Vor allem in der Winterzeit und jetzt, da viele von zu Hause arbeiten, wissen wir ein bequemes Paar Hausschuhe besonders zu schätzen. Wenn die Pantoffeln dann auch noch gut aussehen, möchte man sie gar nicht mehr ausziehen.
Er sei süchtig, gibt Floris van Bommel offen und ehrlich zu. Süchtig nach Pantoffeln. „Jeden Herbst, manchmal sogar schon im Sommer, suche ich online nach einer perfekten Version. Dabei habe ich alles ausprobiert, von teuer bis preiswert, von gediegenen Brands bis hin zu unförmig und rein biologisch", verrät er. Das wäre nichts Ungewöhnliches, wüsste man nicht das Alter des Kreativdirektors, Gesellschafters und Kampagnenmodels der gleichnamigen niederländischen Schuhmanufaktur. Floris van Bommel ist 45 Jahre jung, also alles andere als die Ära Großeltern, von denen man ein solches Bekenntnis erwarten würde. Mit seiner Pantoffel-Liebe aber ist er alles andere als altbacken, vielmehr liegt van Bommel, der das Familienunternehmen in neunter Generation führt, voll im Trend.
Pantoffeln, Schluffen, Slipper, Latschen, Schlappen, Puschen, kurzum Hausschuhe, sind angesagt. Weil sie am Grundprinzip des einfachen, schnürsenkel- und reißverschlusslosen Reinschlüpfens, egal ob mit offener oder geschlossener Ferse, festhalten, jedoch mit der Zeit gehen und Lust auf Designveränderung haben. Neue Styles, Mut zur Farbe, in Corona- und Homeoffice-Zeiten sind sie der wahrscheinlich meist getragene Schuh. Dennoch sind sie – noch – ein Nischenprodukt. Laut dem Bundesverband des deutschen Schuheinzelhandels machen die 170 Millionen Euro, die die Deutschen im Jahr für Hausschuhe ausgeben, nur knapp zwei Prozent des Schuh-Einzelhandelsumsatzes aus.
Designer von Rang und Namen bieten Pantoffeln an
„Hausschuhe erfüllen ein tiefgründiges Kundenbedürfnis, das sich Bequemlichkeit und Wohlfühlen nennt", geht Johannes Giesswein, Head of Product Development und Teil des österreichischen Familienunternehmens Giesswein, dem Pantoffel-Faible weiter auf den Grund. „Spätestens seit die Hersteller nicht mehr von Hausschuh, sondern von Home- und Loungewear reden, haben diese Schuhtypen ihr spießiges Image abgelegt", beschreibt Schuh- und Trendexpertin Claudia Schulz vom Deutschen Schuh-Institut (DSI) die zeitgenössische Entwicklung. Zu der haben auch internationale Designer wie Michael Kors, Sergio Rossi, Dolce & Gabbana, Moschino oder Kenzo beigetragen, die mit für den Pantoffel-Imagewandel gesorgt haben. Ugg hat ihren Bootie-Klassiker inzwischen auch haustauglich gemacht, wenn auch das Gros der Modelle der kalifornischen Lifestyle-Marke den verschiedensten Puschen und Pantoffeln ein flauschiges Lammfell-Upgrade verpasst.
Design und Funktion gehen bei einem guten Hausschuh Hand in Hand. „Design beschäftigt sich immer mit der Funktion in Verbindung mit der Gestaltung. Ein Hausschuh, der nicht gut am Fuß sitzt oder kalte Füße bringt, ist kein guter Hausschuh – da kann er noch so toll aussehen", erklärt die Diplom-Designerin Verena Fröhlich, die einen Unisex-Filzpantoffel aus einem Stück mit Klettbändern kreiert hat, der sich mit drei Handgriffen an den Fuß anpassen lässt.
Floris van Bommel ist, nachdem er auf seiner jährlichen Suche ein schmuckes Paar von Kingdom of Wow! entdeckt hat, das ihn gänzlich begeisterte, eine Kooperation mit der niederländischen Fair-Trade-Marke eingegangen. Nun gehört das Modell gehäkelter Hüttenschuh mit Wildledersohle, das biologisch abbaubar ist, seiner neuesten Kollektion an.
