Berührt soll man sich fühlen. Unter die Haut sollen sie gehen, die Auftritte des Ensembles Unverhofft. Leider konnte das Trio in diesem Jahr längst nicht so oft auftreten wie geplant – doch die musikalischen Kabarettisten machen das Beste daraus.
Anziehen, ausziehen, umziehen – es ist eine hektische Phase vor dem Auftritt in Völklingen. Das Ensemble Unverhofft bereitet sich darauf vor, die rund 40 Gäste im Alten Bahnhof zum Schmunzeln, Lachen, Staunen und Mitwippen zu bewegen. Gar nicht so einfach in Corona-Zeiten. Doch da ein Ruf: „Haare, Schmuck, Schuhe. Kann losgehen!" Und Melitta Bach, Daniela Kunzen und Daniel Krüger treten aus ihrem Ruhe- und Vorbereitungsraum ins Rampenlicht: dem kleinen schmucken Räumchen neben dem Restaurant. Die Tische der Besucher stehen natürlich im gebotenen Abstand zueinander. Die Distanz zur Unterhaltung wiederum ist weitestgehend nicht vorhanden, und so danken die Leute mit Lachern und Applaus.
„2020 waren echt viele Termine angedacht", sagt Melitta Bach kurz vor der Aufführung. Doch Corona funkte natürlich dazwischen. Umso freudiger erwartet das Trio den Auftritt in Völklingen – ihrem dritten seit dem ersten Lockdown. Im Normalfall sei man im Schnitt anderthalb Mal im Monat auf den Bühnen unterwegs, wie sie sagt. Dabei unterhalten die beiden Sängerinnen und der Pianist mit einem Stilmix aus Kabarett, klassischen Songs und „Impro-Quatsch", wie Daniela Kunzen ironisch formuliert. „Die Macht der Frauen ist auch ein ganz großes Thema", sagt Daniel Krüger.
Die beiden Frauen lernten sich vor rund 15 Jahren kennen, im Zuge der Vorbereitungen und Aufführungen von „Stumm – Das Musical" des Neunkircher Musical-Projektes, bei dem beide mitspielten und mitsangen. Seit neun Jahren ist man als Unverhofft unterwegs, zunächst mit Carina Peitz als musikalische Begleitung. Seit einigen Jahren ist der 30 Jahre alte Daniel Krüger festes Mitglied des Ensembles und beherrscht musikalisch alles, was Tasten hat. Wenn es die Dramaturgie erfordert, ergänzen auch die beiden Sängerinnen das Geschehen instrumental, etwa mit „Trompete", Gitarre, Flöte, Cajon oder der Triangel.
Klassische Songs und „Impro-Quatsch"
„Bei unserer Performance kommt es vor allem darauf an, dass sich die Zuhörer berührt fühlen und es unter die Haut geht, und weniger darum, den schönsten Ton zu singen", sagen die beiden Frauen unisono. Von dieser Aussage sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Denn die 57-jährige Mitarbeiterin in einem Unternehmen für Technologie-Know-how und IT-Beratung in Bexbach (Melitta Bach) und die 44-jährige Therapeutin in einer Suchtklinik (Daniela Kunzen) überzeugen mit eindrucksvollen gesanglichen Darbietungen. So schlawinern sich Sopran Kunzen und Alt-Stimme Bach durch Chansons wie das von Barbara Schöneberger bekannte „Alles echt", stimmen den „Nussschüsselblues" von Die Feisten an oder werden ganz ernst in „Je suis malade", das unter anderem durch Dalida Berühmtheit erlangte.
Wie man den Titeln entnehmen kann, ist das Thema Körperlichkeit für diesen Auftritt immens wichtig. Schließlich heißt das Programm „Bodytalk! Drei Klangkörper on Tour". In dem musikalisch-humoristischen Kult(ur)-Event nimmt das Trio Schönheitsideale und Gebrechen, Stimmungsschwankungen und Eitelkeiten mit Haut und Haar unter die Lupe und auf die Schippe. Es dreht sich also alles um die Be- und Empfindlichkeiten des Körpers und dessen Fähig-, Fertigkeiten und Besonderheiten. „Also von Haar-Dur bis Zeh-Dur", wie es Melitta Bach scherzhaft formuliert. Es ist natürlich gerade derzeit geboten, „den Körper auf Abstand sprechen zu lassen", wie es Daniela Kunzen formuliert. Doch die Idee zum Programm schwebte ihnen bereits einige Jahre vor, die Premiere war lange vor Corona und wurde in der „Breite 63" in Saarbrücken abgehalten.
