Vielleicht hat man ihn lange unterschätzt. Jedenfalls zeigt der britische Schauspieler Sacha Baron Cohen in drei Rollen bei Streamingdiensten eine beeindruckende Bandbreite seines Könnens – eine Figur ist altbekannt.
Es war 1998, als Sacha Baron Cohen in der „11 O’Clock Show" zum ersten Mal in der Figur Ali G auftrat, einem Schmalspur-Gangster aus einer englischen Kleinstadt. Zunächst als Komiker wahrgenommen, machte der hochgewachsene Londoner danach in Nebenrollen in Tim Burtons Musical „Sweeney Todd" und Martin Scorseses „Hugo Cabret" als Charakterdarsteller auf sich aufmerksam. Zudem sorgten seine Serie „Who Is America?" und seine Verkörperung des Models Brüno und vor allem des kasachischen Fernsehreporters Borat Sagdiyev für Furore.
Letztere Figur hat er nun reaktiviert. Nach seinem Kinodebüt 2006 schickt Cohen seinen rasenden Reporter in „Borat Anschluss Moviefilm" – zu sehen bei Prime Video – erneut auf eine wichtige Mission. Borat wird nach seiner 14-jährigen Strafe in einem Gulag begnadigt und soll dem mittlerweile abgewählten Präsidenten Donald Trump den kasachischen Minister für Kultur, einen Affen, als Gastgeschenk überreichen. Da er eine erste Begegnung mit Trump 2006 aber im wahrsten Sinne „verkackt" hat, soll er ihn an Vizepräsident Mike Pence übergeben. In Amerika angekommen, merkt Borat, dass sich seine 15-jährige Tochter Tutar (Maria Bakalova) mitgeschmuggelt hat, die sich auf eine Zwangsverheiratung freut.
Borat hält US-Bürgern Spiegel vor
Man merkt es bereits: Die Geschichte ist immer noch absurd und der Humor zotig. Borat trägt auch Schutzmaske – untenrum. Zudem ist die Mockumentary durch die Neuwahl in Amerika bereits etwas überholt worden. Denn die Absicht, US-Bürgern durch den antisemitischen und chauvinistischen Charakter Borats den Spiegel vorzuhalten, wurde so quasi von den realen Ereignissen überrollt. Nichtsdestotrotz ist der Streifen kurzweilig und das Zusammenspiel sowie die Chemie zwischen Cohen und der in echt 24-jährigen Bulgarin Maria Bakalova sensationell. Die Szene, in der sie während eines Interviews mit Rudolph Giuliani, dem schmierigen Ex-Bürgermeister von New York und Trumps Rechtsberater, anbändelt und dieser sich vor Wollust in die Hose fasst, ist jetzt bereits legendär.
Deutlich ernsthafter, aber auch fesselnder und unterhaltsamer ist „The Trial of the Chicago 7", zu sehen bei Netflix. Das Drama erzählt die Geschichte von politischen Aktivisten nach, die am Rande eines Konvents der Demokratischen Partei 1968 festgenommen werden und wegen Aufhetzung und Verschwörung vor Gericht landen. Cohen spielt darin mit einem außer Kontrolle geratenen Lockenkopf Abbie Hoffman, der seinen Protest gegen den Vietnamkrieg unter anderem durch Stand-up-Comedy-Elemente anreichert. Es ist eine perfekte Rolle für den Briten, der ja selbst die feine Grenze zwischen Ernst und Komik stetig auslotet. Er ist solch ein „Szenenklauer", dass selbst sein Landsmann Eddie Redmayne (Oscar-Preisträger für seine Rolle als Stephen Hawking) eher verblasst. Mark Rylance als Anwalt William Kunstler und Jeremy Strong als Jerry Rubin sowie Joseph Gordon-Levitt als Generalstaatsanwalt Richard Schultz und weitere hochkarätige Nebendarsteller entschädigen dafür aber locker. Und das „Oh Captain! Mein Captain!"-Ende des zum großen Teil im Gerichtsaal spielenden Films sorgt nach zweieinhalb kurzweiligen Stunden für Gänsehaut.
Unglaubliche Wandlung innerhalb der Rolle
Einen wiederum komplett anderen Charakter lässt Sacha Baron Cohen in „The Spy" auferstehen. Die sechsteilige Miniserie, die ebenfalls bei Netflix zu sehen ist, zeichnet den Weg des israelischen Spions Eli Cohen kurz. Dieser ist so etwas wie ein Volksheld in seiner Heimat, seine Spionagetätigkeit gilt mitentscheidend für den Sieg des damals noch jungen Staates im Sechstagekrieg, der im Juni 1967 zwischen Israel und arabischen Nachbarstaaten ausgetragen wurde. Eli Cohen hatte unter anderem syrische Bunkeranlagen sichtbar gemacht, in dem er der syrischen Regierung Tausende Eukalyptusbäume geschenkt hatte, die den Bunkern Schatten bieten sollten – und den israelischen Streitkräften als nützliche Landmarken dienten.
Es ist die Schauspielkunst von Sacha Baron Cohen, die einem in den sechs Stunden mitfiebern lässt. Seine Wandlung vom talentierten Agenten, der vom Mossad angeworben wird, hin zum syrischen Kaufmann Kamal Amin Thaabeth, den er als Spion verkörpert, ist zu jeder Sekunde glaubhaft und emotional nachvollziehbar.
Seinen großen Erfolg – das Zurückschlagen des Angriffes und die Eroberung des Gazastreifens, der Sinai-Halbinsel, des Westjordanlandes sowie der Golan-Höhen bekam Eli Cohen aber nicht mehr mit – er wurde bereits 1965 enttarnt und öffentlich in Damaskus hingerichtet.