Das neuartige Coronavirus stellt die Intensivstationen der Krankenhäuser das ganze Jahr über auf eine harte Probe. Dr. Eva Anyiloibi und Dr. Andreas Schäfer blicken zurück.
Einfach mal 24 Stunden mitlaufen sollten sie, die Corona-Leugner, findet Dr. Andreas Schäfer. Er ist der stellvertretende Leiter der Zentralen Notaufnahme (ZNA) am Standort Sulzbach des Knappschaftsklinikums Saar (KKS). Dr. Eva Anyiloibi ist die Leiterin der ZNA am Standort Püttlingen und nickt während des Webex-Gesprächs zustimmend. Jeder Mensch könne in eine Notlage kommen, sagt sie, und so sei es doch im Sinne von allen, wenn es keine überfüllten Notaufnahmen gebe.
Dass diese derzeit tatsächlich oftmals nicht überbelegt sind, ist erstens den recht strengen Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern zu verdanken. Das werde im Grundsatz in Deutschland schon sehr gut gehandhabt, sagt Andreas Schäfer. Eva Anyiloibi erläutert, dass es bei den Maßnahmen vor allem darum gehe, das exponentielle Wachstum der Corona-Kurve abzuflachen: „Das ist essenziell für die Krankenhäuser." Denn Opfer von schweren Unfällen und vor allem Menschen mit Schlaganfall oder Herzinfarkten müssen schnell behandelt werden – buchstäblich jede Sekunde zählt.
Nur eine begrenzte Anzahl von Betten
Patienten mit Schlaganfällen und Herzinfarkten werden mit am häufigsten in eine Notaufnahme eingeliefert. Sie gehören auch zu den häufigsten Todesfällen in Deutschland. Würde die Zahl der an Covid-19-Erkrankten also nicht im Zaum gehalten werden – durch ebenjene einfachen AHA-Regeln beispielsweise – kämen diese bei schwerem Krankheitsverlauf ebenso in die Notaufnahme. Schnell würde bei exponentieller Verbreitung das Gesundheitssystem überlastet, da ja nur eine begrenzte Anzahl von Betten zur Verfügung steht. Das ist die eigentliche Gefahr der Pandemie.
Eva Anyiloibi und Andreas Schäfer sind seit Beginn der Ausbreitung durch ihre Arbeit ganz dicht dran am Geschehen. Jetzt gerade, im Verlauf der zweiten Welle, stellen sie unisono fest: „Es ist ein bisschen zur Routine geworden." Das war im Frühjahr natürlich noch etwas anders. Die beiden Mediziner sind Experten für interne und externe Gefahrenlagen. Dazu gehören von Berufs wegen die Beschäftigung mit der Vorgehensweise beispielsweise nach dem Ausbruch eines Feuers, einer Bombendrohung oder einer sonstigen Katastrophe – wie dem Ausbruch einer Pandemie.
An Plänen für Abläufe haben die beiden in der Vergangenheit also bereits gearbeitet. Im Fall von Corona haben sie diese weiter ausgearbeitet und als Feinschliff spezifiziert. Was in einem laufenden Prozess natürlich nicht so einfach und schnell vonstatten geht. „Wir hatten noch keine Patienten, aber bereits Überstunden", erklärt Eva Anyiloibi. Ende März/Anfang April tauchten dann die ersten lokalen Hotspots auf, etwa in einem Seniorenheim in Sulzbach, wo ja mit dem Theodor-Heuss-Gymnasium auch eine der ersten beiden Schulen im Saarland dichtmachen musste. „Es herrschte eine große Angespanntheit", bringt sie es auf den Punkt.
Zum ausgearbeiteten Konzept für die Corona-Eindämmung gehörte vor allem ein noch strengeres Hygienekonzept, als es für die Krankenhäuser ohnehin bereits gilt, und das ein Maximum an Sicherheit gewährleisten sollte – sowohl für die Patienten als auch für die KKS-Mitarbeiter. Bei Letzteren wurde und wird jedes Mal ein Corona-Schnelltest gemacht. Die Zentralen Notaufnahmen der beiden Häuser wurden auch in zwei Bereiche unterteilt – einen für Covid-Verdachtsfälle und einen für reguläre Einlieferungen. Denn eines ist klar: Man hatte natürlich auch „Angst vor dem Ungewissen", wie es Eva Anyiloibi ausdrückt.
