Der 1. FC Saarbrücken dreht abermals ein Spiel und steht an der Tabellenspitze. Neue Ziele möchte aber niemand ausgeben. Am Freitag steht die Reise zu Viktoria Köln an.
Am Tag nach dem Triumph hat sich Nicklas Shipnoski noch einmal das gesamte Spiel angesehen. „Ganz ehrlich, dass mache ich nur nach sehr emotionalen Siegen, um mich noch mal zu pushen", erzählte der 22-Jährige. Der 2:1-Erfolg gegen den Meisterschaftsfavoriten Dynamo Dresden war auch das Spiel des Neuzugangs vom SV Wehen Wiesbaden. Nachdem die Gäste durch Christoph Daferner früh in Führung gegangen waren, besorgte „Shipi" kurz vor der Pause den Ausgleich. Und als sich eigentlich alle mit einem Unentschieden abgefunden hatten, startete der Rechtsaußen noch einmal einen tiefen Lauf und bediente Sebastian Jacob, der per Hacke zum 2:1-Siegtreffer vollendete.
Neun Spieltage sind absolviert, 19 Zähler hat der FCS auf dem Konto. Sechsmal ging das Team von Lukas Kwasniok als Sieger vom Platz, zweimal wurde verloren, einmal gab es eine Punkteteilung. Und das in einer Liga, in der es normalerwiese viele Unentschieden gibt. „Das zeichnet uns ein Stück weit aus, dass wir bis zum Schluss dran glauben. Ich gewinne lieber zweimal, als dass ich fünfmal Unentschieden spiele. In dieser engen Liga zählen Siege fast doppelt", sagte der gebürtige Wormser.
Nach einer schwierigen Zweitligasaison hat der 22-Jährige schnell beim FCS Fuß gefasst. In allen neun Spielen stand er von Beginn an auf dem Platz, siebenmal ging er über die volle Distanz. Vier Treffer und drei Assists sind eine herausragende Bilanz. Im Team von Trainer Lukas Kwasniok genießt der Pfälzer das Prädikat unverzichtbar. Gleiches gilt für Torjäger Sebastian Jacob. Die beiden Offensiven absolvieren Woche für Woche ein enormes Laufpensum. Manchmal geht es zulasten der Effektivität. Zweimal agierte Jacob gegen Dresden unglücklich im Abschluss. Aber in der Schlussminute war er hellwach. „Es ist manchmal so im Fußball. Manchmal hast du Scheiße an den Schuhen und dann geht doch noch einer rein", sagte der 27-Jährige nach dem Spiel.
„Wir sollten die Kirche im Dorf lassen"
Coach Kwasniok hatte trotz des aufreibenden Spiels unter der Woche beim MSV Duisburg auf eine große Rotation verzichtet. Lediglich Timm Golley rückte für den erkälteten Kianz Froese in die Mannschaft. Zwei Wochen zuvor, nach dem Auswärtssieg bei 1860 München, hatte er vor dem Heimspiel gegen Verl mehr rotiert. Das Spiel wurde verloren. Dieses Mal entschied sich der 39-Jährige dafür, die Euphorie mitzunehmen. Er lag damit ebenso goldrichtig wie mit der Entscheidung, den lange Zeit glücklosen und müde wirkenden Jacob auf dem Feld zu lassen. „Ich bin froh und dankbar, dass er fit ist. Und ich werde ihn nie ausschließlich an Toren messen. Er gibt der Mannschaft so viel durch seinen Einsatz. Er ist einfach ein geiler Neuner", lobte der Trainer, der hinterher einräumte, dass er durchaus Bedenken hatte, dass die Mannschaft abermals einen solchen Kraftakt würde liefern können: „Wir haben gewusst dass es in den letzten 15, 20 Minuten eng werden könnte. Dresden hat dann umgestellt und Druck gemacht. Einige meiner Spieler waren mental und körperlich absolut am Ende", sagte Kwasniok. Dennoch hatte Mannschaftskapitän Manuel Zeitz nicht Unrecht, als er anschließend von einem verdienten Sieg sprach. „Wir haben schon die besseren Chancen gehabt."
Der Trainer und einige seiner Spieler hatten sich zuletzt über die hohe Erwartungshaltung und die negativen Reaktionen des Umfelds nach den beiden Niederlagen gegen Verl und Uerdingen gestört. Nun hat der FCS die Messlatte aber sehr hoch gelegt. „Viele Spiele waren eng. Es hätten auch fünf Unentschieden dabei sein können. Dann würde die Welt ganz anders aussehen", sagte Kwasniok. Sein Dresdener Kollege Markus Kauczinski hatte bereits vor dem Spiel versucht, die Favoritenrolle abzuwehren. „Saarbrücken hat eine sehr starke Mannschaft, die bis zum Ende ganz oben mitspielen wird." Doch davon wollen weder Kwasniok noch seine Spieler etwas hören. „Wir haben neun Spiele absolviert und sollten die Kirche im Dorf lassen. Wenn mal 25 Spiele rum sind und man oben dabei ist, kann man über andere Ziele sprechen", sagte Nicklas Shipnoski. Wirklich überrascht von den starken Leistungen seines Teams ist der 22-Jährige aber nicht. „Ich habe schon während der Vorbereitung gemerkt, dass viel Potenzial im Team steckt. Aber in der 3. Liga kannst du die Dinge nie vorhersagen. Ein paar Verletzte, ein bisschen Pech und schon hast Du eine Negativserie. Wir sind gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken."
Dennoch sind zwei Dinge auffällig. Mannschaft und Trainerteam sind eine Einheit. Die Jubelorgien nach den späten Siegtreffern sprechen für sich. „Bei uns gönnt jeder dem anderen eine gute Aktion", sagte Siegtorschütze Jacob. Und Vorlagengeber Shipnoski ergänzte: „Wir haben eine unheimlich positive Stimmung. Jeder ist für den anderen da. Wir sind echt ein verschworener Haufen." Und noch etwas spricht für den FCS im Herbst 2020. Im Gegensatz zum Vorjahr, als die Mannschaft zum Ende einer englischen Woche in (un)-schöner Regelmäßigkeit einbrach, ist das Team topfit. So fahren die Blau-Schwarzen mit breiter Brust zur vor der Saison als Geheimfavoriten ausgerufenen Kölner Viktoria. „Die Uhren werden auf null gestellt, es wird sicher wieder eine enge Kiste. Aber wir haben in jedem Spiel gezeigt, dass wir mindestens gleichwertig sein können", sagte Shipnoski.