Das feine nordindische Essen von Küchenchef Manish Bahukhandi im „India Club" funktioniert hervorragend auch in Schachteln und Bechern. Lang geschmorte Currys, Tandooris und Beilagen werden auf dem Subkontinent seit jeher in „Tiffin Boxes" zum Außer-Haus-Verzehr geliefert.
So richtig gutes Indien ist manchmal nur zwei, drei Pappboxen und Becher entfernt. Der „India Club" spielt seinen Vorteil, Gerichte der nordindischen Küche sehr gut und abwechslungsreich zuzubereiten, auch per Lieferservice perfekt aus. „Das indische Essen ist dafür einfach von Hause aus sehr geeignet", sagt General Manager und Restaurantleiter Mahyar Mika Rahimkhan, als ich ihn für meine Bestellung anrufe. Wohl wahr – was würde sich besser als lang geschmorte Gemüse- und Fleischgerichte für ein „Stay-at-home"-Dinner eignen? In Indien wird gekochtes Essen immerhin seit eh und je mit Reis und Brot, Joghurt und Chutneys in Henkelmännern, den „Tiffin Boxes", von „Dabbawala"-Boten an den Arbeitsplatz geliefert. Was dort funktioniert, klappt auch in Berlin.
Die Currys und Tandooris des „India Club"-Teams von Küchenchef Manish Bahukhandi haben schon in „normalen" Restaurant-Zeiten auf den Tellern und in den Schalen ihre eigene Note. Jedes Gericht hat sein unverwechselbares Geschmacks-profil. Das setzt sich beim Liefer-Essen fort. Der Fotograf ist der reitende Bote mit der großen Papiertüte. In ihr stapeln sich etliche Boxen und Becher mit Vorspeisen, Currys, Pickles und Dips von der Außer-Haus-Karte. Weil 1. Dezember ist, fühlt es sich an, als ob wir in einen kulinarischen Adventskalender hineingeraten wären – an einem einzigen Tag. Was mag wohl in dieser Schachtel sein? Und in der darunter? Das verrät uns ganz prosaisch die Aufschrift. Wie sieht das Essen aus? Das erleben wir beim Aufklappen; der Duft weht uns vorher schon verheißungsvoll an. Wir sortieren und arrangieren und starten mit Papadam-Hütchen zum Knuspern und Appetit-Anregen sowie mit einer dicken, intensiven Tamarinden-Sauce.
Dann: Ein ganzer Becher Garnelen für uns! Wir beißen uns durch die mit Curryblättern frittierten Tiger Prawns hindurch und sind angetan. Klar, die Panade ist ein bisschen weicher geworden. Das liegt aber an unserer Foto-Session auf dem heimischen Esstisch. Dazu nehmen wir uns vom Kohlrabi-Apfel-Salat, der mir schon vom letzten Dinner im Restaurant als erfreulich-erfrischend in Erinnerung geblieben war. Die geraspelte Kohlrübe, Äpfel und saure Mango tun sich mit Minze, Ingwer, Kresse und kleinen, gelben Crunch-Pops zusammen. Das sieht nicht nur hübsch und anmutig aus, sondern gibt dem Essen einen superfrischen Touch.
Wie ein kulinarischer Adventskalender
Die Knusperperlen sind aus Reis- und Maismehlteig gemacht, verrät Mika Rahimkhan. Solche Croutons im Indian Style möchte ich mir künftig gern ständig über Salate streuen. Gibt’s die auch in Tüten?
Lamb Kofta darf im zweiten Starters-Durchgang auf unsere Teller rollen. Da wir gerade beim Ländervergleich sind: Die indischen Lammhack-Klopse schmecken erheblich würziger als ihre schwedischen Verwandten Köttbullar oder als deutsche Buletten. Ich mag die cremig-kokossige Sauce mit Ingwer und Minze dazu. Die eingelegten, pinkfarbenen Blumenkohl-Röschen sehen schmuck aus und steuern Biss und kleine Säurespitzen bei.
Ob Lamm, Huhn oder Ente, ob Blumenkohl, Kohlrabi, Kartoffeln oder Äpfel: Manish Bahukhandi verarbeitet, wo es passt und geht, hiesiges und überwiegend sogar „eigenes" Fleisch und Gemüse. Der „India Club" gehört August Anno Jagdfeld, der nahe Heiligendamm ebenfalls das Bio-Gut Vorder Bollhagen betreibt. Da ist der Weg zu ordentlichen Kartoffeln, wie sie sich als Drillinge im Asam Duck Curry wiederfinden, oder zum ordentlich aufgezogenen und geschlachteten Tier nicht weit. Nur zwei Arten kommen im „India Club" nicht ins Curry oder in den Tandoor-Ofen – Rind und Schwein. „Wir beziehen nicht 100, aber 91 Prozent unserer Produkte in Bio-Qualität", sagt Mika Rahimkhan. „Sogar den Safran!" Das ist allerdings selten. Denn bei Gewürzen ist nicht alles in Bio erhältlich und beim so ziemlich teuersten Gewürz der Welt wird’s gleich noch eine Prise preisintensiver im Einkauf.
