Mit dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund startet ein hartes Teilprogramm für Hertha BSC – in dem die Mannschaft weiter zusammenwachsen muss.
Sieben Punkte aus ebenso vielen Ligapartien, Platz zwölf und das Pokal-Aus bereits in der ersten Runde bei einem Zweitliga-Aufsteiger – das sind nicht die Zahlen, die sich Verantwortliche, Spieler und auch Fans von Hertha BSC als Zwischenstand zu Beginn der Saison vorgestellt haben. Doch wie sich herausstellen sollte, gab es eben auch gute Gründe dafür, dass Hertha BSC die von außen herangetragenen, hohen Erwartungen aufgrund des Investitions-Segens bislang noch nicht erfüllt hat. Da war zunächst der Umbruch im Kader vor der Spielzeit, der letztlich unabdingbar war, aber eben auch den Abschied von langjährigen Führungspersönlichkeiten beinhaltete: allen voran den von Kapitän und Torjäger Vedad Ibisevic sowie „Arbeitstier" Per Ciljan Skjelbred im Mittelfeld. Aber auch Ersatztorwart Thomas Kraft und Salomon Kalou, die gerade für ein gutes Binnenklima in der Kabine verantwortlich waren, verließen den Verein. So muss zuerst eine neue Hierarchie entstehen, was nicht von heute auf morgen geht. Dazu sind alle genannten Abgänge bereits im Alter jenseits der 30 Jahre, viele der neuen Spieler aber deutlich jünger. Dadurch fehlt es dem zwar qualitativ hochwertigen wie -dotierten Kader trotz allem an der nötigen Erfahrung – und somit an Konstanz.
Es fehlt an Erfahrung und Konstanz
Der Auftakt mit der 4:5-Pokalniederlage – nach regulärer Spielzeit – in Braunschweig lieferte dazu mit einer defensiv katastrophalen Vorstellung reichlich Stoff für Verunsicherung. Der Liga-Auftakt verlief mit einem 1:4-Auswärtssieg bei Werder Bremen dagegen vom Ergebnis her sehr positiv – und ließ womöglich zumindest im Umfeld die Erwartungen keimen, es habe sich bei der Pokalpleite um einen einmaligen Lapsus gehandelt. Vor allem die Offensivkraft ließ Freude aufkommen, doch diese sollte nicht von großer Dauer sein. Denn in den Heimspielen präsentierte sich die Mannschaft von Hertha BSC phasenweise uninspiriert, gegen Eintracht Frankfurt (1:3, zur Pause 0:2) und den VfB Stuttgart (0:2-Endstand bereits zur Pause) leistete man sich jeweils eine erste Halbzeit zum Vergessen. Erst während des dritten Auftritts im Olympiastadion (1:1 gegen Wolfsburg) gelang der erste und bislang einzige, selbst erzielte Treffer (gegen Frankfurt resultierte das 1:3 aus einem Eigentor) zu Hause. Ganz anders wiederum präsentierte sich die Mannschaft bei der 4:3-Niederlage beim FC Bayern München. Erst holte sie das 2:0 auf, dann den neuerlichen Rückstand – um am Ende in der Nachspielzeit aber nicht für einen disziplinierten und auch effektiven Auftritt belohnt zu werden. Auch beim damaligen Tabellenführer RB Leipzig fehlte das Spielglück, hier verlor man einen Punkt in Unterzahl und durch einen unglücklich zustande gekommenen Elfmeter.
So hatte sich vor der zweiten, länderspielbedingten Ligapause eine aus zwei Komponenten entstandene „Ergebniskrise" entwickelt: Nach dem Auftaktsieg in Bremen enttäuschte man zweimal zu Hause gegen Konkurrenten auf Augenhöhe, dazu fehlte bei zwei Topteams (Bayern, Leipzig) und im Heimspiel gegen Wolfsburg die Belohnung für die gezeigte Leistung. Der Druck auf Verantwortliche, Trainer und Team vor der Partie beim FC Augsburg war daher bereits beträchtlich – doch diesmal sollte alles passen: Eine konzentrierte, dominante und effektive Vorstellung über die gesamten 90 Minuten bescherte mit dem 3:0-Sieg den zweiten Dreier der Saison.
