„FIFA 21" ist wie immer ein solides Spiel, bietet allerdings im direkten Vergleich mit dem Vorgänger wieder einmal wenig Neuerungen, von echten Innovationen ganz zu schweigen. Für wen sich das Spiel dennoch lohnt, verrät unser Test.
Es ist so verlässlich wie die alljährliche Wiederkehr des Christkinds an Heiligabend. Alle Jahre wieder gibt es eine neue Version des Computer- und Konsolenspiels „FIFA". Und wie in jedem Jahr scheiden sich die Geister, ob es tatsächlich eine neue Version zum Vollpreis gebraucht hätte oder ob es nicht wieder überteuerter alter Wein in neuen Schläuchen ist. Allzu oft musste man in den vergangenen Jahren echte Neuerungen gegenüber der Vorgängerversion mit der Lupe suchen. Das ist auch in „FIFA 21" nicht anders.
Der ewige Konkurrent „Pro Evolution Soccer" ist in dieser Hinsicht wesentlich ehrlicher. Dessen aktuelles Spiel „eFootball PES 2021 Season Update" verrät bereits im Titel, was es ist: keine eigenständige Vollversion, sondern ein Update der 2020er-Version des Spiels. Entsprechend kostet es auch nicht den Vollpreis, sondern nur 29,90 Euro.
Im Grunde ist „FIFA 21" auch nicht mehr als ein Update der Vorgängerversion. Rein Optisch lässt sich auf dem Spielfeld kein Fortschritt erkennen, inhaltlich gibt es einige wenige Änderungen. Ob dies einen Preis von – je nach Version und Plattform – 35 bis 90 Euro rechtfertigt, muss jeder selbst entscheiden. Der große Vorteil der „FIFA"-Reihe gegenüber PES sind fraglos seit Jahren die Lizenzen. Es macht eben deutlich mehr Spaß, mit echten Spieler- und Vereinsnamen in echten Meisterschaften und Pokal-Wettbewerben anzutreten als mit Fantasieteams und -namen in Fantasie-Cups à la PES. Immer die aktuellsten Teams mit den neuesten Transfers steuern zu können, ist für viele ein Kaufargument. Das aktuelle „FIFA" macht in diesem Jahr zumindest spielerisch einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. „FIFA 21" fühlt sich realistischer an als der Vorgänger, wenngleich das Spieltempo mitunter noch immer zu hoch ist. Einerseits agieren die computergesteuerten Abwehrreihen des Gegners nun deutlich aggressiver, überlegter und somit realistischer. Das macht das Toreschießen durchaus schwerer. Andererseits kann man als menschlicher Spieler nicht mehr einfach computergesteuerte Abwehrspieler zu Hilfe rufen und ihnen die Arbeit überlassen, sondern muss selbst deutlich mehr arbeiten. Das macht es umgekehrt vor allem im Spiel gegen menschliche Gegner um einiges schwerer, effektiv zu verteidigen. Hinzu kommt, dass auch die Ballführung überarbeitet wurde. Das bedeutet, dass der Ball in Dribblings viel enger am Körper geführt werden kann.
Kleine Schritte in die richtige Richtung
In Eins-gegen-eins-Matches via Internet dürfte genau das aber für so manchen schnell zum Frustfaktor werden, denn Gelegenheitsspieler haben so gegen geübte Spieler noch weniger eine Chance. Ohnehin wird die Kluft zwischen Gelegenheitsspielern und Könnern in der aktuellen Version nochmals größer, denn auch die Pässe gehen nicht mehr so leicht von der Hand. Wer nicht akkurat steuert, spielt dem Gegner ein ums andere Mal direkt in die Füße, statt den eigenen Mitspieler in Szene zu setzen.
Uns sind aber auch so einige Fehler aufgefallen. Zwar schiebt Electronic Arts (EA) regelmäßig Patches nach und hat die ärgerlichsten – 100-prozentiger Torerfolg nach bestimmter Eckball-Variante – bereits ausgemerzt, doch manche Fehler existieren noch immer. Gab es anfangs gefühlt für jedes Allerweltsfoul sofort eine Karte, hatten in unserem Test zwischenzeitlich selbst brutalste Fouls häufig nur eine Ermahnung zur Folge. Zwar kann man im Karrieremodus den Trainer nach eigenen Vorstellungen gestalten, in Verhandlungen war aber lange Zeit eine völlig andere Figur zu sehen, der dann auch noch mit seinem eigenen Zwilling verhandelt hat. Das hat EA zwar inzwischen behoben, am Spielfeld-rand hampelt der Trainer aber dafür nun im Vereinstrikot statt im Anzug rum. Kleinigkeiten, die keinen Einfluss aufs eigentliche Spiel haben, wohl aber auf die Atmosphäre. Und definitiv ärgerlich für den Preis, den EA fürs Spiel aufruft.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: „FIFA 21" ist ein tolles Spiel und im Gesamtpaket fraglos das Beste, was das Genre zu bieten hat. Wer aber bereits die Vorgängerversion „FIFA 20" sein eigen nennt und kein Vollblut-Zocker ist, kann getrost die Finger vom Nachfolger lassen. Für Gelegenheitsspieler, die nur hin und wieder eine Runde Fußball daddeln wollen, lohnt es sich nicht, den Vollpreis auf den Tisch zu legen, um ein paar überschaubare spielerische Neuerungen zu haben. Wer hingegen noch kein Spiel der „FIFA"-Reihe besitzt, darf getrost zur neuesten Version greifen.
