… das war im Corona-Jahr 2020 eine immer wiederkehrende Frage. Die Tourismusbranche erlebte ein nie dagewesenes Auf und Ab. Ein Rückblick.
Es war Freitag, der 28. Februar 2020, und bereits weit nach 18 Uhr – als die Messe Berlin eine Nachricht verschickte, die aufhorchen ließ: Die Internationale Tourismusbörse, die größte Reisemesse der Welt, die am 4. März beginnen sollte, wurde kurzfristig abgesagt. Spätestens mit dieser Absage wurde klar, dass 2020 in Sachen Tourismus kein normales Jahr werden würde.
Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits in 41 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation Reisebeschränkungen, insbesondere Einreisebeschränkungen für Reisende aus China. Auch waren Gruppenreisen von Deutschland nach China bereits seit Januar abgesagt worden. Doch all diese Einschränkungen waren erst der Anfang. Am 11. März, einem Mittwoch, stufte die WHO das Corona-Virus offiziell als Pandemie ein. Danach ging es Schlag auf Schlag: Am 17. März sprach das Auswärtige Amt eine weltweite Reisewarnung für alle „nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland" aus. So etwas hatte es noch nie gegeben! Der Grund für die weltweite Reisewarnung lag auch in den massiven Einschränkungen im Reiseverkehr und in den Quarantänemaßnahmen, die in vielen Ländern erlassen worden waren.
Weltweite Reisewarnung
Zudem war man in Europa gerade dabei zu lernen wie massiv und schnell das Coronavirus durch Reiserückkehrer gestreut werden kann. Bereits am 5. März hatte Island den beliebten Tiroler Skiort Ischgl zum Risikogebiet erklärt, im behäbigen Deutschland hingegen dauerte es bis zum 13. März, bis Tirol als Risikogebiet definiert wurde. Bis dahin hatten sich noch zahlreiche Urlauber aus Deutschland in den österreichischen Skigebieten angesteckt.
Als man das Problem dann erkannt hatte, gingen innerhalb Europas plötzlich wieder Schlagbäume runter. Bundesinnenminister Seehofer hat in Abstimmung mit den Nachbarstaaten und den Bundesländern entschieden, ab dem 16. März Grenzkontrollen einzuführen –
vorerst an den Grenzen zu Österreich, der Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark. Tschechien und Polen, Deutschlands östliche Nachbarländer, hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Grenzen ohnehin schon geschlossen.
Immer wieder wurden Reisewarnungen verlängert, stand zunächst nur der Osterurlaub in Frage, war es bald darauf auch der Pfingsturlaub. Innerhalb von wenigen Wochen war aus einer vermeintlich asiatisch-chinesischen Krise eine weltweite Pandemie geworden. Dies hatte massive Auswirkungen auf den Flugverkehr – bereits zwischen Februar und März hatte sich die Zahl der Lufthansa-Passagiere um mehr als 50 Prozent verringert. Statt wie sonst fast neun Millionen Passagiere waren es im März weniger als vier Millionen. Im April kam der Flugverkehr dann fast vollständig zum Erliegen, die Lufthansa zählte im gesamten Monat lediglich rund 240.000 Passagiere.
Schnell begann die Zeit der Hilfspakete – für Airlines, aber auch für Reiseveranstalter. Im Mai einigten sich Lufthansa und Bundesregierung auf ein Rettungspaket im Gesamtumfang von neun Milliarden Euro, das aus stillen Einlagen, einem staatlich abgesicherten Kredit und einer direkten Beteiligung bestand.
Doch Hilfsprogramme waren nicht nur für darbende Firmen notwendig, auch zahlreiche Urlauber, die von der Pandemie überrascht worden waren, befanden sich in Not. Der weitgehende Zusammenbruch des weltweiten Flugverkehrs führte dazu, dass weit über 200.000 deutsche Urlauber im Ausland gestrandet waren. Sie wurden im Rahmen einer aufwendig organisierten Luftbrücke mit über 300 Sonderflügen zurückgeholt. Denn in zahlreichen Ländern gab es ab der zweiten Märzhälfte bereits keine regulären Flugverbindungen mehr, etwa nach Ägypten und Marokko, Tunesien und Costa Rica, in die Dominikanische Republik, nach Peru oder auf die Philippinen.
Insgesamt 94 Millionen Euro hatte dieses gigantische Rückholprogramm letztendlich gekostet. Und die Erfahrung damit war einer der Gründe, die dazu führten, dass die weltweite Reisewarnung Ende April von der Bundesregierung verlängert wurde – vorerst bis zum 15. Juni.
Für Reiseveranstalter und Reisebüros freilich brachte diese Situation einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, sie wurden zu Händlern ohne Ware und waren damit beschäftigt, eine gewaltige Stornierungswelle abzuarbeiten. Kurzarbeit und Überbrückungshilfen halfen, waren aber längst nicht überall ausreichend. Die TUI, ihres Zeichens der größte Reisekonzern Europas, erhielt im Laufe des Jahres gleich mehrmals Staatshilfen. Auch die Münchener FTI Group konnte das Krisenjahr nur mit staatlicher Hilfe überstehen.
