Bereits in vierter Generation gibt es die „Distillerie du Castor" im französischen Troisfontaines. Familie Bertin bietet dabei eine große Auswahl an Hochprozentigem aus Obst der Region, aber auch eigenen Whisky, Rum und Gin.
Es ist lange her, dass ich auf einem französischen Gourmetmarkt war. Das Coronavirus hat es verhindert. Im Frühjahr kam das Ausreiseverbot nach Frankreich, und auch im Sommer hörte ich wenig beziehungsweise nichts von guten Märkten in der Nähe. Der aktuell en zweiten Welle fällt leider auch mein Lieblingsmarkt in Phalsbourg zum Opfer. 20 Jahre lang bin ich jeden Dezember dorthin gefahren, manchmal sogar an zwei Wochenenden.
Zwischenzeitlich gab es in Frankreich ab dem 27. November aber tatsächlich erste Lockerungen, da die Infektionszahlen zu diesem Zeitpunkt sanken. Ein Bekannter, Patrick Bertin, rief mich an, um mir mitzuteilen, dass es am 29. November einen kleinen Gourmetmarkt im Freien in Rémelfing gebe. Also ganz schnell einen Passierschein ausfüllen und nichts wie hin, dachte ich mir. Der Markt war zwar nicht allzu groß, aber es waren Händler da, bei denen ich gerne kaufe. Von Gemüse über Schnecken bis Froschschenkel wurden gute Produkte angeboten. Es war richtig kalt an diesem Tag, die Händler taten mir fast schon leid. Andererseits waren sie froh, endlich wieder ihre Waren anbieten zu können.
„Biebertal – 100 Prozent Moselle"
Nach einem kleinen Rundgang blieben wir am Stand von Patrick Bertin stehen. Die Familie Bertin betreibt in Troisfontaines, in der Nähe von Sarrebourg, ihre „Distillerie du Castor" und stellt schon lange Edelbrände und mehr her. Patricks Sohn Julien ist schon seit ein paar Jahren für den Betrieb im Biebertal zuständig. „Unsere Distillerie gibt es bereits seit vier Generationen", erzählt Patrick Bertin stolz. „Mein Großvater machte schon Edelbrände, und als mein Vater übernahm, half ich ihm zu verkaufen. Als ich später übernahm, ging es richtig los mit dem Verkauf und dem Ausbau des Betriebs. Das war 1984. Und jetzt macht das unser Sohn Julien."
„Biebertal. 100 Prozent Moselle" – so machen sie Werbung für ihre Produkte. Die Familie legt größten Wert auf Qualität, und das fängt bei der Auswahl ihres Obstes an. Dieses kommt aus der Region, vor allem aus dem Département Moselle. Prächtig gereift und ohne äußerliche Schäden, keine Kompromisse eben. Jedes Jahr verarbeitet die Distillerie du Castor 50 bis 60 Tonnen Obst für ihre Brände. „Erst muss es gut gären, dann wird gebrannt. Dann fängt unsere Arbeit richtig an", erklärt Vater Bertin. „Wir nehmen nur das ,Herz‘ für unseren Brennvorgang." Was genau das bedeutet, versuche ich im Folgenden zu erklären.
Als besonders geeignet gelten aufgrund ihres hohen Zuckergehalts die Brennkirschen. Brennkirschen gibt es in fast allen Variationen: kleine, große, süße, saure, leicht bittere, kurz- und langstielige, schwarze, braune, rote, weißliche und gar gelbe. Wasser nennt man die Destillate, weil sie in Steingut, Stahltanks oder Glasbehältern reifen und somit farblos bleiben. In der Distillerie werden die Früchte mithilfe von speziellen Einrichtungen eingemaischt, wobei die zugesetzte Reinhefe bei kontrollierter Gärtemperatur und Gärführung für die Umwandlung des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure sorgt, was man Gärung nennt.
Nach beendeter Gärung wird die Maische noch einige Wochen zur Bildung der typischen Aromastoffe gelagert. Die vergorene und gelagerte Maische enthält zwischen sechs und acht Volumenprozent Alkohol. Die Maische wird in die Brennblase gefüllt und bis zum Sieden erhitzt. Die heißen Dämpfe werden durch den Helm und das Geistrohr in die Verstärkerkolonne mit Glockenböden geleitet. Dort folgt die erste Abtrennung der hochsiedenden Inhaltsstoffe vom niedriger siedenden Alkohol und von Aromastoffen. Im sogenannten Dephlegmator wird das Gemisch teilweise durch Kondensation weiter gereinigt und verfeinert.
