Immer mehr an Covid-19 erkrankte Patienten müssen ins Krankenhaus. Auch danach ist die Krankheit oft noch lange nicht überstanden. Professor Sven Gläser, Internist und Spezialist für Pneumologie und Infektiologie am Vivantes Krankenhaus in Berlin-Neukölln, erklärt den Verlauf.
Herr Professor Gläser, die zweite Corona-Welle läuft, und die Anzahl der schwer Erkrankten steigt. Unter welchen Symptomen leiden die Patienten, die zu Ihnen ins Krankenhaus kommen?
Patienten, die in unseren Kliniken behandelt werden, sind meist schwer krank, sie leiden unter Luftnot, Fieber und Husten und sind abgeschlagen. Es handelt sich nicht immer um multimorbide Patienten, also Menschen mit mehreren Vorerkrankungen. Wir erleben jetzt im Spätherbst, dass sich das Virus auf ein breites Patientenspektrum verteilt, abgesehen von Kindern und Jugendlichen werden Menschen aus allen Altersgruppen bei uns versorgt. Trotz der schweren Erkrankung haben jüngere Patienten bessere Prognosen, selten versterben Covid-Patienten, die jünger als 50 sind.
Wie entwickelt sich das Krankheitsbild?
Wir beobachten zwei häufige Verläufe. Bei einigen Patienten verbessert sich der Zustand nach ungefähr drei bis fünf Tagen, sie haben dann kein Fieber mehr und können nach Hause entlassen werden. Bei den anderen nimmt die Kurve eine andere Richtung. Bei ihnen beginnt später, nämlich um den zehnten bis zwölften Tag nach Einsetzen der Symptome, eine kritische Phase. Die mit Abstand meisten von ihnen bekommen eine schwere Lungenentzündung beziehungsweise Covid-Pneumonie. Diese geht einher mit Ateminsuffizienz, das heißt Patienten können schlecht atmen und brauchen zusätzlichen Sauerstoff. Abgesehen von Pneumonien sind in seltenen Fällen die unterschiedlichsten anderen Symptome zu beobachten – von Hauteffloreszenzen über Thrombosen bis zu Lungen-, Leber-, Nieren- oder anderem Organversagen.
Wie müssen die schweren Fälle behandelt werden?
Patienten, die schwer an Covid-19 erkranken, brauchen eine intensivmedizinische Behandlung. Bei schwerer Ateminsuffizienz erhalten sie in einem ersten Schritt eine Highflow-Sauerstofftherapie. Über eine Sonde erhalten sie dabei ein Gemisch aus Raumluft und Sauerstoff. Vom weiteren klinischen Verlauf ist abhängig, ob eine künstliche Beatmung erforderlich ist, die Patienten auch in Bauchlage positioniert werden müssen. Im Gegensatz zu einer klassischen Lungenentzündung kann die Covid-Pneumonie nicht mit Antibiotika behandelt werden, aber auch in Dauer, Verlauf und den Röntgen- und Computertomografie-Befunden gibt es große Unterschiede.
Wie lange dauert die Behandlung im Durchschnitt?
Durchschnittlich werden Covid-Patienten bei Vivantes etwa elf Tage behandelt, wenn sie künstlich beatmet werden müssen ist der Klinikaufenthalt häufig wesentlich länger.
Unter welchen Folgen leiden die Genesenen nach der Behandlung, wenn sie das Krankenhaus verlassen?
Auffällig ist, dass die klinisch behandelten und damit schwer erkrankten Menschen meist mehrere Wochen brauchen, um sich von Covid-19 zu erholen. Sie leiden lange unter einem unangenehmen Husten, sind nicht leistungsfähig und schwach. Über drei Wochen nach einer Klinikentlassung klagen viele ehemalige Patienten noch über Luftnot. Und auch lange nach der Akuterkrankung kann es noch zu Covid-bedingten Thrombosen oder Lungenembolien kommen. Da man in keiner Weise voraussagen kann, in welcher Form und wie lange danach sich die Spätfolgen zeigen, sollten ehemalige Patienten unbedingt nach einem viertel- oder halben Jahr in eine ambulante Nachsorge oder Kontrolle gehen.
Zu welchen Langzeitschäden kann die Infektion mit Covid-19 führen?
Wir kennen die Krankheit erst seit einem halben Jahr, daher lässt sich über Langzeitschäden nur spekulieren. Ein Teil der Patienten wird vermutlich Residuen, also Restbefunde in der Lunge behalten. Solche Erfahrungen machte man jedenfalls beim Sars-Virus. Wie viele davon betroffen sein werden und ob die Mehrheit ganz geheilt werden kann, lässt sich noch nicht voraussagen. Die beatmeten, schwerstkranken Patienten erholen sich langsamer. Wie es sich bei den nicht beatmeten Patienten verhalten wird, ob sie mit Lungenfunktionsproblemen und Gewebeveränderungen zu kämpfen haben, bleibt abzuwarten. Es ist durchaus möglich, dass die Entzündung langfristige Spuren unter anderen im Lungengewebe hinterlässt.
Immer häufiger sieht man Bilder von schwer Erkrankten, die beatmet werden. Welche Folgen kann die Beatmung haben?
Künstlich beatmete Patienten sind stets schwer erkrankt und müssen beim sogenannten Weaning das Atmen ohne maschinelle Unterstützung erst wieder erlernen und sich davon „entwöhnen". Das kann unter Umständen auch mehrere Wochen in Anspruch nehmen.
Welche Spätfolgen können durch Therapien behoben werden?
Das wird sich erst zeigen, wenn viele Menschen aus der akuten Krankheitsphase und der Rehabilitation herauskommen.
Auf welche Therapien müssen sich Patienten, die schwer erkrankt waren, einstellen?
Wie nach allen schweren internistischen Erkrankungen folgt auf den Krankenhausaufenthalt in der Regel eine ambulante oder stationäre Rehabilitation oder neurologische Frührehabilitation und eine Entwöhnung von der künstlichen Beatmung.
Welche Langzeitschäden treten besonders häufig auf?
Wie gesagt: Wir machen die Erfahrung, dass ehemalige Patienten noch lange nach der Entlassung aus dem Krankenhaus beispielsweise mit Gewebeschäden in der Lunge zu kämpfen haben. Ob diese sich vollkommen zurückbilden, können wir heute tatsächlich noch nicht mit Sicherheit sagen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass bei einem Teil der Patienten auch langfristige Folgen eintreten werden.