Die Pandemie hat der saarländischen Gastronomie und allen, die von ihr abhängig sind, im abgelaufenen Jahr einen schweren Schlag versetzt. Und wenn sich die Lage nicht bald bessert, wird sich unsere Gastro- und Kulturlandschaft nachhaltig verändern.
Ein paar Stunden, bevor ich diese Zeilen schrieb, meldete die „Tagesschau", „dass die vollständigen Zahlungen, die über die Abschläge hinausgehen, frühestens am 10. Januar fließen". Das Computerprogramm zur Bearbeitung der Novemberhilfen stelle der Bund den Ländern erst am 20. Dezember zur Verfügung, sodass erst danach mit deren Bearbeitung begonnen werden könne, hieß es anderer Stelle. So wurden aus den „Novemberhilfen" „Januarhilfen". Und wieder wurde eine ganze Branche, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, die ohnehin 2020 enorm gebeutelt wurde, im Stich gelassen.
Immer wieder sahen sich die Gastronomen im abgelaufenen Jahr mit neuen Problemen konfrontiert und mussten Lösungen finden. Wobei an den Gastronomen jede Menge Zulieferer und Partner dranhängen. Diese hatten ebenso das Nachsehen. Und natürlich jede Menge Kulturschaffende. Ob Maler oder Musiker, ob Literaten oder Menschen aus der Veranstaltungstechnik – alle brauchen die Gasthäuser oder Hallen, um sich zu präsentieren. Viele von ihnen fühlen sich mittlerweile als Stiefkinder der Nation: Hilfen kamen gar keine – oder wenn, meist viel zu spät.
Wer mir bei allen Diskussionen aber zu kurz kommt, sind die Arbeitnehmer im Gaststätten- und Hotelgewerbe. Sie bekommen mittlerweile zum zweiten Mal viel weniger, als ihnen zustehen müsste. Bei normalem Gehalt und Trinkgeld ist eine vierköpfige Familie noch mit Ach und Krach zu ernähren. Doch wie soll das mit 60 Prozent Kurzarbeitergeld gehen? Da muss dringend nachgebessert werden. Am besten rückwirkend. An anderer Stelle wird das Füllhorn weniger zaghaft ausgeschüttet.
Bislang mussten wenige aufgeben
Niemand hätte sich vor genau einem Jahr vorstellen können, was 2020 alles auf uns zukommen würde. Im Frühjahr erlebte ich mein Heimatland, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Die Grenzen zu Frankreich dicht, die Straßen wie leer gefegt! Man kann nicht 60 Jahre die Bürger auffordern, freundliche Beziehungen zu unsern Nachbarn zu pflegen, um dann diese langjährigen Freundschaften plötzlich in den Wind zu schießen. Familien wurden auseinandergerissen, unser Leben wurde auf den Kopf gestellt. Gott sei Dank hat die Politik aus diesem schweren Fehler gelernt, denn im Herbst, beim Lockdown light, galten andere Regeln. Und auch beim aktuellen harten Lockdown bleiben zumindest die Grenzen weitgehend offen.
Der März brachte viele Gastronomen ins Straucheln, zum Glück fielen damals nur wenige. Im ersten Moment schlossen viele Gasthäuser zu, einige verkauften noch Essen. Die Kunden konnten es im Bistro ihres Vertrauens abholen, oder manche brachten es auch zu den Kunden nach Hause. Nach etwa 14 Tagen kamen viele, die anfangs ihre Läden zugemacht hatten, zu dem Schluss: Besser täglich einige Essen verkaufen als gar keinen Umsatz machen. Und je näher es auf Ostern zuging, desto mehr Bewegung kam ins Spiel.
Das Wirtshaus „Unter der Linde" in St. Arnual beispielsweise ging eine Kooperation mit dem Edeka-Markt Lonsdorfer in der Mainzer Straße ein und verkauft dort bis heute seine Gerichte, die die Kunden nur noch zu Hause erwärmen müssen. Das „Chez David" in Bübingen etwa stellte wie viele andere auf Lieferservice um. Seine Speisen werden mit einem Sous-vide-Verfahren zubereitet. Auch hier gibt es eine kleine Anleitung dazu, wie man die Gerichte vollendet. Auf diese Weise lassen sich sogar mehrere Gerichte für mehrere Tage bestellen, denn sie sind alle mindestens zehn Tage haltbar. Jürgen Schnabel von „Schnabels Restaurant" weckte seine Produkte ein und lieferte sie an seine Kundschaft, stellte ihnen ganze Pakete zusammen. Not macht erfinderisch, und viele weitere Gastronomen entwickelten so ein zweites Standbein, das auch nach Ende der Corona-Pandemie bestehen bleiben soll.