Man merkt den dreien nicht nur den Spaß auf der Bühne an, sondern auch die Eingespieltheit und das blinde Vertrauen, das über die Jahre gewachsen ist. Ihre Programme entwickeln sie gemeinsam. Dabei haben schon einige ensembleinterne Klassiker den Weg ins Gesamtrepertoire geschafft. Das ebenso humoristische wie textlich anspruchsvolle „Mein Spaghetti-Kavalier" von Margot Werner zum Beispiel werde immer gern auf Privatfeiern verlangt. Mit dem parallel laufenden Programm „Querbeet" traten die drei von Unverhofft am Abend vorher in der Merziger Stadthalle auf. Dabei haben sie Songs von Die-Ärzte-Frontmann Farin Urlaub oder Tango-Magier Astor Piazzolla im Gepäck.
Für „Bodytalk!" kam unter anderem „Schön genug" ins Programm. Das Stück der Liedermacherin Lina Maly hatte Daniel Krüger im Radio gehört „und den Mädels geschickt", wie er erzählt. Neben der Musik spielen auch immer die Frotzeleien eine große Rolle; vor allem zwischen den beiden Frontfrauen. Die spielen sich die Bälle hin und her, werfen sich gegenseitig ihre vermeintlichen Schwächen vor, etwa expressive Gestik – „Dein Körper spricht keine Bände, sondern ganze Enzyklopädien" – oder zwei, drei Gramm zu viel, die ja aber lediglich dazu da sind, das Spektrum zu erweitern. Am Ende haben sich natürlich alle wieder lieb. Man kabbelt sich, man keift liebevoll, ab und zu darf Daniel Krüger zu der geballten weiblichen Schlagfertigkeit verbal ebenfalls etwas beitragen.
Manchmal wird es auch ernst
Ist der erste Teil noch recht klassisch-kabarettistisch gehalten, kommen im zweiten Durchlauf schauspielerische Elemente hinzu. So singt Daniela Kunzen bei einem Stück davon, dass ihr Körper zu einem Versuchslabor wurde. Passend dazu verkleidet sich Melitta Bach als Krankenschwester und schluckt aus Reagenzgläsern Flüssigkeiten in diversen Farben, wirft sich einige bunte Pillen ein und genehmigt sich einen Riesen-Joint. Ein anderes Mal nimmt das Trio „Instagram-Perfektionismus" auf die Schippe, wobei tiefer gehende Panik völlig unbegründet ist, denn: „Ich kann Photoshop." Auch gibt es wieder einen Gastauftritt von Melitta Bach als Karl-Heinz aus Hostenbach. Als kerniger Kerl darf sie da vom Leder ziehen.
Neben all dem Schabernack wird es auch immer wieder ernst. Etwa, wenn Daniela Kunzen „Don’t Cry for Me Argentina" in einer umgetexteten Version den Schlankheitswahn aufgreift. Bei Unverhofft heißt es dann „Ich leide an Bulimia". „Wir wollen schließlich nicht einfach nur covern", erläutert Melitta Bach. Das Grande Finale wird gestaltet mit „Non, je ne regrette rien" von der unsterblichen Edith Piaf. Trotz aller Ablenkungsversuche, dem Lied komödiantisch den Ernst zu nehmen oder Kunzen zumindest zum Falschsingen zu bewegen, hält diese eisern und stimmgewaltig durch.
Ein schöner Abend in Begleitung eines begabten Ensembles neigt sich dem Ende zu. Das Trio hat die Besucher rund zweieinhalb Stunden erfolgreich abgelenkt vom alles beherrschenden Thema des Jahres. Tango, Reggae, Pop, Blues, Chanson sowieso – die musikalischen Kabarettisten (oder kabarettistischen Musiker?) wird es nach den Lockdowns sicher wieder auf die Bühnen verschlagen. Und nach diesem Abend ist sicher: Unverhofft – darf öfter kommen.