Millionen Menschen hellen ihre Haut mit Cremes, Tinkturen und Co. auf. Das Geschäft mit Hautbleichmitteln ist ein Milliardenmarkt, der nicht ungefährlich ist. Weil sie sich von hellerer Haut ein besseres Leben erhoffen, nehmen viele Anwender die Gesundheitsschäden in Kauf.
Es sind vor allem die Frauen in Afrika und Asien, die versuchen, ihre Haut mit den unterschiedlichsten Mitteln aufzuhellen. 77 Prozent der Frauen in Nigeria nutzen Bleaching-Produkte, 60 Prozent in Indien. Aber auch in China, einigen Ländern der Karibik und den USA gehen einige Studien von 40 bis 77 Prozent der jeweiligen Landesbevölkerung aus. Selbst Babys werden mit den Hautaufhellern behandelt. Dabei kommen die Cremes, Tinkturen und Tabletten zunächst recht harmlos daher. Sie tragen Namen wie „Fair Light", „Diamond White" oder „Whitenicious".Das Versprechen: Die Mittel sollen helfen, hellere Haut zu bekommen und so dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen. Aber nicht nur das: Helle Haut wird häufig noch immer gleichgesetzt mit Reinheit und Wohlstand.
So harmlos wie sie scheinen, sind die meisten Mittel allerdings nicht. Manche der Lotionen sind gepanscht und enthalten Steroide oder Blei, besonders verbreitet sind Mittel mit Quecksilber. Inhaltsstoffe wie Hydrochinon, ein Phenol, das die Produktion von Melanin, dem braunen Schutzfarbstoff der Haut, hemmt, verursachen laut Dermatologen und Gesundheitsorganisationen teils schwere Erkrankungen. Leber- und Nierenschäden, Erblinden oder auch Deformationen bei Neugeborenen können die Folge sein. Eines der größten Risiken ist Hautkrebs, insbesondere in Regionen nahe dem Äquator mit hoher Sonneneinstrahlung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Bleaching inzwischen als akute Bedrohung und Krise für das Gesundheitswesen eingestuft.
Teilweise gefährliche Inhaltsstoffe
Immer wieder haben unterschiedliche Länder Afrikas versucht, gegen die Hautaufheller vorzugehen, aufzuklären oder sie ganz vom Markt zu nehmen. In Gambia, Uganda, Kenia, der Elfenbeinküste und Ghana sind sie verboten, in Nigeria zumindest giftige Inhaltsstoffe wie Quecksilber. In Südafrika wurde in den 1990er-Jahren eines der strengsten Gesetze weltweit verabschiedet. 2018 hat auch Ruanda die Bleichmittel verboten. Präsident Paul Kagame nannte sie damals „ziemlich ungesund". Insgesamt wurden mehr als 1.000 Cremes und Pillen auf den Index gesetzt, Polizisten haben bereits große Mengen konfisziert. Nicht alle haben das verstanden. Einige Teile der Bevölkerung warfen dem Präsidenten vor, sie zu bevormunden. Einem Weißen würde man ja schließlich auch nicht verbieten, Selbstbräuner zu benutzen. Andere reagieren positiver, lobten das Vorgehen der Regierung als einen Schritt gegen koloniale Vorstellungen von Schönheit. Ruandas Gesundheitsministerin Diane Gashumba sagte damals, dass Verbote alleine nicht reichten, weil die meisten Menschen gar nicht wüssten, was sie sich da auf die Haut schmierten. Mehr als 30 Prozent der Anwender aber litten unter schweren Folgen, von Verbrennungen bis hin zu Hautkrebs. Sie forderte deshalb mehr Aufklärungsarbeit.
