Wahlen an Universitäten zeichnen sich meist durch ziemlich geringe Wahlbeteiligungen aus. Aber warum? An der Saar-Uni stehen die Wahlen für das Studierendenparlament (Stupa) vor der Tür. Die Corona-Bedingungen sind eine zusätzliche Herausforderung.
Eigentlich sollten die Wahlen zum Studierendenparlament (Stupa) bereits im Sommersemester 2020 stattfinden. Weil die Pandemie jedoch jegliche Pläne über den Haufen geworfen hat, wurden die Wahlen auf den 16. bis 20. November verschoben.
Bis dahin muss erst einmal überlegt werden, wie man Wahlen während einer Pandemie am besten organisiert – online oder doch per Briefwahl? Jetzt ist klar: Die Briefwahl macht das Rennen. „Da die Sicherheit durch Online-Wahlen bis zum geplanten Novembertermin nicht gewährleistet werden kann", erklärt Lukas Redemann, Vorsitzender des Stupa. Da es rechtlich gesehen jedoch eine Möglichkeit für eine Präsenzwahl geben muss, wird ein Wahlbüro am Homburger und eines am Saarbrücker Campus platziert – Hygienemaßnahmen und schnelle Erreichbarkeit obligatorisch. Neben der Frage, wo und wie am besten gewählt werden soll, fragen sich die meisten der Studierenden allerdings: Was wird eigentlich gewählt?
Hochschulpolitik mit großer Bandbreite
Alle Studierenden innerhalb ihres Fachs gehören einer bestimmten Fachschaft an. Diese wiederum wählt Vertreterinnen in einen Fachschaftsrat, der politisch neutral ist und gemeinsam mit anderen Fachschaftsräten in einer Fachschaftenkonferenz einen Vorsitz ernennt. Dieser Vorsitz ist ständiger Gast im Stupa, das wiederum einmal im Jahr von den Studierenden gewählt wird, in einer Wahl, die der Ältestenrat als unabhängiges Schlichtungs- und Kontrollgremium der Studierendenschaft konstituiert. Das Stupa wählt dann den Vorsitz des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta), der Referenten für sein Asta-Kabinett vorschlägt, die dann erneut vom Stupa gewählt werden. Im Grunde genommen also ganz einfach. Aber was genau machen Asta und Stupa – außer reden?
Laut Lukas Redemann versteht man unter dem Asta eher die Exekutive, also vollstreckende Gewalt, und unter dem Stupa die Legislative, die gesetzgebende Gewalt der Studierendenschaft. Im Stupa, das auch das Haushaltsrecht der Studierendenschaft hat, werden Beschlüsse gefasst, die der Asta, auch im Dialog mit der Hochschulleitung, umzusetzen hat. Er weist allerdings noch einmal auf die Wichtigkeit der Fachschaften hin: „Ich würde sagen, das ist im Bundestag nicht anders. Wir Abgeordneten sind schon auf einem anderen Level. Wir kennen uns sehr gut mit der Materie aus, aber wir haben nicht den nächsten Draht zu den Studierenden. Das sind eher die Fachschaftsräte, weil sie im ständigen Kontakt mit den Studierenden sind."
Das Stupa besteht aus Referenten der sieben Hochschulgruppen, von denen einige, jedoch nicht alle, direkt an eine politische Partei gebunden sind. Zu ihnen gehören die Aktiven Idealisten, die Grüne Hochschulgruppe, die Juso-Hochschulgruppe Saar, die Liberale Hochschulgruppe, der RCDS/JU Saar, die OPFA (ökologisch, progressiv, friedlich, alternativ/autofrei) und die Linke Liste – SDS und Unabhängige Saar.
Neben Themen der aktuellen Bundespolitik stehen im Stupa hochschulpolitische Themen auf der Tagesordnung: „Ich denke, vielen Studierenden ist nicht klar, dass wir eine unglaubliche Bandbreite an Themen abdecken, die es auch in der Bundespolitik gibt. Das sind nicht nur Studienqualität, sondern auch Mobilität, Transportkosten, Klima und Nachhaltigkeit, aber auch Löhne. Genauso wie in der Bundespolitik sind wir zum Beispiel diejenigen, die sagen, die Gehälter sind zu niedrig oder die Verträge sind zu kurz mit einer Befristung auf sechs Monaten. Es geht auch darum, dass Hilfswissenschaftler immer noch keine Arbeitnehmervertretung haben", erklärt Lukas Redemann. Hannah Spies, stellvertretende Asta-Vorsitzende, fügt noch hinzu: „Dazu kommt, dass wir fordern, an der Uni nachhaltig zu bauen und zu sanieren und noch viel mehr."