Nach den drei Vorspeisen geht es erst richtig los. Pardon, dass wir das Essen direkt aus den braunen Boxen auf die Teller löffeln! Das kommt mir ketzerisch vor, gerade weil ich die von Anne Maria Jagdfeld entworfenen, farbenfrohen Platzteller mit stilisierter Lotusblüte und Dharma-Rad des indischen Wappens sowie die weiß eingedeckten Tische im Restaurant vor meinem inneren Auge habe. Aber wir wollen so warm wie möglich essen. Die Zeiten sind besondere, die Umstände ebenso. Das unübliche @home-Prozedere schürt vielmehr die Vorfreude. Auf ein „Danach", in dem ein Dinner unter den bunten Glaslüstern und mit dem aufmerksamen Service von Mika Rahimkhan und seinem Team wieder vor Ort zu erleben sein werden.
„91 Prozent der Produkte sind in Bio-Qualität"
Derzeit nimmt der Restaurantmanager die Bestellungen an sechs Tagen in der Woche am Telefon entgegen. Sein Stellvertreter fährt die Essen aus. „Die Gäste freuen sich, wenn sie jemand an der Strippe haben, den sie kennen." Das Umsorgen wirkt eben auch fernmündlich und per Funkwellen. „Unsere Stammgäste sind geblieben und bestellen viel. Aber es kommen auch neue Gäste, die uns ausprobieren." Es sind auch solche, die mehr aufs Geld achten müssen und sich in Corona-Zeiten etwas Besonderes für Zuhause leisten. „Für 60 Euro kann man jetzt ein schönes Essen für Zwei bekommen", sagt Rahimkhan. „Diese Gäste erinnern sich vielleicht gern an uns und kommen wieder, wenn sie etwas Besonderes wie Geburtstag oder Hochzeitstag feiern." Die Hauptgerichte auf der Außer-Haus-Karte liegen bei 22 bis 27 Euro, die Starters zwischen 15 und 21 Euro. Dazu kommen noch Reis, Brot, Dal oder Raita extra für vier bis neun Euro. Wein, Bier oder ein Gulab Jamun, eine Grießschnitte mit Milch und Rosenblättern, stehen ebenfalls auf der Liefer-Karte.
Wir wissen: Manish Bahukhandi spart nicht an den Gewürzen. Das geht durchaus in Richtung original indische Schärfe. Deshalb probieren wir uns von mild zu feurig hoch. Wir nehmen zuerst vom Buttered Chicken „nach einem Familienrezept". Ich hatte es als vollmundig tomatig in Erinnerung. So ist es nun erneut. „Decoration for chicken" steht auf einem Becherchen. Ich folge der Regieanweisung und drapiere Ingwerstreifen auf ausgelöstem Hühnerbein im roten Mantel.
Wir nehmen vom Reis mit Safran und Ghee und vom mit Kreuzkümmel schwarz getüpfelten Royal Cumin Pulao dazu. Hat was von indischer Bolognese, denke ich mir beim Anblick des mitessenden italienischen Feinschmeckerfotografen. Und macht mindestens genauso glücklich! Noch brauchen wir es nicht zum Abpuffern, doch ein Klacks Raita macht viel Freude als Begleitdip. Der Joghurt stammt gewiss nicht von einer Magermilch-Kuh: Er ist dick, pastös, beinah quarkig. Und mit Gurkenwürfelchen, Minze und Kumin sehr köstlich.
Neue Maßstäbe in Berlin gesetzt
Bei unserem vegetarischen Hauptgericht, einem Paneer Jalfrezi, erfährt der schärfeempfindliche Fotograf, weshalb Raita nicht nur schön, sondern manchmal unabdingbar ist. Die milden Frischkäse-Stäbchen werden von Zwiebeln, Tomaten, Paprika, Ingwer, Cashews und Sahne umarmt. Spicy wird es nach Jalfrezi-Art durch grüne Chilis. Für so ziemlich jeden Inder wäre das wohl eher medium. Uns verleitet es jedenfalls zum gepflegten Langsam-Essen und zu dem einen oder anderen Extra-Löffel Raita. Ich würde dennoch keinen Scoville missen wollen – wozu gibt es schließlich die vielen tollen Gewürze mit ihren unterschiedlichen Aromen und Schärfegraden?
Der Asam Duck Curry, eine Ente mit Zwiebeln, Kartoffeln, Tomaten und Garam Masala, nimmt denselben Abzweig. Die Chilis haben in der Gewürzmischung mit Zimt, Nelken, Kardamom, Kreuzkümmel, Muskatnuss und Koriander neben schwarzem Pfeffer einen prominenten Platz. Wären wir Drachen, würden wir jetzt glücklich Feuer speien.
Der Plan von Anno August Jagdfeld, in Berlin hochklassige, authentische nordindische Küche zu etablieren, die mit Restaurants in London oder Indien mithalten kann, darf dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung des „India Club" als gelungen bezeichnet werden. Chef Manish Bahukhandi hat zweifellos Maßstäbe in der Stadt gesetzt. Das wissen die Gäste, zu denen die indische Botschaft regelmäßig zählt, nicht nur in „normalen" Zeiten zu schätzen, beobachtete Mika Rahimkhan: „Unsere Gäste sagen uns, sie sind dankbar, dass wir da sind. Ich sage: Wir sind dankbar, dass Sie bei uns bestellen, denn sonst wären wir nicht hier."