Doch trotz der zahlreichen Versuche, gegen die Mittel vorzugehen, reißt die Nachfrage nicht ab. In Ländern, in denen die Hautaufheller verboten sind, suchen sich Anwender andere Wege. In Südafrika beispielsweise bringen Schmuggler die Ware aus dem Kongo. Auch der Schwarzmarkt boomt in vielen Ländern, und so werden Cremes, Tinkturen und Tabletten häufig illegal an Straßenständen verkauft. Hersteller aus aller Welt haben den Markt für ihre Lotionen, Tinkturen, Tabletten und Injektionen entdeckt. Der Handel mit den Hautbleichmittel ist ein globales Milliardengeschäft. Der Jahresumsatz an legalen Hautbleichmitteln lag 2013 bereits bei umgerechnet rund zehn Milliarden Euro, rechnet man illegale und hautschädliche Mittel mit, ist von 34 Milliarden Euro die Rede. Bis 2024 soll die Hautaufhellungsindustrie 26,5 Milliarden Euro wert sein. Weltweit sollen bis zu 27 Prozent aller nicht-weißen Frauen Hautaufheller benutzen. Viele Menschen in afrikanischen Ländern sparen sogar an Lebensmitteln, um sich die Bleichprodukte leisten zu können. Inzwischen werden die Produkte auch über Instagram vertrieben. Wie etwa von Enyonam Patience Gbekle aus Ghana. Die 25-Jährige hat ihre Haut nach eigener Aussage mit Bleaching-Produkten sehr stark aufgehellt und hält das für die beste Werbung. Wer ihr mittels ihres Instagram-Accounts Farcardiskinglow eine Direktnachricht schreibt, kann so Cremes, Peelings und Seifen bestellen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel" sagte sie: „Helle Haut gibt Selbstbewusstsein und bringt die Aufmerksamkeit von anderen. Vor allem bedeutet helle Haut aber Geld. Wenn du hell bist, bekommst du bessere Jobs, verdienst mehr, wirst eingeladen."
Verbrennungen bis Hautkrebs
Tatsächlich sind viele Anwender nicht nur von dem Wunsch getrieben, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen, sondern erhoffen sich ein besseres Leben. Agenturen für Schauspieler oder Models werden häufig gezielt nach „hellbrauen" Menschen angefragt. Auch auf den Laufstegen lässt sich dieser Trend erkennen. Mancher, der zum Star wurde, hat im Anschluss sogar seinen eigenen Hautaufheller vermarktet. Aber nicht nur Schauspieler und Models, auch Arbeitnehmer in ganz anderen Branchen, erhoffen sich auf diese Weise bessere Chancen und bessere Bezahlung im Arbeitsmarkt. Zudem erzählen viele Frauen in Interviews, dass Männer Frauen mit heller Haut bevorzugten. Bessere Chancen durch hellere Haut erhoffen sich viele deshalb auch bei der Partnersuche – insbesondere in Ländern, in denen die Heirat als wichtigster Meilenstein einer jungen Frau gilt. Mancherorts wird in Heiratsanzeigen neben der Frage nach sozialer Zugehörigkeit oft explizit nach hellen Ehepartnerinnen gesucht. Nicht zuletzt kann es für Frauen richtig gefährlich werden, wenn sie in bestimmten Regionen als „nicht weiß genug" gelten. Das reicht von Bodyshaming und Schikane bis hin zu physischer Gewalt. Manche von ihnen fürchten sich vor fremdenfeindlichen Reaktionen, etwa wenn sie aus einem Land, in dem die Bevölkerung gewöhnlich dunklere Hautfarbe hat, in ein Land kommen, in dem die Menschen normalerweise etwas heller sind. So sind sie direkt erkennbar und haben Angst, deshalb abgestraft zu werden oder Gewalt zu erfahren. Manche schwangeren Frauen nehmen deshalb Tabletten, damit ihr Kind schon mit heller Haut zur Welt kommt. Andere cremen ihre Babys mit einer Bleichlotion ein, weil sie hoffen, dass der Nachwuchs es so einmal besser haben wird als sie selbst.