Im Grunde bestehen Hausschuhe nur aus zwei, maximal drei Teilen, einer Sohle, einer Vorderkappe und gegebenenfalls einer Fersenkappe. Das Material spielt eine entscheidende Rolle, hautzärtlich soll es sein, damit auch Barfußtragen möglich ist. „Im Winter Wolle, im Sommer Canvas oder Baumwolle", zählt Johannes Giesswein, wo im Herbst Türkis, Grün, Rosa und Lime die Farbfavoriten sind, auf. Gerade Wolle, Filz und Wollfilz sind echte und atmungsaktive Hautschmeichler. Mit Zusatznutzen.
„Das für uns perfekte Material ist nach wie vor Filz, aber auch die vegane Variante aus recycelten PET-Flaschen. Beides eignet sich ganzjährig, da Filz im Winter wärmt und im Sommer kühlt", erklärt Schuhdesigner Sebastian Thies vom deutschen Familienunternehmen Thies.
Hausschuhe erobern sich inzwischen auch den Weg nach draußen. „Im Idealfall sind Hausschuhe nicht nur fürs Haus geeignet, sondern auch terrassentauglich. Erst recht in Homeoffice-Zeiten, die sehr viel Flexibilität erfordern", so Claudia Schulz über die Schluffen mit enormer Bodenhaftung, „das heißt, vor allem das Material der Sohle sollte so beschaffen sein, dass man damit zum Briefkasten oder Mülleimer laufen kann, ohne dabei auszurutschen."
Der eigene Schuhschrank ist mit Sicherheit mit weit mehr als einem Paar Schuhe bestückt. Beim Hausschuh allerdings, der einst von Asien und dem Orient aus nach Europa gekommen ist, wird meist Minimalismus gelebt. Das Mindeste sollte ein wolliges Paar für den Winter und eines aus Canvas – die Materialempfehlung von Johannes Giesswein – für den Sommer sein. Doch es läuft erstaunlicherweise bei den meisten auf ein einziges Paar raus, was bei einem Filzschuh ob der Materialbeschaffenheit ganzjährig funktioniert, jedoch für wenig Abwechslung sorgt. Julia Gensel, die nach einer Schuhmacherlehre an der Münchener Staatsoper tatsächlich in London „Schuh-Design" studiert und 2005 ihr Label „Pampuschen" gegründet hat, zeigt, dass sich der Puschen-Markt langsam ändert.
Hochwertige Modelle finden jeden Tag im Jahr ihren Einsatz
„Viele meiner Kunden und vor allem Kundinnen besitzen mehrere Modelle und Farben, passend zu Laune und Outfit und natürlich auch Hausschuhe aus verschiedenen Materialien, Wolle und aus meiner Samtkollektion sehr kuschelige baumwollgefütterte Modelle für den Winter. Aus Baumwolle oder Leder für die wärmeren Monate", erzählt sie. „Die Münchner bräuchten per se ein zweites Paar für ihre Hütte in Kitzbühel und die Hamburger für ihr Reethaus auf Sylt", sieht es Sebastian Thies humorig und ergänzt die Palette um Reisepantoffeln, die immer beliebter werden.
Ausgereizt ist das Thema Hauspuschen noch lange nicht. „Kork neben Filz, Styles mit breiten Bandagen à la Adilette oder modifiziert auf etwas dickeren Sohlen und damit chunky wie Sneaker oder aber auch Keil- oder Holz-Pantoletten, die in Italien schon immer als sehr schick, feminin und sexy galten, Materialspielereien às la Metallics, Snake und Leo, Fake Fur", gibt Claudia Schulz vom DSI einen kleinen Einblick ins Universum von Pantoffel und Co.
Wer seine eigenen Puschen kreieren möchte, ist im Berliner Selfmade Store an der richtigen Adresse. Immer wieder wird dort ein vierstündiger Workshop angeboten, in dem Hausschuhe gefilzt, geformt und modelliert werden. „In allen Regenbogenfarben, und wer Lust hat, verziert oder bestickt sein Paar noch", verbindet Filzexpertin Julia Bialek den DIY-Trend und die Liebe zu Puschen.