Hochschulpolitik ist komplex, ebenso die Anliegen der Studierenden. Aber wie kommen ihre Interessen eigentlich bei ihrer „Exekutive", dem Asta, an? Nadja-Severine Simon ist Vorsitzende der Fachschaftenkonferenz, die die Sorgen von Studierenden aus erster Hand kennt.
Frau Simon, wie schätzen Sie das politische Interesse der Studierenden der Universität des Saarlandes ein?
Ich habe 2009 angefangen zu studieren, war dann in Trier eine Zeit lang selbstständig und bin zurück an die UdS gekommen. Ich habe tatsächlich das Gefühl, dass das politische Engagement an der Uni etwas zurückgeht. 2009 gab es noch die Besetzung des Musiksaals und Proteste gegen die Studiengebühren. Überall gab es Leute, die sich für irgendetwas engagiert haben, und auch beim Asta war das alles sehr präsent. Vielleicht habe ich mittlerweile auch einfach einen anderen Blick darauf, denn es gibt auch heute definitiv noch Leute, die sich einsetzen. Aber man sieht es auch an der Wahlbeteiligung bei den Stupa-Wahlen, die sehr gering ist.
Woran könnte das liegen?
Der Asta gibt sich sehr viel Mühe, mit den Studierenden in Kontakt zu kommen, aber ich glaube viele wissen gar nicht, was er alles macht. Wenn man sich dafür interessiert und sich etwas einliest, dann merkt man, dass innerhalb des Astas und der Arbeitskreise alle sehr aktiv sind. Aber ich glaube auch, dass der Bologna-Prozess und die Art und Weise, wie Studium mittlerweile aufgebaut ist, nicht die Zeit lässt, um sich noch aktiver und intensiver zu engagieren. Ich denke schon, dass das Interesse da ist. Es gab ja auch wegen der Verwaltungsgebühr und bei Fridays for Future Demos, bei denen die Studierenden definitiv mittendrin waren.
Ist den Studierenden überhaupt bewusst, wo auf dem Campus die passende Anlaufstelle für politisches Engagement ist?
Im Sekretariat des Asta fühlt man sich manchmal so ein bisschen wie in der Studienberatung. Aber es ist auch immer schön, wenn Leute vorbeikommen und fragen, ob sie sich irgendwo beteiligen können. Es ist im Grunde für jeden etwas da in den Referaten, die im Asta aufgestellt worden sind. Das ist den Studierenden zwar nicht immer so bewusst, aber wenn sie dann mit allgemeinen Problemen auf uns zukommen, weisen wir sie darauf hin. Ich glaube, gerade wenn es Probleme in Bereichen wie Sexismus oder Gleichstellung gibt, kommen sie eher auf die Idee, dass man damit zum Asta gehen könnte. Aber im Grunde kann man auch alles auf unserer Website nachlesen, die wirklich super aufgebaut ist.
Würden Sie sagen, dass aktuelle politische Themen wie Rassismus, Gender und Feminismus/Gleichstellung auch auf dem Campus präsent sind?
Meiner Meinung nach schon, aber ich studiere auch Kunst- und Kulturwissenschaften und da sind diese Themen sowieso im Studium integriert. Aber auch die Art und Weise, wie der Asta sich dafür einsetzt, finde ich sehr präsent. Es gab dieses Jahr in Saarbrücken diesen Anschlag auf den Studenten mit afrikanischen Wurzeln, woraufhin der Asta eine Pressemitteilung herausgegeben hat. Bei den Demonstrationen dagegen waren auch viele Studis anwesend. Asta und Stupa haben auch dazu aufgerufen, gegen die Saarbrücker Burschenschaften, die in antisemitische Gewalttaten verwickelt waren, vorzugehen. Und es gibt im Asta sowohl das Frauenreferat als auch das Queer-Referat, wodurch sich ja auch mehr Personen um diese Themen kümmern können. Im Studentenalltag an sich ist es, glaube ich, nicht so präsent, aber da kommt es auch noch mal auf den Studiengang an. Ich weiß nicht, wie präsent solche Themen wie Gleichstellung und Geschlechterverhältnisse beispielsweise bei den Naturwissenschaften im Vergleich zur Philosophischen Fakultät sind. Aber ich hatte in der Kunstgeschichte schon Kurse, in denen Dozenten sich dafür entschuldigt haben, dass sie nicht so viele weibliche Künstler in ihre Themengebiete mit aufgenommen haben. Da kann man dann auch durchaus dagegen sprechen und sich fürs nächste Semester wünschen, dass das besser umgesetzt wird. In den FSK-Sitzungen bekomme ich mit, dass diese Themen präsent sind. Auch, wenn es immer mal wieder Reibereien bei den Studierenden gibt, je nach politischer Ausrichtung. Allerdings habe ich noch nie mitbekommen, dass sich jemand gegen Gleichstellung oder Gleichberechtigung ausgesprochen hat.
