Es ist ein schmaler Grat, den Zuschauer Mitgefühl für Schwerverbrecher empfinden zu lassen, sie gleichzeitig nicht zu glorifizieren und die Handlung packend zu gestalten. Mit „Escape at Dannemora" ist es Regisseur Ben Stiller gelungen. Sein überzeugender Cast leistet sein Übriges.
Der Plot von „Escape at Dannemora" ist schnell erzählt: Zwei verurteilte Mörder mit lebenslangen Haftstrafen planen ihren Gefängnisausbruch. Unterstützt werden sie dabei von einer Angestellten der Näherei in der Haftanstalt, in der die beiden arbeiten. Besagte Angestellte hat einiges für die beiden „bösen Jungs" übrig, obwohl sie verheiratet ist.
Man schaut die US-amerikanische Miniserie von Anfang an aus einem besonderen Blickwinkel mit dem Wissen, dass sie auf realen Begebenheiten basiert. Ben Stiller, den viele nur als Ulknudel aus zahlreichen eher seichten Komödien kennen, führte bei allen Episoden Regie.
Im Jahr 2015 setzten die beiden Verurteilten nach langer Vorlaufzeit ihren Ausbruchplan in die Tat um. Das Gefängnis Clinton befindet sich im Bundesstaat New York, in einer Gegend, in der viele Menschen von ihrem Kleinstadtleben angeödet sind. So geht es auch Tilly Mitchell (Patricia Arquette). Schon lange sucht sie in ihrem Leben nach etwas Aufregendem. Die Lösung für etwas Abwechslung findet sie in sexuellen Affären neben ihrer Ehe. In „Escape at Dannemora" lässt sie sich zunächst auf den Anfang-30-jährigen David Sweat (Paul Dano) ein. Als der die Näherei verlassen muss, weil sich die Affärengerüchte verhärten, versucht Richard Matt (Benicio Del Toro), Tilly zu bezirzen und dahingehend zu beeinflussen, dass sie ihnen Werkzeuge verschafft, mit denen sie an ihrem Tunnel graben können. Am Abend des geplanten Ausbruchs soll Tilly mit einem Fluchtwagen parat stehen, und die drei wollen gemeinsam jenseits der Grenze zu Mexiko ein neues Leben beginnen …
Angeödet vom Kleinstadtleben
Die Geschichte ist, wie jede wahre Begebenheit um einen Gefängnisausbruch, spannend, und man fragt sich zwangsläufig, ob es die verurteilten Mörder denn schaffen werden. Und nicht selten erwischt man sich dabei, wie man mit diesen Schwerverbrechern letztlich sympathisiert, ja, hofft, dass ihnen die Flucht gelingt. Es gelingt Ben Stiller als Regisseur dennoch, die beiden Protagonisten nicht zu romantisieren, in dem er ihre kaltblütigen Taten in Rückblenden einfließen lässt, und verdeutlicht, dass die beiden nicht ohne Grund ihre Freiheit im Leben einbüßen.
Es zeigt sich im Laufe der Serie deutlich, dass Richard Matt ein Mann mit zwei Gesichtern ist. Verfällt er dem Alkohol, wird schnell klar – der Mann ist oder war zumindest ein eiskalter Killer. Er ist der kluge und berechnende Part, die treibende Kraft. Zugleich ist er ein Künstler und konnte mit seinen Porträt-Zeichnungen einen Wärter begeistern. Die Vision der Zeit nach der Flucht hält ihn am Leben. David Sweat hat den Grips eines Ingenieurs und beweist großes Geschick und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Mitinsassen, deren zu reparierenden Habseligkeiten und schließlich auch beim Graben des Tunnels. Am liebsten liest er still in seiner Zelle und ist für sich. Sein Hang zur Einsamkeit verdeckt eine düstere Seite seines Charakters, denn wenn er unter Druck gerät, kann er explodieren – und seine Wut gipfelt in Brutalität.
Die Wut gipfelt in Brutalität
Besonders herausragend ist Patricia Arquette in ihrer Rolle als Joyce Mitchell. Sie besteht darauf, Tilly genannt zu werden, da der Name ihrer Mutter Joyce lautet. Sie fühlt sich in ihrer Ehe gefangen, ihr Alltag ist monoton. Ihre einzige Fluchtmöglichkeit bietet sich innerhalb der Gefängnismauern. Während der Arbeit flirtet sie gern mit den Insassen, guckt sich einen Liebling aus und spielt verantwortungslos mit den Regeln im Knast. Die sexuellen Verstrickungen zu Sweat und Matt lassen sie zur Fluchthelferin werden. Arquette ist in dieser Rolle rein optisch kaum wiederzuerkennen. Sie träumt von einem aufregenden Leben und will raus aus der Trostlosigkeit. In der geplanten Flucht sieht sie ihre Chance und bekommt doch Angst vor ihrer eigenen Courage …
Das Drehbuch stammt aus der Feder von „Mad Men"-Autor Brett Johnson und seinem oscarnominierten Kollegen Michael Tolkin. Die beiden fungieren auch als Executive Producer, trafen im sogenannten Writers Room der erfolgreichen Serie „Ray Donovan" aufeinander.