Trotzdem fällt die Wahlbeteiligung bei den Studierenden der Universität eher gering aus. Die Wahlbeteiligung der Stupa-Wahl 2019 lag im Durchschnitt bei 11,37 Prozent. Laut Asta-Vorsitz lag sie in den letzten Jahren irgendwo zwischen 11 und 14 Prozent, womit die UdS bundesweit immerhin noch eine der besten Hochschulen ist. Woran das liegt, können sich Lukas Redemann und Hannah Spies nur teilweise erklären: „Ich wage mal die Behauptung, dass das politische Interesse sehr vom Studiengang abhängt und von der Person selbst. Es gibt Personen, die sind politisch sehr interessiert. Das sind dann diejenigen, die sich selbst aufstellen lassen, sich einbringen und sich in Gremien wählen lassen. Wir beobachten allerdings auch, dass es sehr vom Campus abhängt. Zum Beispiel wählen deutlich mehr Mediziner am Campus Homburg als hier. Das kann auch damit zusammenhängen, dass Homburg ein eigener Campus ist, wo man möglicherweise auch mehr das Bedürfnis hat, eine Stimmte zu haben: Bei den Studierendenparlamentswahlen haben die Mediziner immer um die 20 Prozent Wahlbeteiligung", erklärt der Stupa-Vorsitzende. Hannah Spies denkt dabei noch an etwas anderes: „Ich mache bei der Frage, warum die Leute nicht wählen, immer das große Fass auf, dass es einfach keine Zeit mehr dafür gibt. Die Leute müssen ihren Bachelor alle in sechs Semestern durchpauken, oder zumindest wird ihnen das erzählt. Es bleibt einfach keine Zeit mehr, sich für irgendetwas anderes zu interessieren, privat mal über den Tellerrand zu gucken und auch zu realisieren, dass wir keine unwichtigen Dinge tun." Und sie fügt hinzu: „Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass es unheimlich wichtig ist, was wir tun, sonst wäre bei der Corona-Ordnung so einiges anders gelaufen." Noch dazu scheinen sich viele Studierende nicht darüber im Klaren zu sein, dass auch ihre Stimme einen Einfluss hat. Laut Lukas Redemann leben viele nach dem Motto „Nach mir die Sintflut", weil sie davon ausgehen, dass sie nach drei Jahren sowieso nicht mehr an der Uni sind. Warum also sich politisch engagieren? Hannah Spies bekräftigt dagegen: „Im Grunde sind wir Studierenden die größte Statusgruppe an der Universität: Die Uni sollte in erster Linie für die Ausbildung der Studierenden da sein und nicht nur für die Forschung. Vielleicht muss man das den Studis noch mal klarmachen." Deshalb sollten sie wählen. Aber das gestaltet sich diesmal schwieriger.
Stupa-Wahl unter Corona-Bedingung
Coronabedingt werden die Gruppen-Urwahlen und die Stupa-Wahlen diesmal, anders als in den letzten Jahren, nicht gemeinsam stattfinden. Da die Zusammenlegung der Wahlen in den letzten Jahren für eine stärkere Wahlbeteiligung bei der Stupa-Wahl gesorgt hat, könnte sie dieses Jahr wieder etwas geringer ausfallen. Wahlkampf im Sommer ist ohnehin einfacher. Nun haben sich die Fraktionen gemeinsam gegen einen Wahlkampf in Präsenz entschieden und setzen auf Plakate und Social Media. „Bei ein paar Erstsemester-Veranstaltungen sind wir noch vor der Wahl dabei, und wir sind gespannt, ob es einen Unterschied bei der Wahlbeteiligung macht, wenn wir sie noch mal darauf hinweisen, dass in drei Wochen die Wahl ist und sie ab nächster Woche ihre Unterlagen für die Briefwahl beantragen können", erzählt Hannah Spies. Allerdings sei es gerade bei den Erstsemestern schwer, Aufmerksamkeit für irgendwelche Wahlen an der Universität zu bekommen. „Gerade bei den Erstis finden wir es wichtig zu vermitteln, dass man auch an der Uni wählen gehen sollte. Aber die müssen sich so viel anhören und sich einleben, da sind bestimmte Sachen einfach wichtiger, wie zum Beispiel, wo sie eine Wohnung finden oder wie die Mensa funktioniert", erklärt Lukas Redemann.
Die Hoffnung auf stärkere Wahlbeteiligung – trotz Corona – bleibt dennoch bestehen, verbunden mit dem Aufruf an alle Studierenden, dass ihre Stimme Wirkung hat – auch über ein dreijähriges Studium hinaus.