Neben Airlines, Veranstaltern und zehntausenden oft inhabergeführten Reisebüros traf die Krise natürlich auch die Bahn, Fernbusveranstalter, Kreuzfahrtenanbieter, Flughäfen, Online-Portale, Touristik-Fachmedien sowie die Hotellerie.
Im Juni 2020 jedoch, die erste Corona-Welle war abgeklungen, sah es so aus, als würde sich alles allmählich wieder normalisieren. Am 10. Juni kündigte Horst Seehofer die weitgehende Aufhebung der innereuropäischen Grenzkontrollen an. Zum 15. Juni wurden die generellen Reisewarnungen für die Mitgliedsstaaten der EU, für Schengen-assoziierte Staaten und das Vereinigte Königreich aufgehoben und durch individuelle Reisehinweise ersetzt. Reisen innerhalb Europas waren also wieder möglich. Gleichzeitig jedoch wurde die pauschale Reisewarnung für mehr als 160 Länder außerhalb Europas noch einmal verlängert – vorerst bis zum 31. August.
Einschränkungen im Sommerurlaub
Die wiedergewonnene Reisefreiheit führte jedoch keineswegs zur Buchungs-Euphorie. Zwar konnte TUI seine ersten Mallorca-Reisen innerhalb kurzer Zeit voll bekommen, doch insgesamt blieben die Menschen bei der Buchung des Sommerurlaubs vorsichtig, wollten keine Menschenansammlungen – und hatten zum Teil auch mit den wirtschaftlichen Auswirkungen von Kurzarbeit & Co. zu kämpfen. Gefragt waren vor allem innerdeutsche Ziele – etwa die Ostsee, die Nordsee und Bayern. Viele Menschen fühlten sich in der Ferienwohnung dabei sicherer als im Hotel – und auch der Campingurlaub boomte. Die Zulassungszahlen für Wohnmobile schossen nach oben.
Nachdem der Oster- und Pfingsturlaub ins Wasser gefallen war, war Sommerurlaub mit Einschränkungen wieder möglich. Doch letztendlich war dies nur eine kleine Corona-Pause – denn schnell zeigte sich, dass mit der Zunahme von Auslandsreisen, beispielsweise von privaten Autoreisen nach Kroatien oder Italien, auch die Zahl der Neuinfektionen wieder anstieg. Obligatorische Rückkehrertests und mögliche Quarantänepflichten machten immer mehr Auslandsreisen daraufhin schnell wieder unattraktiver. Die Durchführung der Rückkehrertests war pannenbehaftet – und die Überwachung der Quarantäneverpflichtungen nach der Rückkehr aus Risikogebieten lange Zeit lückenhaft.
Fernreisen waren im Sommer 2020 ohnehin noch tabu – die generelle Reisewarnung hierfür galt bis Ende September. Allerdings bedeutete diese Reisewarnung nie ein striktes Reiseverbot. Wer bereit war, Quarantäne- und gegebenenfalls Testpflicht nach der Rückkehr auf sich zu nehmen und wer ein Zielland wählte, in das Deutsche einreisen konnten, konnte theoretisch auch schon vorher die eine oder andere Fernreise antreten. Entspannter wurde es dann nach dem 1. Oktober, als die Empfehlungen an die jeweilige Risikosituation im Land angepasst wurden. Was unter anderem schnell dazu führte, dass beispielsweise Reisen nach Namibia oder nach Kuba wieder mit relativ bescheidenen Einschränkungen möglich waren – denn Urlauber in diesen Ländern waren auf einer Reise schließlich meist sicherer, als wenn sie in Deutschland geblieben wären. Als Alternative zur richtigen Fernstrecke wählten viele Urlauber allerdings im September und Anfang Oktober die griechischen Inseln als ihr Urlaubsziel, denn dort war die Coronalage lange Zeit weitgehend entspannt.
Im Oktober 2020 verhängten zunehmend mehr Regionen Beherbergungsverbote für touristische Einreisen aus innerdeutschen Risikogebieten. Bald darauf entwickelte sich fast ganz Deutschland zum Hochrisikogebiet und es kam zum sogenannten Lockdown light. Seit November sind touristische Übernachtungen innerhalb Deutschlands generell untersagt.
Spätestens Ende November war klar, dass das Tourismusjahr 2020 mehr oder weniger komplett abgeschrieben werden muss. Und die ITB Berlin, die größte Reisemesse der Welt, die Ende Februar kurzfristig abgesagt werden musste, hat für 2021 ihr ganz eigenes Signal gesetzt: Die weltgrößte Reisemesse wird im März kommenden Jahres erstmals nicht als Präsenzmesse in Berlin, sondern überwiegend als virtuelle Veranstaltung durchgeführt. Das macht deutlich: Von einer Normalisierung ist die Tourismusbranche Ende 2020 noch meilenweit entfernt.