Die Schwierigkeit dabei besteht in der sauberen Abtrennung der minderwertigen Vor- und Nachläufe vom Hauptlauf, also vom Herzstück des Destillates. Das Kondensat ab Dephlegmator läuft zurück von Glockenboden zu Glockenboden und schließlich wieder in die Brennblase. Die durch den Dephlegmator geschlüpften Dämpfe gehen durch das Geistrohr in den Röhrenkühler, wo sie vollständig kondensiert, also verflüssigt werden. Das flüssige Destillat enthält nun zwischen 60 und 80 Volumenprozent Alkohol.
50 bis 60 Tonnen Obst jedes Jahr verarbeitet
Für die Herstellung von hochwertigem Edelbrand wird der erste Teil des Destillates, etwa zehn Prozent, als Vorlauf verworfen oder als technischer Alkohol verwendet. Er schmeckt schlecht, da in ihm vermehrt Fuselalkohole vorhanden sind. Mit enthärtetem Wasser wird das Destillat schließlich auf den trinkfertigen Edelbrand, der zwischen 37,5 und 43 Volumenprozent Alkohol oder noch mehr enthält, rückverdünnt. Der erste halbe Liter kommt weg, auch den Nachlauf bei 50 Grad nehmen sie nicht. Das Herz dagegen hat zwischen 75 und 80 Grad. Und nur dieses „Herz" ist das, was sie wollen.
Anschließend werden die Edelbrände in Edelstahlfässer gepumpt. Dort lagern sie ein Jahr, bevor sie in die Flasche kommen. Zumindest, wenn es helle Brände sind. Alte Pflaumen kommen in Eichenfässer. Diese besorgt sich Familie Bertin bei einem Händler in Meursault oder im Bordelais. Die Palette der Edelbrände weist alles auf, was unsere Region an gutem Obst vorhält: Mirabellen, Kirschen, Quitten, Birnen, Pflaumen, Himbeeren, Haselnuss, Birnen, Reineclaude, Elsbeeren, Hagebutte, Heidelbeere, Holunder, Schlehe und vieles mehr. Bei der Mirabelle empfehle ich den Besten der Bertins: La Gold!
Der Whisky St. Patrick, ein hochwertiger Single Malt, den sie seit zehn Jahren ebenfalls brennen, kommt in Fässern aus Andalusien. Diese Fässer stammen von Pedro Ximénez, und darin war zuvor Sherry gelagert. Auch Rum haben sie im Sortiment. Dieser wird in Bourbonfässern aus Kentucky in den USA gelagert.
Vor 30 Jahren bestand die Palette von Patrick Bertin vor allem aus Obstedelbränden. Im Laufe der Jahre kamen aber immer wieder neue Destillate dazu. Seit etwa zehn Jahren versuchen sie immer wieder etwas Neues anzubieten. Whisky, Rum und Gin beispielsweise – der Zeitgeist ändert sich eben regelmäßig. Dieses Jahr hat Familie Bertin einen Rum mit Mirabellen angesetzt, zudem einen mit Kokosnuss und einen mit Karamell und Salz vom Atlantik. Der Rum wird mit Rohrzucker von der Insel La Réunion gemacht und im Biebertal gebrannt. Dazu kommen Mirabellen, die sechs Monate getrocknet wurden, in die Flüssigkeit. Anschließend wird filtriert, und man hat den „Le Pirate Lorrain": den lothringischen Piraten.
Neben den Klassikern bieten die Bertins – je nach Jahreszeit – etwa 20 Liköre an. Etwa von der Sauerkirsche, der Mirabelle, der Brombeere oder vom Weinbergpfirsisch. Auch Minze, Schokolade, Tannenzapfen und Waldmeister werden gebrannt. Mein Favorit für den Winter: Ingwerlikör! Ganz im Sinne von Alfons Schuhbeck ist Ingwer Medizin, und die tut gerade im Winter besonders gut! Natürlich ist die Vorweihnachtszeit auch im Hause Bertin eine Zeit, in der besonders viel los ist. Sie machen Präsentkörbe und verschicken diese an ihre Kunden. Wie alles übrigens: Alle Produkte lassen sich via Internet auswählen und bestellen. Normalerweise ist auch die Präsenz auf Märkten ganz wichtig für das kleine Unternehmen, manchmal auch auf zweien gleichzeitig. Derzeit geht das nicht. Umso wichtiger sind zumindest diese kleinen Märkte wie der eingangs beschriebene. Und der eigene Internetvertrieb. Schauen Sie mal vorbei.