Weil die Bleaching-Mittel längst nicht nur ein gefährliches Schönheitsideal sind, sondern vielfach auf rassistischen Überzeugungen fußen, regt sich Widerstand. „Buzzfeed-News" berichtete beispielsweise über den Fall der indischen Journalistin Kinita Shenoy, die für die Cosmopolitan in Sri Lanka gearbeitet hat. Der Großkonzern Unilever hatte ihr vor ein paar Jahren ein Päckchen zugesandt. Der Inhalt: Cremes, die die Haut weiß machen sollten. Als Shenoy das erste Päckchen ignorierte, wurde ein zweites direkt zu ihr nach Hause geliefert. Unilever fragte an, ob die Journalistin die Cremes auf ihrem privaten Instagram-Account bewerben können, sie lehnte ab. Ihr Arbeitgeber Cosmopolitan bedankte sich auf dem hauseigenen Instagram-Kanal für das Präsent. Shenoy hingegen postete auf ihrem privaten Account: „Haben wir den Punkt nicht überschritten, an dem wir wunderbaren, melaninreichen Asiatinnen sagen, sie sollten ihre Haut weißer aussehen lassen?" Das sollte nicht ohne Folgen bleiben. Unilever drohte als Anzeigekunde abzuspringen, Kinita Shenoy trennte sich im Mai 2018 von dem Magazin, das ihr zufolge eine „enge Beziehung" zu Unilever pflege. Wie Buzzfeed-News berichtet, soll es danach zu einem „konstruktiven Gespräch" zwischen Unilever und Cosmopoltian Sri Lanka gekommen sein. Shenoy sagt, sie selbst habe keine Entschuldigung erhalten.
Produkte erneut in Kritik durch Black Lives Matter
Es sind westliche Großkonzerne wie der indischen Ableger von Unilever, von Procter & Gamble und L’Oréal, die den Markt mit den Hautbleichmittel dominieren. Im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung und der weltweiten Rassismusdebatte, die im Mai diesen Jahres durch den Tod des Afroamerikaners George Floyd neu entfacht ist, sind einige große Hersteller von Bleichcremes zunehmend öffentlich unter Druck geraten. Immer wieder war beispielsweise Unilever in den vergangenen Jahren wegen seiner Bleichcreme „Fair and Lovely", die weißere Haut verspricht, und der damit zusammenhängenden Werbung in der Kritik. Im Juni diesen Jahres hatte es zudem zwei Petitionen dagegen gegeben. Auf den öffentlichen Druck hin haben der indische und bangladeschische Zweig des Unilever-Konzerns angekündigt, ihre Werbestrategien zu überdenken. Die Hautpflegeprodukte sollten künftig ein vielfältigeres Schönheitsideal mit sämtlichen Hautfarben abbilden. Begriffe wie „weiß", „weiß machend" und „hell" hingegen suggerierten ein einheitliches Schönheitsideal, dass das Unternehmen nicht für richtig halte. Deswegen sollten diese Worte in Werbung, Kommunikation und der Benennung von Unilever-Cremes nicht mehr verwendet werden. Letztlich wurde „Fair and Lovely" in „Glow & Lovely" umbenannt. Inwiefern das einen Unterschied macht, wird von Aktivistinnen und Aktivisten infrage gestellt. Der Pharmakonzern Johnson & Johnson kündigte hingegen an, Produkte, die eine hellere Haut versprechen, ganz aus seiner Linie entfernen.
Auch der weltweit größte Kosmetikkonzern L‘Oréal war nach Tweets, in denen der Konzern Solidarität mit der Black-Lives-Matter-Bewegung bekundete, abermals in Kritik geraten. Das britische Model Munroe Bergdorf warf dem Konzern Heuchelei vor. Bergdorf warf dem Unternehmen vor, sie 2017 von einer Kampagne ausgeschlossen und sie den Wölfen zum Fraß geworfen zu haben, weil sie über Rassismus und die Vormachtstellung der Weißen gesprochen habe. Seit Anfang Juni ist Bergdorf zurück im Konzern – als Beraterin für Diversität und Inklusion. Wie sie auf Instagram mitteilte, habe sich eine Konzernsprecherin entschuldigt. Was vor drei Jahren passiert war, sei für sie persönlich und professionell „extrem traumatisch" gewesen, aber sie glaube an Verantwortung und Fortschritt und freue sich auf einen Neuanfang. Zudem wolle L‘Oréal auf Produktbezeichnungen wie „Aufheller" oder „bleichen" verzichten, die helle Haut als Schönheitsideal propagieren. In einer Mitteilung des Konzerns hieß es, dass man künftig Begriffe wie „Aufheller" streichen wolle. Unklar blieb, ab wann die neue Regelung gilt und ob möglicherweise Produkte zurückgezogen werden sollen.