Was sind derzeitige Probleme, mit denen sich auch die Fachschaften beschäftigen?
Die Grundarbeit, die man in den Fachschaften betreiben muss, ist zu überlegen wie man die Studierenden erreichen kann, damit man überhaupt erfährt, was sie wollen. In den Fachschaften kann jeder Studi Mitglied sein und in den FSK-Sitzungen mit den gewählten Vertretern kann jeder einfach mal ein bisschen von seinem Studiengang erzählen. Das ist sehr wichtig, um herauszufinden, ob die Studis zufrieden sind und auch mit den Dozenten klarkommen. Da kommen teilweise sehr unschöne Dinge ans Tageslicht. Wenn man hört, dass das Online-Semester ja so super gelaufen ist, muss man leider sagen, dass das nicht überall der Fall war. Viele haben sich auch gefragt, warum sie das Semesterticket zahlen müssen, wenn sie es derzeit gar nicht nutzen. Es gibt sechs unterschiedliche Gründe für die Beantragung einer Rückerstattung, aber das coronabedingte Online-Semester ist leider keiner davon. Ich habe das Gefühl, viele Studierenden nutzen jetzt auch die Möglichkeit eines Urlaubs-Semesters, um die Zeit zu überbrücken, weil sie einfach der Meinung sind, dass das mit diesem Online-Semester nicht funktioniert. Auch in der Verwaltung, beispielsweise im Studierendensekretariat, gibt es Probleme wegen Kräftemangel durch die Corona-Situation, weshalb man dort derzeit kaum jemanden erreichen kann. Da hingen die Studis dann in der Luft, weil sie gar nicht wussten, ob sie jetzt einen Studienplatz haben oder nicht.
Wie gehen die Studierenden mit solchen Problemen um?
Also ich bin 30, das heißt, ich bin teilweise ein Jahrzehnt weiter als die meisten Erstsemester. Aber trotzdem würde ich mir manchmal von den Studis wünschen, sie würden mehr den Mund aufmachen. Was ich so mitbekomme ist, dass die Erstis direkt aus der Schule kommen und es von dort kennen, dass man ihnen sagt, was sie machen sollen –
dann machen sie das eben. Und selbst mit dem Arbeitsaufwand, der jetzt mit Corona kam, habe ich das Gefühl, sie beschweren sich privat untereinander und haben den Stress, aber sie halten es aus und entweder es klappt und sie bestehen oder sie fallen eben durch. Sie übernehmen einfach diese Machtstellungen fürs Studium, die sie aus der Schule kennen. Und das finde ich immer so schade, weil sie sich engagieren können, wenn sie etwas ändern wollen.
Wie kommen die Interessen der Studierenden denn letztlich beim Asta an?
Zum einen steht der Asta natürlich jederzeit selbst für die Belange der Studierenden zur Verfügung. Zum anderen gibt es ein explizites Fachschaftsreferat, das an die Fachschaften herantritt und fragt, welche Probleme oder Anliegen es bei den Studierenden gibt. Studierendenparlament (Stupa) und Hochschulgruppen sind sozusagen Interessenvertreter wie die Parteien im Bundestag. Der Asta ist die ausführende Gewalt, die vom Stupa gewählt wird, und die einzelnen Referate sind im Asta vertreten. Die meisten werden direkt aus Parteien in ein Referat gewählt. Die Parteien, die später im Stupa sitzen, treffen Entscheidungen, die alle Studierenden betreffen. Das sind so viele Dinge wie zum Beispiel, wie sich die Uni in den nächsten Jahren weiterentwickelt, auf welche Interessen Wert gelegt wird, was an das Präsidium herangetragen wird und wo die Gelder hinfließen. Daher ist es auch so essenziell, dass man wählen geht.