Nach und nach kamen dann immer mehr Patienten, die von der Rettungsleitstelle den einzelnen Häuser zugeteilt wurden. Darunter waren Hochrisikopatienten, die etwa gerade eine Chemotherapie durchliefen oder auch ältere Patienten. Es waren aber auch Sportliche darunter, die jünger als 30 Jahre waren und beispielsweise gerade aus dem Skiurlaub kamen. „Es waren viele vorher gesunde Patienten dabei, bei denen sich der Zustand zügig verschlechterte", erläutert Andreas Schäfer, „es war kein roter Faden zu erkennen." Dennoch betont er, dass die Vorbereitung auf eine sich epidemisch oder pandemisch ausbreitende Infektionskrankheit an sich „grundsätzlich kein Neuland" gewesen sei.
Damit man also nicht ganz vor dem Ungewissen steht, konnte man so bereits auf die Erfahrungen mit Tuberkulose- oder Gastroenteritis-Ausbrüchen zurückgreifen. Außerdem verfolgte man regelmäßig die Nachrichten und folgte den Richtlinien des Robert Koch-Instituts ebenso, wie man die Berichte der Saarländischen Krankenhausgesellschaft studierte, dem Zusammenschluss der Krankenhausträger und deren Spitzenverbänden im Saarland. Zuletzt stand man im ständigen Austausch mit dem saarländischen Gesundheitsministerium, im Normalfall einmal im Monat.
Manchmal erstaunlich junge Patienten
Diese Infos flossen in besagtes Konzept mit ein. Man schrieb ältere Dokumente weiter, verfasste neue – dann revidierte man wieder, weil es neue Infos gab. „Es war ein absolut dynamisches Prozedere", wie Andreas Schäfer sich erinnert. Gerade die interne Kommunikation erlebte enorme Nachfrage; im KKS-Intranet beispielsweise wurde eine extra Corona-Seite angelegt. Denn eines ist klar: „Mehr als 1.000 Mitarbeiter an beiden Standorten wollten Informationen", fügt er hinzu. Seit März bearbeiten die beiden auch die interne Corona-Hotline, um den Kolleginnen und Kollegen „gewisse Ängste und Ungewissheiten" zu nehmen.
Durch die erste Welle kam Deutschland ganz gut durch. Und ein kurzes Aufatmen gab es auch bei den Mitarbeitern des Knappschaftsklinikums. Der tägliche Umgang mit der Situation lasse sich ein wenig mit dem in Supermärkten oder Einkaufszentren vergleichen – es sei eine Art „neue Normalität" eingekehrt. Der Mensch lernt eben, sich mit neuen Situationen zu arrangieren. Und so werden die Erfahrungen der ersten Welle in der nun laufenden zweiten angewandt.
Während die Zahlen steigen, immer mehr Menschen in die Notaufnahmen kommen, teilweise an einem Tag mehr als 500 Menschen bundesweit sterben und alleine im Saarland seit Ende Oktober innerhalb von acht Wochen rund 200 Patienten an einer Covid-19-Erkrankung verstarben, ist dennoch Zeit für einen emotionalen Rückblick. Andreas Schäfer sind vor allem die manchmal erstaunlich jungen Covid-Patienten sowie der Besucherstopp in Erinnerung geblieben. Um trotzdem mit ihren Angehörigen in Kontakt zu bleiben, habe man Videoschaltungen per iPad ermöglicht. Auch Eva Anyiloibi war mitgenommen von der Tatsache, dass sich Patienten und ihre Angehörigen über Wochen nicht gesehen hatten. Doch sie sagt: „Wir mussten als Team da durch – das schließt die Patienten mit ein."
Was das Team angeht, habe man sogar etwas Glück in dem ganzen Unglück gehabt, wie der Leiter der Unternehmenskommunikation, Peter Böhnel, sagt. Denn bereits im vergangenen Jahr habe die Knappschaftsklinikum Saar GmbH eine Einstelloffensive gestartet, durch die zahlreiche neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewonnen werden konnten. „Das Plus an Pflegepersonal macht sich jetzt bemerkbar", so der Pressesprecher. Durch das aufgestockte Personal konnte man sicherstellen, dass sich der Pandemie jederzeit genügend Mitarbeiter stellen konnten. Denn alleine in den Zentralen Notaufnahmen arbeiten pro Schicht rund zwei Dutzend Menschen.