Mehr Motivation im Karrieremodus
Nicht verschweigen wollen wir die von vielen ersehnten Neuerungen im Karrieremodus. Hier lassen sich nun individuelle Wochentrainingspläne erstellen, und man kann so mehr Einfluss auf Fitness, Moral und Bissigkeit seiner Spieler nehmen. Geblieben sind Pressekonferenzen vor und nach den Spielen, die ebenfalls Einfluss auf die Motivation des Teams haben. Wer möchte, kann Spieler jetzt sogar für andere Positionen umschulen. Gleiches gilt auch für die Nachwuchsabteilung, was eine langfristige Planung möglich macht. Das Spiel geht also stärker in Richtung Managersimulation als früher, ohne aber zu sehr ins Detail einer echten Simulation abzudriften.
Was zunächst spannend klingt, wird mit zunehmender Spieldauer allerdings eher lästig. Denn bis zum nächsten Spiel wird man ständig gezwungen, bei jeder Trainingseinheit zu entscheiden, ob man diese simulieren oder selbst ausführen möchte. Zumindest anfangs ist man sogar regelrecht genötigt, die Trainingseinheiten selbst anzugehen und auch noch so gut wie möglich zu absolvieren. Es gibt wie immer Bewertungen von A bis F. Als Grundlage für die Simulation wird dabei die schlechteste tatsächlich absolvierte Trainingseinheit genommen. Hat man also ein F kassiert und simuliert künftig immer diese Übung, so werden die Spieler auch immer auf Basis dieser Bewertung trainieren. Die Lernfortschritte bleiben somit eher überschaubar.
Eine positive Neuerung ist die Simulation des Spiels. Wer keine Lust hat, eine Bundesligasaison mit 34 Spielen in voller Länge zu absolvieren, kann die Begegnungen auch simulieren. Das heißt, man stellt sein Team auf und springt sofort zum Endergebnis, oder man blickt nun im zweiten Modus aus der Vogelperspektive auf ein 2-D-Spielfeld, und sieht 22 Punkten mit Ball zu, die das Spiel im Zeitraffer absolvieren. Der Clou: Ich kann mich jederzeit ins reale Spiel einklinken, die Steuerung der Spieler übernehmen und so beispielsweise versuchen, selbst ein Tor zu erzielen. Anschließend kann ich wieder zurück in den Simulationsmodus.
Wie bereits im Vorgänger ist auch der Volta-Modus wieder dabei, also das Hinterhof-Kleinfeld für Straßenfußballer im Drei-gegen-drei-Modus – verpackt in eine mehr oder weniger spannende Geschichte. Ein nettes Gimmick – mehr allerdings auch nicht und für die meisten Fußballfans wohl eher verzichtbar.
Für EA unverzichtbar ist dagegen der sogenannte FUT-Modus, denn er ist der wahre Grund, warum es jedes Jahr eine neue „FIFA"-Version gibt. Dieser Modus ist für EA die eigentliche Einnahmequelle. Das Ganze funktioniert wie ein Kartenspiel, bei dem ich mir Pakete erspielen kann. Je nach Glück finden sich in den Kartenpacks mehr oder weniger gute Spieler. Auf diese Weise versucht man, sich seine ganz eigene Mannschaft mit Superstars zusammenzubasteln und damit in echten Matches gegen andere Spieler anzutreten. Leider kann man sich auch mit echtem Geld entsprechend viele und gute Pakete kaufen. Der FUT-Modus übervorteilt also diejenigen, die neben dem eigentlichen Kaufpreis fürs Spiel reichlich zusätzliches Geld investieren. Wer dies nicht macht, hat kaum eine Chance, sich eine konkurrenzfähige Mannschaft zu erspielen. Das klassische Pay-to-win also, und deshalb wollen wir nicht näher darauf eingehen.
Immerhin: Wer auf absehbare Zeit von PS4 auf PS5 oder von der Xbox One auf Xbox Series X aufrüstet, erhält ein kostenloses Upgrade des Spiels.