Neue Ideen wurden zu zweiten Standbeinen
Die ganz Großen ließen weiterhin zu. Augenscheinlich war die Gefahr, auf ihrer hochwertigen und teuren Ware sitzen zu bleiben, zu groß und ein zu großes finanzielles Risiko. Wobei hier groß im Sinne des Renommees und der beschäftigten Mitarbeiter gemeint ist. Sterne-koch Alexander Kunz etablierte seine Kunz-Manufaktur, Sterneküche fertig geliefert und zum Aufwärmen für daheim. Sternekoch Cliff Hämmerle nutzte die Zeit des ersten Lockdowns dazu, sein Restaurant zu renovieren. Auch andere nutzten die Zeit dafür und zogen geplante Arbeiten vor.
Der Sommer war ein Segen für viele Gastronomen, denn wir hatten viele Sonnentage. Die Kunden konnten überall draußen Platz nehmen und nutzten das Angebot reichlich. Vielen hatten die regelmäßigen Besuche in ihrem Lieblingslokal gefehlt. Die Gastronomie konnte zwar die verloren gegangen Umsätze des Frühjahrs nicht wieder reinholen, doch ein gutes Sommergeschäft half vielen, die Verluste etwas abzumildern. Wenigstens kam endlich wieder etwas Geld in der Kasse.
Und alle freuten sich auf die umsatzstarken Monate November und Dezember. Doch dann hieß es ein zweites Mal zusperren. Peter Gaschott von der „Jungholzhütte" in Bebelsheim merkte dazu an: „Um Kontakte zu reduzieren, hat man die Gastronomie geschlossen. Dort hatte man zwar – bestens kontrollierbar – ein Umfeld, das größten Wert auf Hygiene gelegt hat. Menschen, die einen gastronomischen Betrieb besuchten, mussten sich registrieren, mussten Abstand halten, wurden unter Wahrung aller einschlägigen Regeln bedient. Das hat die Politik verboten. Jetzt sehen wir nach vier Wochen, dass dieses Verbot kaum Wirkung hatte. Was macht die Politik? Sie verlängert das Verbot. Menschen verzichten ja nicht auf Essen und Geselligkeit. Sie verlagern ihre Aktivitäten bloß. Jetzt wird zu Hause in der nicht gelüfteten Stube getafelt. Freunde werden selbstverständlich auch eingeladen, aber hier kontrolliert keiner. Und wenn’s ein paar Freunde mehr sind als zulässig, werden die Vorhänge zugezogen und ein bissl enger zusammengerückt, damit es keiner mitkriegt."
Es ist so, wie es ist! Die Gastronomie hat sich im Großen und Ganzen nichts zuschulden kommen lassen, die Hygienekonzepte griffen. Das Robert Koch-Institut meldete im Herbst, nur zwei Prozent der Ansteckungen im Sommer seien aus der Gastronomie gekommen. Anders sah dies bei privaten Feiern aus. Allerdings gab es – wie überall – auch schwarze Schafe, die sich nicht an die Regeln hielten, und diese brachten eine ganze Branche in Misskredit.
Ohne Hilfen wird die Gastrolandschaft eine andere werden
Längst ist klar: Diese Pandemie wird uns noch lange beschäftigen. Erfahrungen liegen nun vor, Konzepte für die Zukunft müssen entwickelt werden. Ganz wichtig dabei, dass diese Erfahrungen aber auch die Politik dazu bewegen, zukunftswirksame Gesetze zu beschließen.
Ich habe mit Lothar Bayer vom „Malzeit" in Saarbrücken gesprochen. Sein Haus hat in der Vergangenheit neben gutem Essen viele Kulturveranstaltungen organisiert. Deshalb traf es ihn auch besonders hart. „Der Lockdown begann eigentlich schon im Februar 2020. Neben den behördlichen Auflagen gab es die Zurückhaltung des Publikums zu diesem Zeitpunkt. Der Lockdown im November und Dezember wird sich bei den Planungen von neuen Konzerten bis zum Frühjahr 2021 auswirken. Hygienekonzepte scheitern zwangsläufig und nachvollziehbar an persönlichen Ängsten und Zweifeln. Hier ist der Ansatz für die zukünftige Kulturarbeit zu finden", erklärt er. Und er malt ein düsteres Bild: „Die finanzielle Basis wurde den meisten in der Branche ohnehin entzogen. Wenn das Vertrauen oder Zutrauen für neue Veranstaltungen nicht entstehen kann, wird 2021 ganz schwer für die Überlebenden in der Veranstaltungsbranche. Ohne Kunst wird es still. Diese Aussage teilen viele. Wir arbeiten nach wie vor mit sehr viel Spaß, Herzblut und Engagement für das Kunstwerk, geben allerdings zu bedenken, dass der breite Zuspruch oder gar Unterstützung derzeit nicht festgestellt werden kann."
Nach den harten Einschnitten wird es langsam dunkel in unserer Gastronomie- und Veranstaltungslandschaft. Irgendwer muss jetzt schleunigst das Licht anschalten, denn sonst wird diese einst üppige Landschaft unter Umständen bald eine vollkommen andere sein. Hoffen wir, dass 2021 vieles besser wird.