Derby gegen den 1. FC Union am 4. Dezember
Ein wichtiges Erfolgserlebnis also, das zumindest Ruhe in die Reihen der Berliner bringt – aber natürlich noch keine Garantie, dass nun alles besser läuft. Zumal aus dem nun anstehenden Programm – Dortmund und Union Berlin zu Hause, Leverkusen und Mönchengladbach auswärts – sicher nicht die volle Punktzahl winkt. Es wird also gelten, die guten Leistungen aus den Duellen mit den Spitzenteams erneut auf den Rasen zu bringen und sich dabei cleverer sowie effektiver anzustellen. Das wäre dann bereits die „höhere Kunst" des Bundesligafußballs – fragt sich aktuell nur, ob Hertha BSC diese nach dem bereits beschriebenen Umbruch schon konstant umsetzen kann. Mindestziel in den vier Spielen sollte also sein, das zurzeit mögliche Optimum an Konzentration abzurufen – und damit den einen oder anderen vielleicht auch unerwarteten Punkt mitzunehmen. Vielversprechende Sprünge in vordere Tabellenregionen sind dabei jedenfalls nicht zu erwarten – auch Geduld und Selbstvertrauen trotz etwaiger Rückschläge werden geforderte Tugenden sein. Schon ein Unentschieden im Heimspiel gegen Borussia Dortmund am Samstagabend (20.30 Uhr) könnte da weiterhelfen – einen Kontrahenten, den die Hauptstädter in den letzten 13 Pflichtspielen nur einmal bezwingen konnten.
Die Vorbereitung und Weiterentwicklung seiner Schützlinge fiel für Bruno Labbadia in der Ligapause allerdings erneut aus. Ein Dutzend Hertha-Profis war auch diesmal wieder mit den jeweiligen Auswahlteams unterwegs und stand Herthas Übungsleiter nicht zur Verfügung. Eine Situation, die den Fortbildungsprozess nicht gerade begünstigt – wenn man bedenkt, dass zu Beginn der Trainingswoche nach der Augsburg-Partie gerade mal zwei Torhüter und zehn Feldspieler auf dem Schenckendorffplatz ihre Übungen absolvierten. Mit Verteidiger Jordan Torunarigha (erst verletzt, dann positiver Corona-Test) und Stürmer Jhon Cordoba (Sprunggelenksverletzung) fielen beziehungsweise fallen dabei zwei wichtige Startelfkandidaten aktuell noch länger aus. Allerdings zeigte Last-Minute-Zugang Omar Alderete bereits gute Ansätze in der Abwehr – und der sich bereits auf dem Abstellgleis wähnende Krzysztof Piatek machte nach seiner Einwechslung für Cordoba in Augsburg deutlich, dass man auch auf ihn zählen kann. Selbst der wohl bislang beste Hertha-Profi dieser Spielzeit, Matheus Cunha (bislang vier Tore und zwei Vorlagen), hat ja mit seinen 21 Jahren noch viel Luft nach oben. Auch Neuzugang Lucas Tousart (von Olympique Lyon) ist erst 23 und verspricht mit zunehmender Eingewöhnung noch weitaus mehr – mit seinem französischen Landsmann Matteo Guendouzi könnte er im Mittelfeld ein starkes Tandem bilden. Frei nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben.
Zu lang darf diese allerdings auch nicht ausfallen. Spätestens nach den erwähnten vier Härtetests sollte Hertha BSC ab Mitte Dezember das Punktekonto also auch erkennbar auffüllen: Dann geht es über den Jahreswechsel gegen Mainz, Freiburg, Schalke, Bielefeld und Köln. Vorher gilt noch eine Art „Welpenschutz" für Bruno Labbadia und sein Team – mit einer Ausnahme: dem Derby gegen den 1. FC Union am 4. Dezember.