasten liegen sie bei 60.000 Euro und mehr. Sein vielseitiges Schaffen wurde in diesem Jahr in einem Bildband, herausgegeben von Thierry-Maxime Loriot, gewürdigt. „(Dis)Illusions" heißt er und durfte auf Beiträge des Kurators Sir Norman Rosenthal oder des Singer-Songwriters Rufus Wainwright zählen. Dies zeigt die Breite der „Fürhofer-Fans" auf, die sich von seiner Kunst angesprochen fühlen.
Außerdem beschäftigen ihn Auftragsarbeiten, beispielsweise für einen Basler Sammler, der einen „Un-Raum" – das Foyer vom Fahrstuhl zu seinen Wohnräumen – beleben möchte. Dazu hat Fürhofer ein Kartonmodell angefertigt, das die Wirkung seiner farbigen Spiegel- und Glasfensterlösung simuliert. Zu jeder Tageszeit sollen andere Effekte entstehen, ein quasi organischer Prozess. Genauso spielt er mit einem kleinen Modell das Bühnenbild für seine Adaption der Oper „Carmen" am Staatstheater Cottbus durch. Am 21. November ist Premiere. „Der Chor darf nicht auf der Bühne singen, sondern muss sich auf die Ränge verteilen", weiß er inzwischen. Mit seiner „Carmen" hatte er bereits 2018 am Theater Bern in puncto Set, Design und Kostümen für Aufsehen gesorgt.
Und nicht nur dort. Die Oper „Les Vêpres Siciliennes" von Verdi, an der er am Royal Opera House London mitarbeitete, erhielt 2014 den Laurence Olivier Award als beste Opernproduktion. Das war eine der Kooperationen mit dem renommierten Opernregisseur Stefan Herheim, die 2011 an De Nederlandse Opera begann und 2018 am Glyndebourne Festival einen Höhepunkt fand. Soeben ist er vom Königlich Dänischen Theater in Kopenhagen zurückgekehrt, wo er mit Shakespeares „Hamlet" erstmals Sprechtheater ausstattete.
Skeptischer Blick auf die Bühne nach Corona
Doch das Bühnenleben steht aufgrund von Covid-19 fast still; Fürhofer ist froh, dass er in der bildenden Kunst genauso etabliert ist. „Selbst als freischaffender Künstler habe ich keine Angst, die Sammler sterben nicht aus", sagt er, „und Papier und Stifte bekomme ich immer". Der Lockdown habe ihm sogar gutgetan, wobei ihm völlig bewusst ist, dass gerade die Musiker und die Bühnenbeschäftigten in einer prekären Situation sind. Auch in die Zukunft blickt der sonst so Zuversichtliche eher mit Sorge: „Das wird Spuren hinterlassen. Das Geld war am Theater immer schon knapp, wenn staatliche Subventionen gekürzt werden, wird es schwierig." Gleichzeitig sieht er in den großzügig verschenkten Onlineangeboten keinen Ersatz. „Ich kann keine drei Stunden ‚La Bohème‘ am Laptop sehen, das wird erst wieder mit einem 80-Mann-Chor funktionieren, wenn man normal spielen kann." Immerhin gebe es die Oper schon seit 500 Jahren, da mag er sich einen Untergang nicht vorstellen. Nichtsdestotrotz würden sich zurzeit keine Jungen mehr für den Studiengang Bühnenbild anmelden, erzählt er. Das Feld habe keine Lobby und Entlassungen seien programmiert. Doch wer die Berufung in sich spürt, wird sich nicht abschrecken lassen und seinen Weg gehen.