Noch hat kein Impfstoff die volle Zulassung. Die logistischen Vorbereitungen für Produktion, Transport und Verteilung laufen aber bereits auf Hochtouren.
Wohl noch nie waren Druck und Erwartungshaltungen so groß. Und wohl auch noch nie die Kämpfe im Hintergrund. Die Welt wartet auf einen Impfstoff, ohne den ein einigermaßen normales Leben nicht möglich ist. Seit der Zwischen-Erfolgsmeldung richten sich die Blicke aller Welt nach Mainz. Biontech hatte die Nase ganz vorn im Rennen um die Zulassung. Die Mainzer um Ugur Sahin blieben nicht lange allein. Inzwischen meldet auch der US-Konzern Moderna Erfolge. Etwa 40 Impfstoffkandidaten sind derzeit auf dem Weg durch die Test- und Zulassungsverfahren, knapp ein Drittel davon in der Phase drei, also kurz vor dem Zulassungsverfahren. Eine Handvoll hat eine eingeschränkte Zulassung. Nach ziemlich einhelliger Einschätzung dürften im Lauf des nächsten Jahres eine Reihe von Impfstoffen zugelassen sein und zur Verfügung stehen.
Biontech verfolgt bei der Entwicklung ein neuartiges Konzept mit einer neuen Technologie. Hauptkonkurrent dabei ist Moderna, das den gleichen technologischen Ansatz verfolgt. Wie Biontech ist Moderna keiner der ganz großen globalen Player, aber die verfolgte Technologie könnte, so die Hoffnung, die Tür zu ganz neuen Therapien aufstoßen, weil sie bei Botenstoffen im Körper ansetzt. Einer der Pioniere dabei ist im Übrigen auch Curevac in Tübingen. Deren Impfstoffentwicklung ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass eine Zulassung vor Frühjahr zu erwarten wäre, was aber auch daran liegt, dass man dort andere Konzepte verfolgt. Gleichzeitig wird weltweit auch an eher traditionell funktionierenden Impfstoffen (Stichwort „Vektor") gearbeitet.
Die Erfolgsnachricht aus Mainz hat zwar mitten in der zweiten Welle für Hoffnung gesorgt, dabei aber ein wenig überdeckt, dass viele Fragen auch bei einer möglichen baldigen Zulassung noch offen sind. Etwas, was der Impfstoff wirklich leisten kann, bis hin zu wie lange eine mögliche Immunität vorhält.
Erste greifbare Erfolge – viele offene Fragen
Ungeachtet dessen laufen die Vorbereitungen für zigmillionenfache Impfungen längst auf Hochtouren. Die EU hat mit den wichtigsten Lieferanten Abkommen getroffen: Astra Zeneca (britisch-schwedisch), Jansen (belgische Tochter des US-Konzerns Johnson & Johnson), Sanofi (Frankreich), Glaxo-Smith-Kline (Großbritannien), dazu eben mit Biontech (in Kooperation mit Pfizer, USA), Curevac und Moderna.
Parallel dazu laufen die produktionstechnischen und logistischen Vorbereitungen auf Hochtouren. Produziert wird jetzt schon in Erwartung der Zulassung. Allerdings geht es um bislang nicht gekannte Dimensionen, soweit man davon ausgeht, dass die gesamt Weltbevölkerung geimpft werden müsste. In diesen Dimensionen sind Lieferketten eine mögliche Schwachstelle.
Die andere Herausforderung ist der Transport. Einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" zufolge spricht die IATA (International Air Transport Association) von der „Mission des Jahrhunderts". Lufthansa Cargo soll beispielsweise alte Transportmaschinen, die eigentlich ausgemustert werden sollten, weiter in Dienst halten. Vor allem müssen Kühlketten aufgebaut werden. Wenn Transporte bei Temperaturen von zwei bis acht Grad notwendig wären, dürfte das mit der bestehenden internationalen Struktur machbar sein. Allerdings war zuletzt mehrfach von einer notwendigen Kühlung von bis zu minus 70 Grad die Rede. In diesem Fall sind ganz andere Kühlketten-Strukturen notwendig. Eine Verteilung in Teilen Afrikas oder Südamerikas würde vor besonderen Herausforderungen stehen, die in weiten Teilen mangelhafte Infrastruktur würde noch verschärft werden. Davor würde sich aber die Frage stellen, welche Kapazitäten Hersteller von Tiefkühlschränken haben, die sich dann einer ungeahnten Nachfrage gegenübersehen sehen würden. Und letztlich steht auch das Thema Sicherheit im Raum. Schließlich handelt es sich um ein zunächst rares und hoch begehrtes Gut mit der Folge von Verteilungskämpfen. Die sind zwar jetzt schon auf den unterschiedlichsten Ebenen heftig im Gang, dürften sich aber noch einmal verschärfen.