Liebeserklärung an eine gespaltene Nation
Ein Kommentar von Bernard Bernarding
Schon als Kind habe ich Amerikaner gemocht. Ich habe sie einfach gern gegessen: Feiner Teig mit Zuckerguss, lecker. Heute, in reiferer Jugend, hab ich die Amerikaner gefressen, vor allem, wenn sie eine komische Frisur tragen, die wie ein geföhntes Toupet der Leningrad Cowboys aussieht. Aber wir wollen hier seriös bleiben, obwohl das ganz schön schwierig ist, wenn man bedenkt, was dieser Donald im Land unserer Träume angerichtet hat.
Eigentlich sind wir ja alle irgendwie Amerikaner, und zwar nicht erst seit 9/11: Erstens waren die Deutschen ganz vorne mit dabei, als die ersten Siedler in Winnetous Heimat einzogen, (auch ein gewisser Friedrich Drumpf aus dem pfälzischen Kallstadt, Donalds Opa, zählte später dazu). Zweitens waren es die Amerikaner, die uns vom Naziterror erlöst und durch den Marshall Fund das deutsche Wirtschaftswunder ermöglicht haben. Drittens hätten wir ohne Elvis, Coca-Cola, Bonanza, Marilyn und die Muppet-Show eine ganz andere Kultur in Deutschland. Viertens sind New York, Las Vegas, Laramie und der Grand Canyon so grandios, dass man dieses Land einfach lieben muss. Fünftens … ich könnte noch seitenlang aufzählen, was an Amerika und Amerikanern so großartig ist – aber dann ist mir dieser lauwarme Hotdog mit Heintz Ketchup sauer aufgestoßen, als CNN nämlich mitteilte, dass nicht nur ein paar verrückte Trump-Fans, sondern fast die Hälfte aller US-Wähler für den halbstarken Milliardär und seine alternativen Fakten gestimmt haben.
Das dürfen wir nicht vergessen, erst recht nicht verdrängen. Mindestens 70 Millionen (!) Amerikaner haben sich nicht gescheut, einen Mann (wieder) zu wählen, von dem der britische „Guardian" sagt, er sei der „krasseste, eitelste, dümmste und dysfunktionalste" Führer gewesen, den dieses Land jemals erleiden musste. Tatsächlich konnten die Amerikaner ja vier Jahre lang live und in Farbe beobachten, wie sich ein Egoist, Narzisst, Rassist, Sexist, Spalter und Brandbeschleuniger auf offener Bühne dem Spott preisgegeben – und dafür nicht mal geschämt hat. Da stellt sich die Frage, wie ist das möglich? Wieso konnte sich selbst ein stockseriöser Demokrat wie Joe Biden am Ende nur mühsam und knapp behaupten? Nun, die Antwort ist so ernüchternd wie das Votum der Trump-Wähler: Weil in Amerika (und anderen Teilen der Welt) so vieles krachend schiefläuft. Weil sich die Menschen mit ihren Sorgen nicht ernst genommen fühlen und dagegen rebellieren. Weil es nicht ausreicht, wenn smarte Charismatiker (wie Obama) schöne Sonntagsreden halten, aber zugleich zulassen, dass eine kleine intellektuelle Elite die kulturelle (Identitäts-)Richtung für ein ganzes Volk bestimmen will.
Okay, es hat zum Glück nicht gereicht für die Donaldisten. Jetzt beginnt „Joe’s time", und die verspricht immerhin Entspannung, vielleicht sogar auf breiter Front. Zwar war selbst der alte Mime Ronald Reagan bei seiner Amtseinführung jünger als der bald 78-jährige Senior Biden; doch mit ehrwürdigen Alten haben wir ja auch in Deutschland gute Erfahrungen gemacht: Konrad Adenauer war ebenfalls schon 73, als er erstmals Bundeskanzler wurde, und er blieb es 14 Jahre lang. Der Alte aus Rhöndorf musste mit 87 sogar mit sanfter Gewalt zum Rückzug gezwungen werden, am liebsten hätte er noch weitergemacht oder wäre zumindest gern Bundespräsident geworden.
Jedenfalls ist der Donald-Spuk bald vorbei. Dann brauchen wir uns nicht mehr fremdzuschämen, wenn ein blond gefärbtes Rumpelstilzchen sämtliche Konventionen auf den Kopf stellt und allen Ernstes von allen anderen erwartet, er allein habe die Spielregeln zu bestimmen. Immerhin konnte das Land der unbegrenzten Möglichkeiten abermals seinem Ruf gerecht werden: In Amerika ist tatsächlich alles möglich, selbst das scheinbar Unmögliche.
Nachher werde ich zum Bäcker gehen und mir einen Amerikaner kaufen. Wenn man diese Dinger umdreht, sehen sie übrigens ein bisschen aus wie die Frisur des Typen, der drauf und dran war, unseren amerikanischen Traum zu zerstören. Ich bin ziemlich sicher, dass mir die Kalorienbombe diesmal besonders gut schmecken wird.